Die «Frontschweine» im Studierendensekretariat

Die prisma-Umfrage quantifizierte nicht nur den Style und das Liebesleben an der HSG, mit konstruktiven Absichten konnte zudem die Servicequalität der Uni bewertet werden. Warum das Studierendensekretariat die mit Abstand negativste Bewertung bekam, versuchte prisma herauszufinden.

Dass keine der Servicegremien der HSG mit einer durchschnittlich guten oder gar sehr guten Note bewertet wurde, ist nicht verwunderlich. Nicht, weil es Grund gibt, unzufrieden mit Mensa, Austauschdienst und Co. zu sein. Sondern einfach weil der Studierende an sich – der HSGler insbesondere – sehr hohe Ansprüche hat, nachtragend und schwer zufrieden zu stellen ist. Einmal ein zähes Steak in der Mensa gegessen, und schon ist in der Bewertung maximal eine Vier drin. Die von den rund 1’000 Umfrage-Teilnehmern abgegebenen Noten müssen also entsprechend relativiert werden. Dennoch ist es eklatant, wie viele ungenügende Noten insbesondere das Studierendensekretariat bekam – mehr als die Hälfte der abgegebenen Noten waren ungenügend. Ist der Service dort wirklich so schlecht? Wenn ja, warum? Und wer kann daran etwas ändern?

«Alles Märchengeschichten»

Unangemeldet gehen wir im Studierendensekretariat vorbei, um der Sache auf den Grund zu gehen. Zuerst will niemand mit uns reden, dann zeigt sich eine der Verwaltungsmitarbeiterinnen, die nicht mit Namen genannt werden möchte, bereit, uns einige Fragen zu beantworten. Sie empfinde den Kontakt mit den Studierenden eigentlich als gut, «alles andere sind Einzelfälle», sagt sie. Wir haken nach, erzählen von Bekannten, bei denen ein Telefonat ohne Abschied beendet wurde, und von genereller Unfreundlichkeit im direkten Kontakt. «Das sind alles Märchengeschichten», wirft eine andere Mitarbeiterin ein. «Und manchmal gibt es einfach Probleme mit den neuen Telefonapparaten.» Unsere Gesprächspartnerin präzisiert, dass sie schon verstehe, dass man unzufrieden sei, wenn man einfach nur weiterverwiesen wird. «Wir haben aber sehr wenig Entscheidungskompetenz», führt sie aus. Insgesamt sei man aber offen für Feedback und froh um jede Rückmeldung.

Von Gärtnern und Polizisten

Dieselbe Offenheit zeigen der Studiensekretär Jan Metzger und die Bereichsleiterin Jolanda Dähler, die wir zum persönlichen Gespräch treffen. Beide bemängeln, dass bei der Umfrage nicht angegeben werden konnte, womit man unzufrieden ist, und geben sich dementsprechend defensiv. «Wundert es Sie, dass ausgerechnet das Studierendensekretariat so schlecht abgeschnitten hat?», werden wir gefragt. «Welche Behörde, glauben Sie, ist beliebter in der Gesellschaft? Hoheitlich Verwaltungstätige wie der Gefängnisaufseher und der Polizist oder der Gärtner?» Im Rahmen der hoheitlichen Aufgaben in Bezug auf Noten und Prüfungen, die das Sekretariat wahrnehme, müsse man eben auch mal «nein» sagen. Dass das Enttäuschung seitens der Studierenden verursache, sei unausweichlich. Doch so einfach kann die Lösung nicht sein. Immerhin ist beispielsweise auch die Anrechnungsstelle mit hoheitlichen Verwaltungsaufgaben betraut, und doch schneidet sie nicht so schlecht ab wie das Studierendensekretariat.

«Ja, zunehmende Komplexität und Masse sind ein Problem»

In der Tat scheint das Ergebnis einen Missstand zu bestätigen, der innerhalb der universitären Verwaltung längst bemerkt wurde. Die lange Liste der Probleme beginnt bei der Zahl an Arbeitskräften. So ist das Sekretariat beispiellos unterbesetzt und die wenigen Angestellten kämpfen mit der Vielzahl detaillierter Anfragen, die sie täglich erreichen. Und das in Büros, die im Sommer zu heiss und das ganze Jahr zu klein sind. Die Fülle individueller Anfragen ist ein nicht einfach zu lösendes Problem. Der Ursprung liegt hier in der Zentralverwaltung der Universität. Während andere Universitäten über Sparten und Fakultäten verfügen und dementsprechend auch ihre Verwaltung dezentraler gliedern, hat sich die HSG gegen ein solches Modell entschieden – dies wird bei immer stärker steigenden Studierendenzahlen und stärkerer Internationalität zum Verhängnis. Der Vorteil dieses zentralen Systems ist auf Seiten des Studierenden: Doppelspurigkeiten und sich überschneidende Prüfungstermine können grösstenteils vermieden werden.

