Diskussion im familiären Umfeld

Gastbeitrag von: Samuel Wurster

Dienstag Abend 18.15 Uhr, ein kleiner Raum im Hauptgebäude der Uni. Die Studentenschaft der Universität St. Gallen lädt zur Podiumsdiskussion zwischen dem neu gewählten Präsidenten der Studentenschaft, Philip Wellstein, und unserem Rektor, Prof. Dr. Thomas Bieger. Meine Erwartung, einer anonymisierten Grossveranstaltung mit einstudierten Dialogen beizuwohnen, wird überaschenderweise nicht erfüllt, wohnt doch nur eine überschaubare Runde von fünfzehn bis zwanzig Studierenden der Diskussion bei.

Das Ziel sei nicht, möglichst grosse Massen zu erreichen, sondern vor allem für interessierte Studierende in kleinerem Rahmen Berührungspunkte zischen der Uni und der Administration zu schaffen, erläuterte Philip Wellstein gleich  zu Beginn, um den familiären Rahmen zu erklären. Zum Einstieg erläutert Rektor Bieger kurz seinen Werdegang, sein Studium und wie er überhaupt an die HSG gekommen ist. Viel weniger stressig sei es damals gewesen, meint er gleich zu Beginn. Keine Handys, keine ständige Erreichbarkeit. Er habe viel gemacht, neben dem Studium noch gearbeitet, seine Militärkarriere ausgebaut, während des Studiums mehrere zusätzliche Veranstaltungen vor allem in Geschichte und Jus besucht und doch immer noch mehr als genug Zeit gehabt. Dies sei auch eine der grossen Herausforderungen für heutige Studierende: alle Aktivitäten, den Mehraufwand fürs Studium und das Privatleben ständig neu zu koordinieren, zu planen, ständig erreichbar zu sein.

Ob er heutzutage den Studierenden auch noch ein so aktives extrakurrikuläres Programm empfehlen würde, ob denn das nicht den Studienerfolg an der HSG gefährde?, wird er gefragt. Es gebe grundsätzlich zwei verschieden Wege an sein Studium und auch an den eigenen Lebensplan heranzugehen meinte er auch gleich. Einerseits den fokusierten Weg, will heissen Bachelor, gleich im Anschluss einen Master und dann eine Anstellung bei einer grossen Firma mit klarer Karriereperspektive und dies alles ohne viel Zeitverlust. Auf der anderen Seite sieht  er aber auch immer wieder CV’s von Studierenden, die einen etwas anderen Weg gewählt haben. Praktikas bei Hilfsorganisationen,  Anstellungen bei NGO’s, Arbeit für den Staat aber auch für grosse, internationale Firmen zeichnen diesen zweiten, zeitintensiveren, zum Teil auch schwierigeren, dafür jedoch mehrgleisigen Weg aus. Der Vorteil dieses zweiten Weges, so betont Bieger,  werde erst im späteren Leben sichtbar. Man müsse für unsere Generation mit einer durchschnittlichen Arbeitsdauer eines Akademikers von 45 Jahren rechnen. Der erste Weg funktioniere sehr gut für den ersten Teil der Erwerbstätigkeit, aber er könne sich sehr gut vorstellen, dass man die letzten 20 Jahre noch etwas anderes machen wolle oder müsse. Es sei tendenziell  schwieriger, sich später noch zusätzliche Kompetenzen anzueignen, darum habe der zweite Weg den Vorteil, dass man später einmal auf schon existierende breite Kompetenzen zurückgreifen könne. Für ihn persönlich habe sich das ausgezahlt. Er habe immer an verschiedenen Fronten gearbeitet, sei es für den Verkehrsverein Basel, als Segellehrer, beim Aufbau einer Tourismusfachschule, im Militär, als Dozent und natürlich in der Forschung. Er habe zwar nach dem Studium zwei gute Offerten von Grossbanken gehabt, sei aber jetzt froh, auf ein breites Erfahrungsfeld in verschiedenen Welten zurückgreifen zu können.

Was die Studentenschaft ebenfalls brennend interessiert und heute aktueller denn je ist, sind die Platzverhältnisse an der Uni. Klar, Provisorien wurden geschaffen, Übertragungsräume eingerichtet. Für eine mittel- bis langfristige Lösung reicht dies jedoch nicht. Den Ausbauarbeiten, welche erst gerade abgeschlossen wurden, folge gemäss Bieger jedoch schon die nächste Planungsphase. Man wolle die Infrastrukturkapazitäten von heute ca. 5500 bis 2020 auf  8000 bis 9000 Studienplätze ausbauen. Auf die Frage, ob durch die hohen Studienrendenzahlen nicht die Exklusivität eines Studiums an der HSG verlorengehe, weist Bieger auf die in den letzten Jahrzenten aufgekommene Wissensgesellschaft hin. Für viele Funktionen braucht es heute eine höhere Ausbildung. Entsprechend steigt der Bedarf an Absolventinnen und Absolventen sowie an Studienplätzen.  Gleichzeitig differenzieren sich Wissensgebiete immer mehr aus, es gibt immer neue Subdisziplinen. Habe es vor 30 Jahren noch einen Marketingprofessor an der HSG gegeben, welcher das ganze Fachgebiet abdecken konnte, so brauche es heute für diverse Teilbereiche spezialisierte Professoren. Darum sei ein Wachstum auch notwendig und von Wirtschaft und Gesellschaft erwünscht. Andererseits sei das Wachstum der HSG, wie auch anderer Schweizer Universitäten, in den letzten fünf Jahre zu schnell und nicht nachhaltig gewesen.

Ein weiteres Problem, welches vor allem der neuen Generation der Assessment- und Bachelorstudierenden unter den Nägeln brennt, sind die neu eingerichteten Masterzulassungen, welche für einige Masterstudiengänge gelten. Auch hier vermag Rektor Bieger zu relativieren. Es stimme, dass für einige Spezialmaster wie zum Beispiel den SIM oder den volkswirtschaftlichen Master Beschränkungen eingeführt wurden. Diese seien vor allem auf die spezielle Natur der Master angepasst. Die Zulassung füge sich unter anderem aus einem Englischtest, dem Notenschnitt sowie dem GMAT zusammen. Die Angst, Quereinsteiger anderer Universitäten aus der Schweiz hätten unfairerweise einen Vorteil, beispielsweise beim Notenschnitt, vermag Bieger ebenfalls  zu beschwichtigen. So müssen Quereinsteiger meist innerhalb eines Jahres diverse Ergänzungsleistungen absolvieren und bestehen. Generell sei es aber sein persönliches Ziel und auch dasjenige der Uni, dass jeder Student mit einem Bachelor HSG, welcher einen Master machen will, auch einen Platz bekommt. Ob es der Gewünschte ist, könne er schlussendlich jedoch nicht garantieren.

Nach einer angeregten Fragerunde erklärt Philip Wellstein schliesslich gegen halb acht die Diskussion für beendet und bedankt sich mit der Übergabe eines diesjährigen Startwochenpakets bei Rektor Bieger. Dieser macht auch gleich den Vorschlag, er habe sowieso noch bis viertel nach acht Zeit, man könne ja noch zusammen ein Bier im AdHoc trinken gehen – Ein Vorschlag, der regen Zuspruch fand. So endete eine überraschend familiäre Veranstaltung in kleinem Rahmen beim gemütlichen Bier, wo ein äusserst offener Rektor es sich nicht nehmen liess, mit jedem Studenten noch persönlich zu sprechen und anzustossen.

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