Macht mal halblang!

Von einem Jahrhundertfehler ist die Rede. Von Zentralismus, Enteignung und sozialistischen Steuervögten. Im Abstimmungskampf um die Steuergerechtigkeitsinitiative ist den Gegnern keine Parole zu populistisch. Deren Argumentation bewegt sich auf dem Niveau der Tea-Party in den USA. Es ist Zeit, etwas Sachlichkeit in die Diskussion einzubringen.

Um was geht es eigentlich bei dieser Steuergerechtigkeitsinitiative? Heute gibt es zwischen den Kantonen grosse Unterschiede bei der Einkommens- und Vermögenssteuer. Die Initiative möchte minimale Grenzsteuersätze für Wohlhabende einführen. Alleinstehende Personen müssten für den Teil ihres Nettoeinkommens, der 250’000 Fr. überschreitet, in der ganzen Schweiz mindesten 22 % Kantons- und Gemeindesteuer zahlen. Der Teil ihres Vermögen, der über 2 Millionen liegt, würde mindestens mit 0.5 % besteuert. Zuletzt soll in der Verfassung der Verbot von degressiven Steuern verankert werden.

Der Liftbauer Alfred Schindler äusserte sich jüngst in der SonntagsZeitung: «Das ist Enteignung und nicht tragbar. Die Schweiz würde sozialistisch». Man weiss nicht recht, ob man über derlei realitätsfremde Aussagen lachen oder weinen soll. In der Tat entsprechen die vorgeschlagenen Mindeststeuersätze gemäss dem Bundesamt für Statistik ungefähr dem Schweizer Durchschnitt. Keine Änderung hätte die Initiative in den Kantonen der Romandie, des Tessins, sowie in Bern, Basel-Stadt und Basel-Landschaft zu Folge. In anderen Kantonen müssten in einzelnen Gemeinden geringfügige Anpassungen vorgenommen werden. Einzig Kantone wie Zug oder Schwyz, die in den letzten Jahren regelrechtes Steuerdumping für Reiche betrieben haben, müssten grössere Steuererhöhungen vornehmen. Doch davon betroffen wäre letztlich nur eine Minderheit: 2007 lagen bei der Vermögenssteuer 86’127 Steuerpflichtige – das entspricht 1.82 % – über der von der Initiative vorgegebenen Grenze. Bei der Einkommenssteuer sind es sogar weniger.

Schindler

Angesichts der eher zustimmenden Umfrageresultaten versuchen nun die Gegner der Initiative dem braven Bürger Angst einzujagen. Obwohl die Unternehmenssteuern in keiner Weise betroffen sind, beschwört der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse massive Schäden für die KMUs und den Schweizer Werksplatz. In einer offensichtlich orchestrierten Aktion drohten zuletzt zahlreiche Firmenchefs, bei einer Annahme der Initiative aus der Schweiz wegzuziehen. Werden sie nach Bulgarien wandern, wo sie lediglich 10 % Einkommenssteuer bezahlen müssten? Wohl kaum. Die Höhe der Steuern ist nur ein Faktor bei der Wahl des Wohnsitzes – neben einer ausgebauten Verkehrsinfrastruktur, einer transparenten Verwaltung, guten (Hoch-)Schulen und weiteren Standortvorteilen der Schweiz. Der Trend zeigt eher in die andere Richtung: In den letzten Jahren sind viele ausländische Unternehmen in die Schweiz gezogen, zum Beispiel nach Genf – notabene kein Tiefsteuerkanton.

Auch der im bürgerlichen Mainstream vielbeschworene Untergang des Föderalismus ist eine billige Floskel. Mit der Initiative würde nur ein Mindeststeuersatz für die reichsten Gesellschaftsschichten festgelegt: Unterhalb könnten die Kantone vollständig über die Höhe ihrer Steuern entscheiden, oberhalb dürften sie lediglich die vorgegebene Grenze nicht unterschreiten. Die Ausgestaltung der Steuerabzüge ist von der Initiative keinesfalls betroffen. Ebenso wenig würde bei einer Annahme ein zusätzlicher zentraler Verwaltungsapparat aufgebaut.

