Kamakura

Am 23.11.2011 war wiedermal ein Feiertag (Tag der Arbeit), und da dieser sich mit schönstem Wetter präsentierte, wurden nicht nur die Flaggen gehisst, sondern auch eifrig die Schuhe geschnürt.

Denn als Jessica und ich frühmorgens nach einer umständlichen Zugfahrt (viermal Umsteigen) in Kita(Nord-)Kamakura ankamen, durften wir uns bereits das erste mal in eine Warteschlange stellen – um den Bahnhof zu verlassen. Immerhin wurden auf diese Weise unsere letzten Zweifel ob die Sehenswürdigkeiten denn an einem Feiertag geöffnet sein würden, beiseite gewischt. Nachdem wir diesen Tagesausflug schon zweimal verschieben mussten, konnten wir es kaum erwarten, endlich mal aus Tokyo rauszukommen und die für ihre Dichte an Tempeln bekannte Küstenstadt zu besuchen.

Nach nur hundert Metern ging es bereits links eine steile Treppe zum ersten Tempel, dem Engakuji, hinauf. Die Leute standen Schlange an der Eintrittskasse. Jessica, die bereits viermal in Kamakura war (es ist dies auch ihr vierter Japan-Aufenthalt), meinte das hätte sie noch nie erlebt. Trotz der Menschenmassen war die Tempel-Besichtigung aber einmalig schön. Ich könnte mich jetzt in detaillierten Ausführungen darüber verlieren, aber das tue ich euch nicht an.

Der Engakuji ist eine ziemlich grosse Tempelanlage mit mehreren Holzbauten, allesamt im alt-japanischen Stil mit den schönen geschwungenen Dächern. Es gibt auch Gärten, und in diesen finden sich oft Buddha- oder andere Götterstatuen, die oft mit 1-Yen Geldstücken bedeckt sind. Die Japaner erhoffen sich davon Glück und dass ihre Gebete erhört werden – ganz nebenbei ist es aber auch eine hübsche Gelegenheit, absolut nutzloses Kleinstgeld loszuwerden.

Im eigentlichen Tempel befindet sich eine Buddha-Statue, und diese sitzt auf einer Reliquie, in der angeblich ein Zahn Buddhas aufgehoben sein soll. Man könnte stundenlang in dieser prachtvollen Anlage verweilen, Jessica und ich hatten vor allem Freude am prachtvollen Grün das uns umgab (und das in der Hauptstadt so selten ist). Ich fotografierte daher oft scheinbar ‘daneben’, weil ich nicht nur die Sehenswürdigkeit, sondern auch die sie umgebenden Bäume festhalten wollte. Die Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach brachen, schufen eine wahrhaft magische Atmosphäre.

Nach diesem beeindruckenden Start ging es gleich weiter über die Bahngeleise zum nächsten Tempel, den wir aber aus Zeitgründen ausliessen und stattdessen den ‘Wanderweg’ in Angriff nahmen. Dieser führte über Stock und Stein in einem schweisstreibenden Auf und Ab zu weiteren Tempelanlagen. Ich genoss die kleine Wanderung, weil man völlig in die Natur eintauchte, und auch erste Spuren des kommenden Herbstes erkennen konnte. Die meisten Japaner gingen es auch entspannt an, manche trugen zwar Wanderschuhe, und man hörte andauernd „Abunai!“ („Gefährlich!“) und („Ki o tsukete“) („Achtung, pass auf“).

Da man unmöglich alle Tempel an einem Tag besuchen kann, hatten wir uns vorher für ein paar wenige entschieden, damit wir diese in Ruhe anschauen konnten. Der nächste hiess Zeniarai-Benzaiten Schrein. Er liegt an einem Berghang und man betritt ihn durch einen kleinen Tunnel.