Die Komplexität fordert ihren Tribut

Für die Angestellten und Auskunftgeber unserer Verwaltung heisst dies aber, dass sie sich nicht nur im Bereich der Sonderregeln für die Prüfungsnachholtermine von Jus-Studierenden auskennen müssen, sondern gleichermassen die Eigenheiten von Praxiscredits des BIA-Programmes im Kopf haben sollten – zumal Studierende viel zu oft mit Anfragen im Sekretariat landen, die dort nicht bearbeitet werden können. Die Aufarbeitung dieser Komplexität wird einerseits durch den geringen Personalbestand erschwert und zudem durch eine hohe Fluktuationsrate unter den Sachbearbeiterinnen verkompliziert. Was hierbei auch ein entscheidender Faktor ist: Im Gegensatz zu den Angestellten der Anrechnungsstelle sind diejenigen des Studierendensekretariates keine Akademiker und haben folglich eher eine Aussenperspektive auf universitäre Sachverhalte.

«Die Frontschweine der Uni»

Besonders kompliziert ist die vorliegende Problemstellung deshalb, weil die Verwaltung nicht über sich selbst entscheiden kann. Das ist grundsätzlich richtig so, da dies auch nicht die Aufgabe einer Verwaltung sein soll. Wenn alle die entscheidenden akademischen Gremien scheinbar nicht fähig sind, in ihren Beschlüssen ausreichend Rücksicht auf die sich ändernden Bedürfnisse sowie die Umsetzungs- und Auskunftsfähigkeit der Verwaltung zu nehmen, läuft irgend-etwas schief. Diese Entscheidungsträger werden uns aber beim sporadischen Besuch der Verwaltungseinheiten nicht begegnen. Die Verwaltungsangestellten sind quasi als «Frontschweine der Uni» dazu verpflichtet, die Beschlüsse der Hierarchie umzusetzen und diese verbindlich zu kommunizieren; das heisst sie müssen sich irgendwie damit arrangieren und ernten als Ansprechpartner letztlich den Ärger der Studierenden.

Der Umgang miteinander

All diese Umstände sollten wir uns beim nächsten Besuch der Dienstleis-tungssparten der Uni bewusst machen. Beide Parteien profitieren von einem freundlichen und respektvollen Umgang. Die Mehrzahl der Studierenden sei auch freundlich, wurde uns versichert. Nur einige kämen mit dem Motto: «Also zuerst mal: Ich hab hier Anrecht auf alles, ich zahl’ für den Laden Studiengebühren.» Dass es so nicht funktioniert, ist klar. Wir haben gleichsam erfahren, dass die Verwaltungsangestellten bei uns keinen leichten Stand haben. Da können die Studierenden aber letztlich auch nichts dafür – es besteht sicherlich noch Potenzial, sich hinsichtlich Freundlichkeit zu verbessern. Damit wäre schon mal das wichtigste Detail als Grundstein gesetzt.

Um aber nachhaltig dafür zu sorgen, dass es in der Verwaltung besser läuft und sich die Missstände auflösen, müssen sich die Studierenden zu Wort melden. Umso erschreckender ist es, dass von Seiten der bisherigen SHSG in den vergangenen Jahren konstruktive Änderungen zum Beispiel bezüglich der Öffnungszeiten des Sekretariats regelmässig mit dem Motto «Es ist gut so wie es ist» abgelehnt werden. Verbesserungen können jedoch nur erzielt werden, wenn konstruktive Kritik erbracht wird; darin sind sich Metzger, Dähler und die anonyme Verwaltunsgmitarbeiterin einig. Wenn man unzufrieden sei, solle man sich direkt melden und so zur Verbesserung der Umstände beitragen – für beide Seiten.


Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*

*

*