Captain Hook – Reloaded

Sie waren gewissenlos und brutal; trugen Augenklappen, Eisenhaken und Holzbeine. Soweit das gängige Bild von Piraten. Während des goldenen Zeitalters der Piraterie zwischen 1716 und 1726 galt den hostes humani generis (Feinden aller Menschheit) die Karibik als beliebtes Rückzugsgebiet: Noch hatten die europäischen Königshäuser die Inseln nicht ausreichend für sich gesichert.
Fast drei Jahrhunderte später machen Seeräuber erneut von sich hören. Diesmal nicht in der Karibik, sondern am Horn von Afrika, vor Somalias Küste. Das Land gilt als gescheiterter Staat, in dem die moderate, islamische Regierung trotz finanzieller Zuwendungen der westlichen Nationen ihr Gewaltmonopol nicht aufrechthalten kann.

Die gesetzfreie Zone setzt sich an den Küsten des Landes fort und macht Piraterie zu einem der wenigen lukrativen Unternehmungen in Somalia. “In den letzten fünf Jahren haben somalische Piraten mindestens 100 Millionen Dollar erobert”, schätzt Martin Murphy vom Center for Strategic and Budgetary Assessments (CSBA) in Washington D.C. Dort geht der Experte Fragen zur irregulären maritimen Kriegsführung nach.

Westliche Regierungen wollen dem Problem nicht auf den Grund gehen. Es sei finanziell günstiger, die Erpressersummen der Piraten auszubezahlen als ihnen Sicherheitskräfte auf die Fersen zu schicken, so Murphy. Das Laissez-faire des Westens ist aber problematisch, denn es zieht immer mehr Somalier an Board der Piratenschiffe. Ausserdem treibt es ihre Lösegeldforderungen in haarsträubende Höhen.

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Allein die jungen Entführer des saudischen Öltankers Sirius Star verlangten Ende 2008 25 Millionen US-Dollar Lösegeld. Drei Millionen fielen ihnen wenige Tage später dank Minifallschirm buchstäblich vom Himmel. Beim Aufteilen der Beute brach unter den Piraten Tumult aus. Einige von ihnen wurden später tot am Strand angespült – einer mit über 150.000 Dollar in der Tasche.

Nicht nur die Aussicht auf raschen Geldsegen lockt junge Somalier in die Seeräuberei. Ebenso attraktiv ist sie aufgrund der Popularität, die Piraten innerhalb ihrer Heimat geniessen: In dem konfliktträchtigen Somalia fällt ihnen der Status von Prominenten zu. “Mädchen wünschen sich einen Seeräuber als Ehemann, Jungen wiederum können es kaum erwarten bis sie 17 oder 18 sind und auf einem der Schiffe anheuern”, berichtet Jeffrey Gettleman, ein New York Times-Journalist, der sich auf das östliche Afrika spezialisiert.

Da spielen den Piraten von morgen die Verfehlen  von gestern in die Hand: Im Kalten Krieg war Somalia sowohl für die USA als auch für die UdSSR von strategischer Wichtigkeit –  beide pumpten Geld, aber vor allem Waffenarsenale in die afrikanische Nation. Das Kriegswerkzeug ist wohlauf und auf dem Schwarzmarkt gegen Huhn und Reis erhältlich. Viel steht also nicht mehr zwischen jungen Somaliern und ihrer Berufung als Captain Hook…


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