Im Innern befinden sich nebst dem eigentlichen Schrein – auch Souvenir- und Glücksbringer- (omamori) Verkaufsstände, und die Hauptattraktion, eine Grotte, in der man sein Geld waschen kann. Der Zeniarai-Benzaiten ist nämlich ein ‘Geld-Schrein’, hier dreht sich alles um Reichtum. Und natürlich wuschen auch wir unsere Münzen, damit sie sich im Laufe des Lebens vermehren. Zuerst wurden sie allerdings weniger, denn fürs waschen wurden uns 100 Yen abgeknöpft. Die Investitionen, die man mit den gewaschenen Münzen (einige Japaner haben tatsächlich auch ihr Notengeld gewaschen!) tätigt, sollen Erfolg versprechen.

Und um uns den Reichtum definitiv zu sichern, kauften wir noch je ein Geld-omamori, das man nach dem Kauf gleich ins Portemonnaie stecken muss, damit es seine Wirkung entfaltet. Ihr denkt jetzt vielleicht „alles Humbug und Aberglaube“, aber Jessica und ich verliessen den Schrein mit einem überlegenen Grinsen im Gesicht, fest davon überzeugt, bald Okane-mochi (wörtlich: Geld-Halter, so bezeichnet man reiche Leute) zu werden.

Der Daibutsu

Der nächste Programmpunkt befand sich einen weiteren kleinen Fussmarsch entfernt in Kamakura: der Daibatsu, eine riesige Buddha-Statue mitten in einer Tempelanlage. Auf dem Weg dahin genossen wir die ländliche Architektur, die so viel schmucker und weniger kompakt daherkommt als in der klaustrophobischen Hauptstadt. Es war bereits nach Mittag, als wir den Tempel betraten und den Daibatsu erblickten. Diese 13 Meter hohe Statue hat wirklich etwas sehr eindrückliches, wie sie so völlig entspannt hoch über einem aufragt, im Freien, vor der Berg- und Waldkulisse Kamakuras.

Auf dem Weg durch die sonnendurchfluteten Strassen Kamakuras zum nächsten Tempel hielten wir Ausschau nach etwas Essbarem, und erlagen schliesslich dem Duft von frittierten Süsskartoffeln. Diese sind in Japan ein äusserst beliebtes Herbst-Nahrungsmittel, und die lila Sorte schmeckt besonders gut und süss. Gestärkt betraten wir alsdann den Hasedera Tempel, in dem sich eine ebenfalls riesige Kannon-Statue befindet. Diese Buddha-Göttin hat einen grossen und zehn kleine Köpfe. Dieser hübsche Tempel hat allerdings einen sehr traurigen Hintergrund. An einer Felswand aufgereiht stehen unzählige kleine Stein-Statuen. Diese stehen für ungeborene Kinder, Tot-Geburten oder auch Abtreibungen (welche in Japan leider bedrückend oft durchgeführt werden). Wenn man sein ungeborenes Kind verliert, kann man in diesem Schrein für eine Statue ‘sorgen’, sie besuchen und mit Blumen schmücken. Viele legen auch Spielzeug nieder. Es überkommt einen schon etwas Schwermut, wenn man dieses Mahnmal betrachtet.

Gedenkstatuen für ungeborene Kinder

Nun schritt der Nachmittag bereits fort, und wir machten uns auf den Weg durch Kamakura zum letzten Tempel auf unserer Liste. Zuerst mussten wir uns aber durch eine bekannte Ladenstrasse schieben, in deren kleinen Geschäften es bestimmt Interessantes zu sehen und kaufen gegeben hätte, wenn sie nicht zum Bersten voll mit Menschen gewesen wären. Wir waren zugegebenermassen etwas überfordert mit der erdrückenden Menge, und müde wie wir waren, stand uns der Sinn nicht nach Souvenirshopping. Deshalb brachten wir das Gedränge schnellstmöglich hinter uns und standen schliesslich vor dem grossen roten Torii, der den Eingang des Tsurugaoka Hachiman-gû, des Wahrzeichens von Kamakura markiert.

Torii

Damit erreichte unser Tag einen krönenden Abschluss, und wir machten uns auf den Weg zum Bahnhof, um den 2-stündigen Rückweg anzutreten. In Kasai angekommen, entgingen wir gerade noch knapp dem prognostizierten Regen. Von Anfang bis Ende ein absolut gelungener Tag!

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