Im Gegenteil: Die Steuergerechtigkeitsinitiative schafft dringend benötigte Rahmenbedingungen für einen gesunden Steuerwettbewerb und einen funktionierenden Föderalismus. In den letzten Jahren haben sich mehrere Kantone bei den Steuern regelmässig unterboten. Zum einen hat dies den Druck auf bereits finanzschwache Kantone wie Freiburg oder Neuenburg erhöht: Um mithalten zu können sind diese gezwungen, soziale Leistungen zu kürzen und in zentralen Bereichen zu sparen, beispielsweise beim Schulwesen. Zum anderen hat es problematische Anreize geschaffen. Ein konkretes Beispiel: Viele Kader wohnen in Schwyzer Gemeinden, zahlen dort geringe Steuern und pendeln zur Arbeit nach Zürich. Sie profitieren von allen Vorzügen der Grossstadt – vom öffentlichen Verkehr bis zum reichhaltigen kulturellen Angebot – ohne einen Rappen davon zu finanzieren. Dieser unlautere Wettbewerb führt regelmässig zu Spannungen zwischen den Kantonen und schwächt den nationalen Zusammenhalt.

Noch mehr Ghettos für Reiche?

Zu guter Letzt öffnet ein völlig enthemmter Steuerwettbewerb die soziale Schere noch ein Stückchen mehr. Inzwischen wohnt jeder zehnte Milliardär dieser Welt in der Schweiz. Hierzulande versteuern 3 % der Bevölkerung gleich viel Vermögen wie der Rest. In Steueroasen wie Zug explodieren die Immobilienpreisen. In der Folge steigen die Mieten an und der Mittelstand wird aus dem Kanton gedrängt. Wollen wir in unserem Land wirklich eine Reihe von Reichen-Ghettos erschaffen? Dass diese Horrorvision gar nicht so realitätsfremd ist, weiss jeder, der schon mal über den «Russen-Hügel» in Wollerau gefahren ist – eine Ansammlung prunkvoller, lebloser Villen.

Kurz: Die Auswüchse des Steuerwettbewerbs schaden der Schweiz. In diesem Kontext stellt die Steuergerechtigkeitsinitiative moderate und effektive Schranken auf, welche das Gemeinwohl sicherstellen. Daran ändern auch die leeren Drohungen einzelner Multimillionären und die reisserischen Phrasen neoliberaler Politiker nichts.


No Comments

  • Raphael

    Na ja , das Problem bei diesem Artikel ist die Einseitigkeit der Argumente und die meistens übertrieben dargestellten Folgen , falls die Initiative abgelehnt werden sollte.
    Meiner Meinung nach verlangt die Initiative zu viel , obwohl der Kern sicherlich nicht bestreitbar ist! Wie immer in der Politik aber herrscht es von Übertreibungen und somit von unnötigen Machtkämpfe , die keinem weiterhelfen. Z.B. ist es absurd die Meinung zu vertreten , das ein grosser Teil der reichen Leute aussziehen würden , auch wenn es sicherlich ein paar sein werden. Genau so absurd ist es wenn man behauptet , in Wollerau herrsche ein “Russen-Hügel” , denn ich weiss von eigener Erfahrung dass nur wenige diesen Begriff gebrauchen.

    Nun zum Hauptkern meines Kommentars: Ich bin fest davon überzeugt , dass man mit kleineren Schritten (bzw. “kleinere” Initiativen) einiges mehr erreichen kann als mit Initiativen , die von Anfang an eine Art “röschti graben” zwischen den zwei Fronten der schweizerischen Politik bildet. Wenn man weniger verlangen würde in dieser Initiative , die doch sicherlich einen wahren Kern besitzt , den nämlich , eine Steuergerechtigkeit herbeizurufen , dann würden alle davon profitieren , sogar die Reichen. Abschliessend muss ich noch anmerken , dass ich genau aus diesem Grund nicht abstimmen werde , da die Initiative zu einseitig ist , aber auch der jetzige Stand der Dinge nicht zufriedenstellend ist.

    • Raphael

      Abschaffungsinitiative : Röschti Graben 100% ersichtlich , wie ich schon erwähnt hatte

      Steuergerechtigkeitsinitiative : Wie gesagt übertrieben und somit stark abgelehnt , obwohl sie durchgekommen wäre , falls sie “nicht so übertrieben” ausgesehen hätte (anhand des Ergebnis in Baselstadt ersichtlich)

