Darf’s noch ein bisschen mehr sein?

Am Montag vor einer Woche präsentierte die Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell (IHK) einen neuen Vorschlag zur Studienfinanzierung. Unter dem Titel „Erst studieren, dann zahlen“ wurden aktuelle Probleme der Hochschulfinanzierung und Lösungsvorschläge präsentiert. Das Modell sähe eine saftige Erhöhung der Studiengebühren vor, die dann von den Studierenden während der Erwerbstätigkeit wieder zurückbezahlt werden müssten. Im Angesicht der ohnehin anstehenden Semestergebührenerhöhungen an der HSG kann man den Vorschlag also getrost unter das Motto „Darf’s noch ein bisschen mehr sein?“ setzen.

Folgt man dem Bericht, haben sich die Studierendenzahlen an schweizerischen Hochschulen in den vergangenen zehn Jahren beinahe verdoppelt. Gleichzeitig blieben die Ausgaben der öffentlichen Hand auf konstantem Niveau oder änderten nur leicht. Gerade im Zuge der erforderlichen Angebotsausdehnung, entstehen aber insbesondere bei den Trägerkantonen gewaltige Finanzierungsprobleme. Diese Lücken müssen auf die eine oder andere Art wieder geschlossen werden.

Die IHK schlägt deshalb eine alternative Studienfinanzierung mit dem klingenden Namen „Hochschulabgabe“ als nachlaufende Studiengebühr vor. Das System funktioniert denkbar einfach: Die Hochschulbildung verkommt zu einem durch den Staat angebotenen Produkt, das der zu bezahlen hat, der es konsumieren will. Kurzum, die Haushalte sollen entlastet, Studierende belastet werden. Die Rede ist von jährlichen Kosten in der Höhe von etwa 23’000 Franken. Diese wären unabhängig vom Studienerfolg zu bezahlen, also namentlich auch bei einem Abbruch oder Rauswurf. Einholen würde der Staat die Gebühr mittels der Rechnung für die direkte Bundessteuer. Ausgehend von letzterer soll derselbe Betrag für die Abgeltung der Hochschulbildung nochmals fakturiert werden. Besserverdienende haben ihre Schulden so schneller bezahlt, Schlechterverdienende erhalten kleinere Rechnungen über einen längeren Zeitraum. Ausländerinnen und Ausländer hätten die Gebühr sofort zu berappen – bei ihnen wird kein Aufschub gewährt, Stipendien bleiben aber vorbehalten.

Ins Feld geführt wird – neben anderen Gründen – insbesondere die verhältnismässig hohe Anzahl an Studienabbrechern, die dem Staat, gemäss Studie, besonders auf der Tasche liegen. Gut 30 Prozent der Studierenden beenden ihr Studium frühzeitig, ohne einen entsprechenden Abschluss zu machen; knapp die Hälfte wird mit 30 Jahren nicht ausbildungsadäquat beschäftigt sein. Ursache dessen soll vor allem die mangelnde Vorselektion durch die gymnasiale Matura sein. Durch das Fehlen eines Zulassungstests, erfolgt eine entsprechende Auswahl während der Semester an einer Hochschule. Ein Geschäft, das sich für die Universitäten durchaus lohnt, bekommen sie doch pro Kopf – unabhängig vom Studienerfolg – Beiträge von Bund und Herkunftskanton. Fehler werden jedoch auch auf individueller Ebene gesehen. Deshalb soll die hohe Anzahl an Abbrechern durch die höheren Gebühren eingedämmt werden. Jeder soll sich zuerst überlegen, ob er überhaupt an einer Tertiärausbildung interessiert ist und nur dann bereit sein, die entsprechenden Kosten zu tragen.

Während die Studie sicherlich den Finger auf einen wunden Punkt legt und ohne Zweifel Handlungsbedarf bei der Hochschulfinanzierung besteht, scheinen die vorgeschlagenen Methoden dennoch zumindest fraglich.

