42. Symposium: “Facing Risk”

Ein paar Tage im Mai, an denen man ins Bibliotheksgebäude verbannt wird, weil hinter der Absperrung im Hauptgebäude wichtige Menschen wichtige Dinge besprechen – so oder so ähnlich nimmt man als gewöhnlicher HSG-Student das St. Gallen Symposium wahr. Denn wer nicht mitorganisiert oder hilft, bekommt eher wenig davon mit, was unter den illuster leuchtenden, weissen Baldachinen beim Hauptgebäude passiert. Ich hatte in meinen nun knapp drei Jahren an der HSG eher wenig mit dem Symposium zu tun – als ich also gestern Morgen äusserst spontan Bescheid bekam, ich könne als prisma-Vertretung die Veranstaltung besuchen, tat ich dies mit unvoreingenommener Vorfreude und Neugierde. Nachdem ich als erste Aktion auf dem Symposiumsgelände in George Papandreou (und in die ca. 10 Leute, die um ihn herumwuselten) hineingerannt war, setzte auch eine leichte Nervosität ein.

Meinen Pressebadge erhielt ich dank der hervorragenden Organisation ziemlich schnell, und das Gelände und die Abläufe waren äusserst übersichtlich. So schaffte ich es noch, die letzten Minuten des One-on-One Interviews von Stephen Sackur (BBC) mit Jean-Claude Trichet, dem ehemaligen Präsidenten der EZB,  zu geniessen. In der kurzen Zeit fiel mir aber vor allem die Menge an sehr diplomatisch formulierten Antworten auf.

In der Schlange vor dem Lunchbuffet wurde ich plötzlich gefragt, was denn mein schwarzer Badge bedeute. Schwarz bedeutet beim Symposium Presse, grau sind die Helfer und Organisatoren, gelb die Teilnehmer, usw.  Offenbar war der Pressebadge auch am Ende des Tages eher weniger bekannt; jedenfalls wurde mir dieselbe Frage insgesamt drei Mal gestellt. Nicht, dass mich das geärgert hätte, denn jedes Mal entwickelte sich ein interessantes Gespräch daraus. In der Lunch-Schlange jedenfalls unterhielt ich mich mit Jeeshan, einem „Leader of Tomorrow“ (also einem Teilnehmer) aus Kanada. Er war äusserst beeindruckt davon, wie viele Studierende sich als Helfer freiwillig engagieren, und dabei immer motiviert lächeln, auch wenn sie gerade nur Teller abräumen. Er erzählte mir auch, wie er schon frühmorgens eine Symposiums-Session erlebt habe: der CEO von Roche habe ihn und einige andere Teilnehmer zum Frühstück eingeladen. Offenbar spielt sich also noch einiges mehr ab, als man dem Programm entnehmen kann.

In den Work Sessions am Nachmittag hatte ich das Glück, einen Platz in zwei sehr spannenden Diskussionen ergattern zu können. Die ersten 90 Minuten hörte ich Yukiya Amano, dem Chef der IAEA zum Thema „Nuclear Energy after Fukushima“ zu. Die Moderation und die einleitenden Worte Amanos waren extrem spannend – etwas merkwürdig war aber die Anweisung, dass Teilnehmer der Work Session zwar Fragen stellen durften, diese aber zuerst in schriftlicher Form an den Moderator, Yoshinori Imai, zur Prüfung abgeben mussten. Trotzdem kam eine Diskussion zustande; wobei aber, gegeben dass das Thema nukleare Energie doch ein gewisses Konfliktpotenzial bietet, diese eher zahm daher kam. So war diese Session eher informativ und gab einen guten Einblick in die Arbeit und Pläne der IAEA.

Die zweite Work Session bot dann ein ziemliches Kontrastprogramm zur ersten. Ribal Al-Assad, im Exil lebender Cousin von Bashar Al-Assad, dem gegenwärtigen Staatsoberhaupt Syriens, äusserte sich zum Thema Syrien und Arabischer Frühling. Nach einer teilweise eher provokanten Ansprache entstand eine ziemlich angeregte Debatte. Mein Sitznachbar, ein Student der Internationalen Beziehungen an der Oxford University, den ich in der IAEA-Session kennengelernt hatte, war überhaupt nicht begeistert von Al-Assads Ansprache – und scheute Konfrontation überhaupt nicht. Die diplomatischen Aussagen, die mir zuvor aufgefallen waren, konnte man hier jedenfalls nicht mehr finden, was eine willkommene Abwechslung bot.

Nach all diesen Eindrücken, Informationen und Gedanken wunderte mich aber immer noch eins: wie wird man ein „Leader of Tomorrow“? Wie wird man Teilnehmer des Symposiums? Wer sind diese Leute? Krishnadas, ein PhD-Student am Indian Institute of Management, erklärte mir, dass er über die St. Gallen Wings of Excellence Competition nach St. Gallen kam. Studierende können ein Essay zum Thema des aktuellen Symposiums einreichen – die besten werden dann nach St. Gallen als Teilnehmer eingeladen. Er erzählte mir grinsend, wie eine Kommilitonin letztes Jahr in St. Gallen war, und er auf ihrem Facebookprofil die Fotos vom Symposium bewundert hatte, und dann beschloss, sich auch zu bewerben. Ganz offensichtlich mit Erfolg.

In der letzten Plenarsession wurden dann die drei besten Essays im Rahmen des  Wings of Excellence Awards ausgezeichnet. An dieser Stelle muss ich etwas ansprechen, was mich den ganzen Tag über gestört hatte: das Programm der Redner und Work Session-Leiter war ausnahmslos mit Männern besetzt. Natürlich waren dies alle sehr gute und inspirierende Redner, aber es muss doch auch Frauen geben, die etwas zum Thema des Symposiums – „facing risk“ – sagen könnten. Es kann Zufall gewesen sein, dass das Rednerprogramm ein rein männliches war – jedoch fiel dies umso mehr auf, als dass die drei Erstplatzierten des Wings of Excellence Awards allesamt Frauen waren (Die sehr lesenswerten Gewinner-Essays findet man hier). Jennifer Miksch, die Gewinnerin, schrieb ihr Essay sogar über „Female Risk Aversion“, was das Ungleichgewicht in der Programmplanung noch mehr herausstechen liess.

Alles in allem verbrachte ich aber einen sehr lehrreichen Tag, vollgepackt mit Begegnungen mit freundlichen, offenen und intelligenten Leuten, Work- und Panelsessions und einer Unmenge an Eindrücken. Am Symposium besprechen also tatsächlich wichtige Leute wichtige Dinge. Lebendig wird es aber auch durch die Teilnehmer, die „Leaders of Tomorrow“, und die motiviert lächelnden und engagierten Helfer.

Nach diesem kleinen Überblick über meine ersten, “richtigen” Erfahrungen mit dem Symposium folgen in Kürze weitere Einblicke inhaltlicher Natur.

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1 Comment

  • Jennifer

    wunderbar der drittletzte Absatz – ich hoffe es ist zukunftsweisend, dass drei Frauen gewonnen haben. Auch wenn ich über eine normalerweise negativ behaftete Eigenschaft sprach, hoffe ich doch diese Mann/Frau Stereotype ein wenig anders als normal beleuchtet zu haben. Danke für die Nennung!

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