  • Andrea Roman Bernhard

    Lieber Julian, dein geposteter Link ist ja wohl völlig populistisch und realitätsfern. Nachdem ich diese Geschichte gelesen habe, stellt sich mir die Frage, wie man ein solches Konstrukt benutzen kann um einen politischen Diskurs zu führen.
    Die Geschichte mag paralellen zu unserem Steuersystem aufweisen, wenn auch auf tiefem Niveau. Die Initiative wird aber meines Erachtens darin nur indirekt behandelt (An der Stelle, wo der reichste Restaurantbesucher verprügelt wird). Vielmehr scheint es, als ob der Autor sich überhaupt nicht mit der Initiative auseinandergesetzt hat. Somit erweist sich diese Geschichte als ein minderwertiges Produkt mit manipulativem Hindergrund und ist deshalb ungeeignet für eine politische Debatte.
    Wenn wir beginnen mit Fabeln und Märchen zu politisieren, die nur eine gute und eine schlechte Seite kennen, dann begeben wir uns rasant auf das Level der Tea-Party Bewegung hinunter.
    Meines erachtens greift die SP mit der Initiative einen sinnvollen Grundgedanken auf. Der Steuerwettbewerb produziert neben vielen positiven Ergebnissen auch ungerechte externe Effekte (wie schon weter oben gennant), welche internalisiert werden müssten. Der Finzanzausgleich greift hier nur bedingt. Die Art und Weise, wie die SP dies erreichen will, finde ich hingegen nicht optimal. So sollte der Finanz- und Lastenausgleich zu diesem Thema überarbeitet werden und die Steuerhoheit bei den Kantonen bleiben.

  • Julian

    Wer das Gefühl hat, dass wohlhabende Leute der Schweiz schaden würden, sollte sich vielleicht mal folgende Geschichte zu Gemüte führen (und dann nochmal darüber nachdenken):

    http://liberalblog.ch/2010/11/23/so-funktioniert-die-steuerinitiative/

    • Ruben Schönenberger

      wer immer noch dem irrglauben folgt, der steuerwettbewerb sei für eine volkswirtschaft nützlich, der sollte sich mal die empirischen beweise dafür ansehen (die gibts nämlich nicht!)

  • Ruben Schönenberger

    Ich wollte auch keinesfalls damit aussagen, dass du das nicht mehr machen sollst :). Ich bin sehr erfreut über deinen Beitrag!

    • Luc-Etienne Fauquex

      Mein Fehler: Der zweite Teil war eigentlich als Antwort an Mario gedacht. Selbstverständlich werden wir weiterhin politische und kontroverse Themen ansprechen – ob auf dem Blog oder im Heft.

  • Luc-Etienne Fauquex

    Lieber Ruben, da kann ich dir nur beipflichten. Ich gebe auch gerne zu, das Thema mit Absicht ein wenig provokativ behandelt zu haben. Umso interessanter sind die ausgelösten Reaktionen… Neben den Empörungen, welche dem HSG-üblichen liberalen Konformismus entspringen, werfen sie auch grundlegende Fragen auf: Inwieweit kann soziale Gerechtigkeit zugunsten wirtschaftlicher Ziele geopfert werden? Was für ein Gesellschaftsmodell wollen wir in Zukunft für die Schweiz? Welche Verantwortung müssen die Eliten für das Gemeinwohl übernehmen? Diese Themen aufzugreifen, noch dazu aus einer studentischen Perspektive, stellt aus meiner Sicht durchaus ein Mehrwert für die prisma-Leser dar.

  • Ruben Schönenberger

    Da sind wir leider bei einem grundsätzlichen Problem der Politik angelangt. Zum einen würde man (so hoffe ich zumindest) gerne seriöse Argumente aneinanderreihen um die WählerInnen zu überzeugen. Andererseits muss man aber die Botschaften meist ziemlich vereinfachen, um sie den WählerInnen erklären zu können. Wer von uns versteht denn schon jedes erlassene Gesetz o.ä. im Detail? Wir sind doch angewiesen auf Vereinfachungen, weil eine detaillierte Auseinandersetzung mit allen politischen Fragen schlicht viel zu viel Zeit beanspruchen würde. Deshalb suchen wir uns Leute, die das für einen eingegrenzten Themenbereich machen und die Informationen für uns “vorkauen”. Dass das kaum je ohne Beeinflussung passiert, sollte jedem klar sein. Schlussendlich ist es auch für die Parteien und für die PolitikerInnen eine Gratwanderung, wie viel Seriösität man für Polemik aufgibt. Umgekehrt gilt natürlich dasselbe.

  • Mario Marti

    Sind wir doch ehrlich, sowohl Gegner als auch Befürworter haben sich schon lange von einer sachlichen, objektiven Argumentation verabschiedet – halt leider einfach weil viele Bürger nur auf Polemik hören. Der Gegenseite Populismus vorzuwerfen, wirkt nur ironisch!

