Zwischen Kosmos und Hollywood-Kitsch

Gespalten. Das ist das richtige Wort für «The Tree of Life», den neuen Film des amerikanischen Regisseurs Terrence Malick. Am Film-Festival von Cannes ausgebuht – und danach mit der goldenen Palme als bester Film ausgezeichnet. Aufgeteilt in zwei Teile, von denen einer einen Beweis für die Existenz Gottes im Urknall und der darauffolgenden Evolution von All, Erde und Mensch sucht, während der andere als Portrait des amerikanischen Kleinbürgertums dessen Suche nach Gott darstellt.

Gespalten bin auch ich, nach satten 138 Minuten Kino, während denen so wenig gesprochen wird wie seit Stanley Kubricks «2001: A Space Odyssey» nicht mehr. Ich weiss nicht, ob es mir gefällt – gefallen soll –, wie Malicks Geschichte frei hin und her springt zwischen drei verschiedenen Zeithorizonten. Da ist erstens das Jetzt, in dem Sean Penn als Jack O’Brien noch immer Antworten auf seine Fragen sucht, die sich ihm seit seiner Kindheit stellen. Warum sterben Kindern vor ihren Eltern? Warum lebt sein Vater überhaupt? Und was ist der Sinn hinter dem Ganzen? Jacks Kindheit im Texas der 50er-Jahre ist der grösste Teil des Films gewidmet. Er ist hin- und hergerissen zwischen der Unterdrückung und dem Realismus seines Vaters (Brad Pitt) und der fast schon in Naivität führenden Liebe seiner Mutter (Jessica Chastain). Und dann ist da noch die Vorzeit, wo die Welt noch kaum existiert und in der doch schon vorbestimmt scheint, dass Jack sie irgendwann beschreiten wird.

Alle drei Epochen erlauben es dem Regisseur, gewaltige Bilder auf die Leinwand zu bringen. Da sind Aufnahmen des Urknalls und der Rohfassung unseres Universums, das dann nach und nach von Amöben und schliesslich Dinosauriern bevölkert wird. Doch auch die texanische Vorstadtidylle und die moderne Grossstadt erlauben es Malick, die visuelle Aufnahmefähigkeit der Zuschauer an ihre Grenzen stossen zu lassen. Untermalt ist das alles von klassischer Musik, Klavier und lateinischen Gesängen. Wo Kubrick (fast) ohne Soundtrack auskam und seinen Helden Dr. David Bowman in Stille durch fremde Galaxien und Dimensionen fliegen liess, bringt es Malick nicht fertig, die Bilder für sich allein sprechen zu lassen. Mit der Zeit wird das ein bisschen zu viel – genauso wie die konstanten Gebete aus dem Off und die religiösen Anspielungen überhaupt.

Trotzdem ist «The Tree of Life» ein absolut empfehlenswerter Film, der uns in unserer eigenen Kleinlichkeit brüskiert, indem er ihr kosmische Vorgänge von unvorstellbarem Ausmass gegenüberstellt und uns so zu nichts weiterem als Marionetten in Gottes scheinbar endlosem Spiel verkommen lässt. Denn daran, dass es Gott wirklich gibt, zweifelt Malick niemals wirklich. “Dies alles kann kein Zufall sein”, scheint einem der Film entgegenzuschreien – was Skeptiker natürlich in keinem Masse überzeugen wird. So bleibt uns nichts anderes übrig, als zu hoffen – oder zu fürchten –, dass uns Gott doch irgendwann erhören und sich dazu herablassen wird, uns zu antworten – so wie er sich auch in der Geschichte Hiobs bequemte, an die man zu Beginn des Films mithilfe eines Zitats erinnert wird. Bis dahin sollte man den Film für das nehmen, was er ist – ein bildgewaltiger Epos, der jedoch vor dem altbekannten Hollywood-Kitsch vor allem zum Ende hin nicht gefeit ist.

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1 Comment

  • Marina

    Danke für die überaus wortgewandte Review. Ich wusste gar nicht, dass der Film in Cannes ausgebuht wurde. Ich wollte mir den Film aufgrund des sehr schönen Trailers und einer netten Filmkritik (http://www.youtube.com/watch?v=sMm0FOuRRA0) anschauen. Die Naturaufnahmen sind wirklich unglaublich schön mit der Handlung verwoben (im Trailer). Schade jedoch, dass die Amerikaner nie ohne Epos und dreifach unterstrichenen “Anspielungen” etwas zeigen bzw. (aus)sagen können. Ich bin jetzt auch ehrlich gesagt gespalten, ob ich mir den Film ansehen soll. Trotzdem danke für die tolle Bewertung des Films.

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