Eine Reise in ein Frauenhirn

Als Einstieg eine fünfseitige Erklärung, wie das perfekte Blasen funktioniert; wir sind uns das gewöhnt. Nach Charlotte Roches erstem Roman kann sie uns mit herzlich wenig noch wirklich schocken. Weder mit der Analfixiertheit ihrer Hauptperson, noch mit ausführlichen Beschreibungen eines Puffbesuchs. So eklig wie in ihrem Erstling „Feuchtgebiete“ wird es in “Schossgebete” nicht. Es wird keine Kotze getrunken, keine Avocadokerne eingeführt, keine gebrauchten Tampons irgendwohin geschmiert.

Die Protagonistin, Elizabeth Kiehl, lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter zusammen. Sie sind eine Patchworkfamilie, ihr Kind gehört zu einem anderen Mann. Zu dem, den sie eigentlich heiraten wollte, bis dieser Unfall geschah. Charlotte Roche verarbeitet dieses Mal nicht ihr Sex-, sondern ihr Privatleben. Das wichtigste autobiografische Element und der zentrale Punkt des Romans  ist ein Unfall, der sowohl das Leben Roches, wie auch das ihrer Hauptfigur radikal verändert hat. Und wie schon in “Feuchtgebiete” will man gar nicht weiter wissen, was vielleicht sonst noch von Roche selber stammt. Denn, um es mal nett auszudrücken, Elizabeth ist gestört. Immer eine Todessehnsucht in sich, ein panischer Kontrollfreak, der nur im Sexuellen Erlösung und Entspannung findet. Schuld sind viele, ihre Mutter, ihr Vater, die Druck-Zeitung und irgendwie auch sie selbst. Und trotz oder gerade wegen dem Wahnsinn will sie eine fürsorgliche Mutter sein, eine tolle Ehefrau, eine gute Umweltschützerin, dass sie Vegetarierin ist, versteht sich von alleine.

In endlosen Sitzungen mit Frau Drescher, ihrer Therapeutin, versucht sie nun schon seit acht Jahren ihren Wahnsinn und die psychischen Folgen des Unfalls zu verarbeiten. Man dreht sich als Leser mit ihr in ihrem Kopf im Kreis und irgendwann ist man genervt. Sie beginnt einen anzuöden, mit ihren Problemen, ihrer Gespaltenheit zwischen „Ich will eine gute Mutter sein“ und „Ich will einfach nur meine Ruhe“. Ihr ewiges Hinterfragen und Analysieren schlägt einem auf den Magen. Wie schon in „Feuchtgebiete“ wird einem schlecht – aber auf einer ganz anderen Ebene.

Und trotz allem kann man das Buch nicht als Schund abtun. Das geht dann doch nicht. Zwischen den Zeilen stellt sie nämlich Fragen, die man hoffentlich selber nie beantworten muss, die aber eine Überlegung durchaus wert sind. Darf man als Mutter sein Kind auch mal hassen? Darf man beten, dass die eigene Mutter überlebt, auch wenn die Brüder sterben? Wer „Feuchtgebiete“ erwartet hat, wird enttäuscht sein. Wer einen Sumpf sucht, ist gut bedient.

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