    Ich finde es aber schade, dass hier keine objektivere Diskussion stattfinden kann. Ich sehe die gleichen Aussagen wie in jedem x-beliebigen Internetforum. Da frage ich mich doch, ob es nötig war, dass sich das Prisma auch noch dessen annehmen musste, wenn doch nichts anderes dabei herauskommt! Um zu erfahren, was hier steht, hätte ich auch die Leserbriefseite jeder normalen Tageszeitung aufschlagen können.
    Der öffentliche Diskurs findet schon zur genüge bei anderen Medien statt – daher finde ich, ist es nicht Aufgabe des Studierendenmagazines sich daran zu beteiligen, wenn nicht ein Bezug zur Uni hergestellt oder wenigstens noch ein gewisser Mehrwert gegenüber dem ganzen Rest geschaffen wird (was sicher irgendwie möglich gewesen wäre).

    Dass aber der Autor eine eigene Meinung vertritt finde ich nicht weiter schlimm. Ich finde gerade in einem Blog hat er das Recht dazu, solange es klar als eigene Meinung deklariert wurde, was hier klar der Fall ist – es kann ja wirklich niemand behaupten es erwecke der Eindruck einer objektiven Berichterstattung.

    • Fabian Fechner

      Zur ersten Hälfte deines Kommentars, Mario: Zunächst ist es so, dass sich das prisma in seinem Reglement ausdrücklich dazu verpflichtet hat eine Plattform für den kritischen Meinungsaustausch unter den Studenten anzubieten und das nicht nur über Unithemen. Der Blog ist unserer Meinung nach das geeignetste Mittel um unseren Auftrag, dialogfördernd und interaktiv zu sein, nachzukommen.
      Natürlich, kann man in jedem Internetforum zu diesen Thema diskutieren, aber eben nicht gezielt mit seinen HSG-Kommilitonen. Des Weiteren sehen wir uns durch die Resonanz zu diesem Eintrag, welcher mit Abstand der Meistgelesene in den letzten Wochen ist, durchaus darin bestätigt, dass politische Themen auch im prisma(-Blog) angenommen werden.

  • Ruben Schönenberger

    Sehr schöner Beitrag zur Abstimmung! Danke dafür. Fast noch schöner ist aber, wie die HSGler aufschreien, wenn man keine economiesuisse-Meinung vertritt. Dabei wird dann immer schön die Mär der positiven Wirkung des Steuerwettbewerbs wiederholt, weil einem das als gängige Meinung über Jahre eingebläut wurde. Dass noch keine Studie bewiesen hat, dass der Steuerwettbewerb wirklich profitabel ist, wird dann gerne ignoriert (im Übrigen zeigen existierende Studien sogar eher in die andere Richtung!). Dass der Steuerwettbewerb hier und jetzt negative Auswirkungen hat (man erkundige sich mal an der Kantonsgrenze St.Gallen/Schwyz), wird ebenfalls ignoriert…

  • Katrin Stutz

    Gut die Darstellung der Sonntagszeitung war für die Ablehnung der Initiative sicher nicht optimal. Auch wenn es laut Artikel unter 2% “Superreiche” sind, welches dies betrifft, so ist dies ziemlich viel Geld, welches die Leute zahlen müssen. Genauso wie von den Ausschaffungsinitiative-Gegnern argumentiert wird, es gäbe dann ein Zweiklassen-Rechtssystem so wäre ein Zweiklassen-Steuersystem ziiiiemlich ähnlich einzuordnen. Angesichts der Tatsache, dass ich hoffe künftig genügend zu verdienen, um allenfalls über dem Schnitt zu sein, interessiert mich die Annahme der Initiative persönlich nicht sonderlich. Ich bin für die Hoheit der Kantone in Steuerfragen.

    • Luc-Etienne Fauquex

      Liebe Katrin, dein Vergleich mit der Ausschaffungsinitiative leuchtet mir nicht ein. In vielen Kantonen sind die Steuersätze bereits heute über die Vorgaben der Steuergerechtigkeitsinitiative – soviel ich weiss herrscht dort kein «Zweiklassen-Steuersystem».

