Sicilia, vale la pena

Tagesschau am Abend des 10. Juli, einem Sonntag. Der Sprecher näselt: „Der Ätna, der aktivste Vulkan Europas, wird seinem Ruf zurzeit mehr als gerecht. Wegen eines Ausbruches musste der Flughafen Catania am gestrigen Samstagabend gesperrt werden. Zahlreiche Flüge fielen aus.“ Ich befürchte schon, dass unsere Ferien ins Wasser fallen, bevor sie überhaupt begonnen haben. Doch am darauffolgenden Montag hat sich der Ätna wieder beruhigt, und die Reise nach Sizilien verläuft planmässig.

Nach der Ankunft beziehen wir unser wunderbares Quartier in den Hängen unterhalb des Ätnas, mitten in den Weinreben und mit Blick auf das Meer und das italienische Festland. Unsere Unterkunft, ein Agriturismo, bietet eine breite Palette an selbstgemachten Produkten, von Honig und Konfitüre über Oliven- und Tomatenpasten bis hin zu Wein und Champagner. Zudem herrscht anstelle des regen Treibens in vielen Touristenorten hier eine persönliche und ruhige Atmosphäre, die nach der Prüfungsphase ideal ist, um auszuspannen und die Seele baumeln zu lassen. Allerdings ist man hier auch etwas ab vom Schuss, und daher kommt man kaum um einen Mietwagen herum.

Gesagt, getan. Unseren Mietwagen übernehmen wir in Messina, ganz im Nordosten der Insel. Der Typ von der Autovermietung führt uns zu unserem Mobil, welches er nicht auf einem Parkplatz, sondern mitten auf einer vielbefahrenen Kreuzung in einem absoluten Halteverbot abgestellt hat. Wir beeilen uns daher, einzusteigen und Platz zu machen. Das Fahren auf Sizilien allgemein und in den Städten im Besonderen ist einigermassen gewöhnungsbedürftig. Jeder freie Quadratmeter wird umgehend von Autos, Rollern und Motorrädern in Beschlag genommen. Zudem scheinen die sonst so entspannten Italiener im Strassenverkehr sämtliche Ruhe abzulegen, es zählt vielmehr jede Sekunde. Wer zögert, verliert. Nach einer gewissen Eingewöhnungsphase jedoch weiss man, worauf man achten muss:

  1. Niemals zögern, sondern im Zweifel energisch in die Lücke brausen
  2. Bei Unklarheiten hupen
  3. Verkehrsregeln (ausgezogene Linien, Überholverbote, …) sind keineswegs verbindlich, sondern als gutgemeinte Richtwerte zu interpretieren

Nun sind wir also mobil und erkunden fleissig Ziele in unserer Umgebung. Da sich der Ätna zu Beginn unserer Ferien wieder ruhig und friedlich zeigt, machen wir einen Ausflug zur Talstation der Seilbahn, welche zum Gipfel führt. Dort, auf 2000 Meter über Meer, bläst ein angenehmes Lüftchen. Wir bestaunen einen mittlerweile inaktiven Krater und die wunderbare Aussicht auf die schwarzen Hügel und das darauf wachsende Grün, was einen schönen Kontrast ergibt. Danach machen wir in einem kleinen Dörfchen eine Mittagsrast, wo wohl noch kein Fremder vor uns gewesen ist – jedenfalls vermitteln uns die Blicke der Einwohner dieses Gefühl.

In den nächsten Tagen folgen ein paar weitere Ausflüge, insbesondere ans Meer und in ein hübsches, aber leider von Touristen völlig überlaufenes Küstenstädtchen. Ich schwitze Blut, bis wir die engen, steilen und vielbefahrenen Gässchen endlich hinter uns gelassen und schliesslich – ganz oben, schon ausgangs der Stadt in einem kleinen Dörfchen – einen Parkplatz gefunden haben. Die Aussicht von dort oben jedoch ist phantastisch und entschädigt für alle Strapazen.

In der darauffolgenden Nacht träume ich einen wilden Seemannstraum. Ich kämpfe auf meinem Dreimaster gegen gemeine Piraten, fechte mit meinem Degen blutige Kämpfe aus und höre dicht neben mir die Schiffskanonen donnern. Schliesslich löse ich mich aus dem Kampfgeschehen, und wache auf. Ich schaue mich im dunkeln Zimmer um und sehe an der Decke den langsam rotierenden Ventilator. Doch das Donnern der Schiffskanonen verstummt nicht. Mehrmals ertönen gewaltige Explosionen. Ich stehe auf und gehe nach draussen in die Morgendämmerung, wo ich über dem Ätna dunkle Rauchschwaden sehe. Die Ruhe war also von kurzer Dauer. Ich betrachte das eindrückliche Naturschauspiel und hoffe, dass sich der Ätna bis zu unserem Rückflug noch genügend austobt, damit er dann – wenigstens für einen Tag – etwas Ruhe gibt.

______________________________________________

MEHR DAZU


Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*

*

*