Mobilität hat ihren Preis – Ein Kommentar zu den Ideen über ein neues GA

Dass das blaue, kreditkartengrosse Wunder, welches sich sicherlich auch im Portemonnaie des einen oder der anderen Studierenden finden lässt und freie Fahrt mit dem öffentlichen Verkehr in der Schweiz garantiert, teuerer werden soll, ist nichts Neues. Die Rede ist vom Generalabonnement der SBB. Seit Jahren beschweren sich die Bundesbahnen darüber, dass die Einkünfte bei Weitem nicht mehr kostendeckend und entsprechende Anpassungen notwendig seien.

In den letzten Jahren liess sich eine einfache, aber wohl effektive Strategie erkennen. Der Preis wird kontinuierlich um einige Prozentpunkte erhöht, die Leistung bleibt gleich. Wie die NZZ am Sonntag berichtet, zeichnet sich nun ein Gesinnungswandel bei den Anbietern ab. Weg vom einheitlichen Produkt, hin zu einer – mehr oder weniger – personalisierten Variante.

Konkret sieht der Vorschlag so aus, dass es zwei verschiedene GAs geben soll. Eines für den Regionalverkehr mit einer beschränkten Anzahl Fernverkehrsverbindungen und eines, das vom Leistungsumfang her der heutigen Version entspricht. Während ersteres denselben Preis haben soll wie heute (für Erwachsene in der 2. Klasse CHF 3‘300.–), soll die zweite Ausgabe deutlich teuerer werden, wobei ein Preis noch nicht feststeht. Unschwer zu erkennen: Zugfahren soll teuerer werden.

Was sicherlich unpopulär ist, scheint mir aber durchaus ein gerechtfertigtes Anliegen. GA-Besitzer reisen heute so viel, dass sie der Kilometer noch gut 10 Rappen kostet. Ein Einzelbillett von Zürich nach Bern verursacht dahingegen in etwa das 3.5-Fache an Kilometerkosten, die Reise im Kleinwagen für dieselbe Strecke das 4-Fache*. Solange der Kunde also eine zweifellos gute öV-Infrastruktur erhalten oder sogar ausgebaut sehen will, muss er wohl oder übel einen Preisanstieg in Kauf nehmen.

Eine solche Anpassung sollte aber nicht so hoch ausfallen, dass Zugfahren gänzlich unattraktiv wird. Während mich der Gedanke eines «Regional-GAs» mit vereinzelten Fernverkehrsreisen noch zu überzeugen vermag, hapert es bei der preislichen Dimension. Einmal angenommen, die Definition von regional würde sich auf das heutige Gebiet des Ostwind Tarifverbunds erstrecken, wäre die freie Fahrt auf noch gut 2‘700 Streckenkilometer möglich. Das GA deckt heute ungefähr 23‘500 Kilometer ab. Eine Leistungseinbusse in der unbeschränkten Benutzung von satten 88.5 Prozent, während der Preis genau gleich bleiben soll! Da kann man sich ja nur noch fragen, auf welchem Preisniveau ein «GA plus» zu stehen käme.

Meiner Meinung nach, sollten die Mehrkosten von denen getragen werden, die diese auch verursachen. Der durchschnittliche Kilometerpreis von 10 Rappen kommt nun aber gerade durch die häufigen Langstreckenreisen zustande. In diesem Sinne müsste wohl konsequenterweise die Hauptlast auf die Besitzer des «GA plus» überwälzt werden. Eine Preiserhöhung bei diesem Abo über den Faktor 1.7 dürfte aber kaum möglich sein, weil ansonsten das Einzelbillett mit Halbtax wieder günstiger würde. Die Folge ist ganz einfach abzusehen. Die Kosten werden wie so häufig den Falschen aufgebürdet – jenen, die lediglich den Regionalverkehr benutzen und gar nichts zum übermässigen Kostendruck beitragen.

Es stellt sich also die Frage nach einer «besseren» Lösung. Eine solche sähe ich beispielsweise in der komplett nutzungsabhängigen Rechnungsstellung wie sie die Städte London und Paris bereits kennen. Man checkt mit einer Chipkarte am Abfahrtsbahnhof ein und bei der Ankunft wieder aus. Somit könnte auch die längst überfällige Differenzierung bei der Leistung erreicht werden. Wo der Passagier mit dem Zug schneller als mit dem Auto ist, wo er in einem modernen und komfortablen Wagon reist, wo er innerhalb der Rushhour fährt, soll er einen höheren Preis bezahlen als wenn er weniger attraktive Angebote wahrnimmt.

Über kurz oder lang werden wir wohl bei der letzten Variante ankommen, selbst wenn diese infrastrukturmässig enorme Investitionen erfordert. Die Vorteile in Bezug auf Fairness bei der Abrechnung und Abschöpfungsmöglichkeiten für den öffentlichen Verkehr lassen kaum einen anderen Schluss zu. Bis eine solche Lösung aber aktuell wird, dürften noch einmal einige Jahre ins Land ziehen. Für die Varianten «Regional-GA» und «GA plus» wird ein Einführungszeitpunkt zwischen 2016 und 2017 ins Auge gefasst. Einige Zeit noch werden wir uns also mit jährlichen Preissteigerungen nach dem bekannten Schema abfinden müssen…

* gemäss TCS Kilometerkosten-Berechnung 2011 für einen Neuwagen zu CHF 22‘000.– bei 30‘000 zurückgelegten Kilometer pro Jahr

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2 Comments

  • Ruben

    interessante Gedanken! Eine Frage: Warum wurde die Rolle des Staates in der Mitfinanzierung der Infrastruktur und somit als Mittragender der Kosten ignoriert?

    • Roman Schister

      Roman Schister

      Der Artikel behandelt v. a. neue Vorschläge zur Preisgestaltung beim GA. Insofern ist es richtig, dass der Staat nicht im Fokus stand und vielleicht sogar vernachlässigt wurde.

      Ich denke aber, dass es gerade Aufgabe des Staates ist, das angesprochene Preisniveau für öV-Reisen unter 50% des Niveaus für Reisen mit dem Auto zu halten. Ansonsten verliert Zugfahren schnell an Attraktivität (sofern der Staat den öV überhaupt fördern will).

      Dabei entstehen selbstverständlich Fragen nach der Finanzierung. Wie viele Steuergelder dürfen für den öV verwendet werden? Darf zwischen Strasse und Schiene umverteilt werden? Was sollen Private zahlen? Das Diskussionsfeld zu diesem Thema ist sehr weit und wurde deshalb auch nicht genauer behandelt.

      Eine Kernmeinung von mir persönlich kann ich aber liefern. Der Staat muss Träger des öV bleiben und dementsprechend die Infrastruktur mitfinanzieren. Zug- und Busfahren ist ein «service public» und – bei aller Liebe zum Liberalismus – Privatisierungen wie in Grossbritannien sind meiner Meinung nach nur schwer mit einem guten öV vereinbar.

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