      Dass du zugibst, aus persönlichem Kalkül gegen die Initiative zu sein, zeugt zwar von Ehrlichkeit, nicht aber von Verantwortungsbewusstsein. Besonders als vermögende Person sollte man bereit sein, eine grössere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrzunehmen und dem Gemeinwohl stärker beizutragen – auch über höhere Steuern. Dies nicht nur aus einem Mindestmass an Würde und Ethik, sondern auch als Beitrag zum sozialen Frieden und zum Erhalt einer Gesellschaft, die den Wohlstand dieser Personen überhaupt ermöglicht hat.

  • Luc-Etienne Fauquex

    Es geht hier weder um Neid, noch um die Abschaffung des Steuerwettbewerbs! Im Gegenteil: Die Initiative schlägt Rahmenbedingungen vor, welche für die ganze Schweiz eine optimale Wirkung des Wettbewerbs sicherstellen sollen.

    Wohin werden diese «wohlhabenden, produktiven Personen» ziehen? Nach Nizza? Lieber Charles, du scheinst mir mit der Höhe der französischen Steuersätzen nicht ganz vertraut zu sein. Oder nach Monaco, wo die Immobilienpreise jegliche Steuerersparnis verblassen lassen? Ich wage es zu bezweifeln. Ein regelrechter Exodus, der zur einer Kürzung von bis zu 30% des Staatshaushalts führen würde, ist mehr als unwahrscheinlich. Nebenbei bemerkt: Steuern als Enteignung zu betrachten ist in etwa so absurd, wie den Preis eines Produkts als Diebstahl zu bezeichnen. Denn schliesslich ist es der Staat, der die Durchsetzung deiner Eigentumsrechte gewährleistet – neben weiteren Grundrechten, die du sicher nicht missen möchtest.

    Lieber Julian, selbstverständlich besteht Handlungsbedarf! Die Problematik der Zentrumslasten wird im neuen Finanzausgleich (NFA) nur ungenügend gelöst: Basel-Stadt, Genf und Zürich – gerade die Kantone mit einem grossen städtischen Zentrum und den entsprechend hohen Kosten – gehören zu den Geberkantonen im NFA. Wenn in diesem Kontext kleine Kantone mit Mitteln aus dem Finanzausgleich Steuersenkungen finanzieren, die bewusst deutlich unter den Steuertarifen der erwähnten Geberkantone liegen, dann ist es nicht übertrieben von Steuerdumping zu reden.

    Es ist auch keine Floskel, lieber Adrian, gewisse Quartiere als Reichen-Ghettos zu bezeichnen. Wegen der stark ansteigenden Wohnkosten müssen etliche Familien aus diesen Gegenden wegziehen, während vermögende Ausländer Villen bauen, bei denen die Läden fast das ganze Jahr über geschlossen sind. Wenn man dort spazieren geht, wähnt man sich in einer Geisterstadt. Der «Russen-Hügel» in Wollerau stammt nicht aus meiner eigenen Wortschöpfung, sondern wird von den wenigen noch anwesenden Einheimischen als solcher bezeichnet. Und wenn mein Artikel dem hohen Niveau von prisma nicht gerecht wurde, so hoffe ich dass es zumindest unsere Diskussion weiterhin sein wird…

  • Peter Schlemihl

    Der Unterschied zwischen dem Populismus des Autors und demjenigen der Initiativgegner ist, dass ersterer auf einem wahren Kern beruht, während letzterer völlig aus der Luft gegriffen ist. Niemand kann guten Gewissens bestreiten, dass einige Kantone in der Schweiz Steuerdumping betreiben. Die Initiative als Sozialismus zu bezeichnen, ist allerdings in den Augen eines gut ausgebildeten Bürgers wirklich ein Witz.
    Ob man den erwähnten Probleme wie dem Staatsleistungsabbau entgegenwirken muss, kann debattiert werden. Meiner Meinung nach widersprechen degressive Steuersätze unter Vorwand des ‘gesunden Steuerwettbewerbs’ jedoch fundamentalen Grundsätzen der Gleichheit und Gleichbehandlung.

  • Julian

    Man kann wohl schwer seinem politischen Gegnern Populismus vorwerfen und dann selbst mit Begriffen wie “Steuerdumping” hantieren.

    Tatsache ist, dass der Steuerwettbewerb der Schweiz zu einem moderaten Steuerklima und relativem Wohlstand verholfen hat. Zentrumslasten werden heute im Rahmen des NFA ausgeglichen. Diesbezüglich besteht kein Handlungsbedarf. Die Initiative ist absolut unnötig und würde der Schweiz nur schaden.

  • Charles Hügli

    Diesem Plädoyer ist mit aller Heftigkeit entgegenzutreten.