Zugegebenermassen, es ist schon bedenklich, dass gut die Hälfte aller Studienanfänger letzten Endes nicht dort landet, wo sie eigentlich hin wollte. Ob die Erhöhung und Neuverteilung der Studiengebühren allerdings das richtige Mittel zur Bekämpfung dieses Problems ist, darf doch stark bezweifelt werden. Dies macht eher den Anschein von „Pflästerli-Politik“ anstatt ordentlicher Ursachenbekämpfung. So dürfte wohl eine Vorselektion das verhältnismässigere Mittel zur Reduktion dieser Kennzahl sein als eine Gebührenüberwälzung. Vorstellbar wäre zum Beispiel ein obligatorischer Zulassungstest für alle – auch Schweizer Maturandinnen und Maturanden. Das wiederum dürfte an der Bundesprämie an die Universitäten scheitern, die pro Kopf ausgeschüttet wird. Für die Bildungsstätten zeichnet sich hier ein Interessenskonflikt zwischen Qualität und Unterstützungsbeiträgen sondergleichen ab …

Sieht man mal davon ab, darf man doch durchaus skeptisch sein, ob das Studium dannzumal nicht als „Sache der Reichen“ wahrgenommen würde. Logisch, bezahlt jeder im Endeffekt seinen Anteil am Kuchen selbst, in den Hinterköpfen angehender Studierender wird aber trotzdem die ominöse Zahl von gut und gern 115’000 Franken Schulden am Ende des Studiums herumgeistern. Gut möglich, dass Personen aus weniger gut betuchtem Hause dies als derart abschreckend empfinden, dass sie gleich zu Beginn auf ihre Hochschulbildung verzichten.

Man muss sich auch wundern, ob Studiengänge, die später ein niedrigeres Einkommensniveau versprechen, nicht plötzlich weniger attraktiv wären. Natürlich wäre durch die Koppelung an die direkte Bundessteuer der zu entrichtende Betrag proportional niedriger, die Rückzahldauer dafür umso länger. Anhand eines Zahlenbeispiels sieht man dies relativ gut. Eine Studienabgängerin mit einem steuerbaren Jahreseinkommen von 90’000 Franken müsste mit einem jährlichen Beitrag von gut 2’250 Franken rechnen. Das heisst, sie wäre nach etwas mehr als 51 Jahren mit Abzahlen fertig. Würde sie 200’000 Franken verdienen, wäre sie nach knapp neun Jahren schuldenfrei. Selbstverständlich sind hier Karrieresprünge und weitere Änderungen nicht berücksichtigt, alleine aber die Vorstellung, ein halbes Leben lang Schulden abzustottern, muss aber schon abstossend genug sein.

Zu guter Letzt stellt sich die elementare Frage, warum eigentlich die Hochschulausbildung überhaupt selbst zu berappen sein soll. Ist es nicht auch zu einem Teil Aufgabe der Gesellschaft, Bildungsstätten mitzutragen, solange sie auf gut ausgebildete Mediziner, Ingenieure, Juristen – und vielleicht auch Banker – vertrauen will. Man könnte doch davon ausgehen, dass in einem dualen Bildungssystem der schulische und der berufliche Weg gleichgestellt sein sollten. Warum also soll jemand, nur weil er seine Ausbildung über eine Hochschule macht, für alles selbst aufkommen müssen, während sich die Kosten in der beruflichen Ausbildung auf minimalstem Niveau halten? Selbstverständlich wird letztere durch die Betriebe mitfinanziert, aber seien wir mal ehrlich: Nur schlecht sind die Lehrlinge für Unternehmen auch nicht …

Kein Zweifel, in der Finanzierung der Universitäten besteht Handlungsbedarf. Fraglich ist nur, ob das Selbstbezahlen der Ausbildung der richtige Ausweg ist. Zumindest darf in einigen Punkten an der Effektivität des Vorschlags der IHK gezweifelt werden. Andererseits ist auch klar, dass wohl nie jemand eine Lösung vorlegen wird, die allen passt. Unter diesem Licht, sind der Studie allemal auch positive und kritische Punkte zu entnehmen, die auf jeden Fall weiter verfolgt werden müssen.

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