    Mit dieser Initiative werden Steuern zum Prinzip erklärt, das auch zu befolgen ist, wenn es gar keinen Sinn macht. Kantone werden gezwungen, Steuern einzutreiben, für die sie gar keine Verwendung haben. Umgekehrt verlieren die Bürger Kapital, das sie nun nicht mehr investieren können.

    Man muss sich vergegenwärtigen: Wohlstand ergibt sich aus Produktion, Investitionen und Arbeit. Dazu sind Ersparnisse nötig, die in Produktionsgüter investiert werden. Um den Konsum muss man sich keine Sorgen machen, solange man werthaltige Güter produziert. Für wertvolle Produkte findet sich immer ein Konsument, irgendwo auf der Welt. Sowohl der individuelle wie auch der kollektive Wohlstand wird von Produktion getrieben, nicht von Konsum.

    Nun sollte die Problematik der Initiative klar sein: Höhere Steuern beschränken Investitionen, Produktion, Privatarbeit und damit auch den allgemeinen Wohlstand. Die Steuereinnahmen des Staates fliessen zumeist in konsumartige Projekte (Über 50% der totalen Staatsausgaben beziehen sich auf Sozialhilfe und Gesundheit). Mit anderen Worten: Das Geld sehen wir nie wieder. Das Kapital wird aufgebraucht anstatt produktiv eingesetzt. Wenn Steuern erhoben werden, ohne dass dafür überhaupt ein Verwendungszweck geplant ist, gilt dies umso mehr.

    Die Initiative ist tatsächlich eine Einschränkung von Föderalismus und von Eigentumsrechten. Steuern sind nun mal eine legalisierte Enteignung, was denn sonst? (Ich sehe nicht ein, was an dieser Erkenntnis populistisch oder niveaulos sein soll. In einer Demokratie ist ohnehin anzunehmen, dass populistische Entscheidungen gemacht werden. Daran ist auch nicht generell etwas auszusetzen.)

    Der Föderalismus bewirkt einen Steuer- und Leistungswettbewerb unter den Kantonen und Gemeinden. Er bringt eine geradezu unternehmerische Triebkraft in den Staatssektor, welche für Effizienz und Sparsamkeit sorgt. Wenn der Wettbewerb beschränkt wird, verschwinden diese Tugenden.

    Wie im Text erwähnt, wird die Hälfte des Staatsausgaben von nur wenigen Prozent der Bevölkerung finanziert. Diese wohlhabenden, produktiven Personen sind mobil. Anstatt zu arbeiten, könnten sie sich genauso gut in Nizza zur Ruhe setzen. Für sie lautet die Wahl nicht „Zürich oder Wollerau?“ sondern „Schweiz oder Ausland?“ Weil so viel Steuereinnahmen von diesen wenigen Personen stammen, würde ihr Wegzug den Staatshaushalt empfindlich treffen. Er müsste massiv gekürzt werden, in der Grössenordnung von vielleicht 10-30%.

    Statt auf diesen Personen herumzuhacken, die die Hälfte unseres aufgeblasenen Staatsapparats finanzieren, sollten wir ihnen dankbar sein. Sie sollten nicht aus Missgunst oder Neid bestraft werden – sie können der Strafe ohnehin ausweichen.

    Aufgrund dieser Einsichten sollte diese Initiative abgelehnt werden. Von tiefen Steuern profitieren alle, entweder direkt (Eigentumsrecht produktiver Steuerzahler) oder indirekt (Arbeitnehmer dank Schaffung von Arbeitsplätzen mit unberührtem Privatkapital).

  • Fabian Fechner

    Ich glaube wir müssen uns nicht darüber streiten ob der Artikel einseitig ist oder nicht. Objektivität ist nicht immer der Anspruch eines journalistischen Textes. Gerade hier im Blog kann ein Beitrag durchaus provokativ sein, denn jeder hat die Möglichkeit direkt etwas zu erwidern.

  • Adrian Kronauer

    Ich finde es verwerflich, sich über die qualität der argumentation im abstimmungskampf aufzuregen, und dazu noch klar einseitig und fernab von jeglicher objektivität, wenn im nächsten abschnitt mit floskeln wie reichenghetto und russenhügel argumentiert wird. Unabhängig von meiner persönlichen meinung, welche von derjenigen des artikels stark divergiert, finde ich, dass dieser artikel dem sonst so guten niveau der prisma bei weitem nicht gerecht wird.

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