AIESEC Praktikum – “Das Leben in Nigeria kam mir oft viel intensiver, gar ungefiltert vor.”

Gastbeitrg von Thomas Spycher, AIESEC

Im April stöberte ich mit zwei Zielen in der AIESEC-Internship-Datenbank: ein Praktikum mit VWL-Bezug finden und eine neue Kultur erleben. Bereits nach kurzer Suche wurde ich bei einer Mikrofinanzbank in Jos, im Middle Belt von Nigeria, fündig. Die Bewerbung reichte ich ein ohne viel darüber nachzuenken; schnell erledigte ich noch das Administrative und bereits zwei Monate später landete ich am Flughafen von Abuja.  Mittlerweile hatte ich mich genauer über die Region informiert, was in eher ungewissen Erwartungen gipfelte. Trotzdem habe ich mich zum Glück vom ersten Tag an auf das nigerianische Leben eingelassen und äusserst spannende, gar unvergessliche zehn Wochen in Westafrika erlebt.

Der Alltag beginnt in Nigeria früh. Dies hat weniger mit der nigerianischen Frühaufsteher-Mentalität zu tun, als mit der Tatsache, dass der Alltag stark vom Sonnenlicht mitbestimmt wird. Elektrizität ist in Jos Mangelware, Stromausfall ein Dauerzustand, Generatoren ein Luxus. Piam, der Fahrer der Dadinkowa Microfinance Bank, holte mich immer kurz nach sieben ab, so dass ich pünktlich zum Morgengebet in der Bank eintraf. Um Punkt acht öffneten die Türen und Menschen strömten hinein, mit dem Ziel Transkationen vorzunehmen oder ein Konto zu eröffnen. Noch im letzten Jahrzehnt waren die meisten dieser Menschen von Bankdienstleistungen ausgeschlossen. Heute können sie den Kontostand auf ihrem Mobiltelefon überprüfen. Nigeria wandelt sich! Da ich kein Hausa spreche, war ich für die Frontreihe eher ungeeignet. Ich zog mich daher meist zurück in eines der Gemeinschaftsbüros um bei der Überprüfung von Projekten und Transaktionen mitzuarbeiten. Regelmässig hatte ich aber auch das Vergnügen mit dem Direktor auf Kundenbesuch zu gehen, oder den Stand von mitfinanzierten Projekten zu überprüfen. Ich konnte das, mir vorher nur aus der Theorie bekannte, Konzept „Microfinance“ in der Praxis erleben. Somit war mein erstes Ziel sicherlich erreicht.

Natürlich hat meine Arbeit in Nigeria nicht die Welt verändert. Ich sehe meinen Beitrag eher im Bereich der interkulturellen Verständigung. Sowohl die Arbeitskollegen, als auch die Kunden waren jederzeit bereit ihre Ansichten mit mir zu teilen. Wobei ich natürlich mit grossem Interesse zuhörte, nachfragte und auch meine eher europäisch geprägten Gesichtspunkte kundtat. Von diesen Konversationen mit unterschiedlichsten Leuten konnte ich stark profitieren. Aber auch für meine Gesprächspartner waren die Unterhaltungen äusserst interessant und informativ, da die Gelegenheiten mit einem Nicht-Afrikaner ins Gespräch zu kommen für den Durchschnittsbürger von Jos dünn gesät sind. Nach getaner Arbeit ging es oft auf dem Rücksitz eines Okadas, ein nigerianisches Motorradtaxi, auf den Markt, zu Bekannten oder einfach nur zur Tankstelle, um noch etwas Nachschub für den durstigen Generator zu besorgen. Ein einfaches Abendessen im „Mama Put“ Restaurant um die Ecke rundete meist den Tag ab, bevor ich dann bald im Bett lag und den Tag reflektierte: das Erlebte, die Freuden oder allfällige Tiefpunkte. Das Leben in Nigeria kam mir oft viel intensiver, gar ungefiltert vor.

Neben der Arbeit, die mir die besten Einblicke in den Alltag ermöglichte, kam auch das kulturelle Erlebnis nicht zu kurz. Diplomfeiern und Hochzeiten, ein Auftritt im Lokalradio und ein Abendessen mit einem Universitätsprofessor, ein Nationalparkbesuch und eine Reise in den Süden – dank der vielen Bekannten aus dem AIESEC Netzwerk und aus der Bank waren die kulturellen Erlebnisse zahlreich und faszinierend.
10 Wochen sind eigentlich zu kurz um den Alltag in einem Land richtig kennen zu lernen. Es reicht gemäss der Kulturschock-Theorie gerade mal in die Phase der Krise und Frustration, nach einer ausgeprägten Anfangsphase der Euphorie und Begeisterung. Diese Stufen habe ich während meinem Nigeria-Aufenthalt auch ausgeprägt erlebt – sowohl die positive Seite der Begeisterung als auch die unvermeidlich einkehrende Ernüchterung. Der Mix aus Arbeitsalltag, dem Zusammenleben mit nigerianischen Studenten und internationalen Praktikanten und die Reisen und Ausflüge boten mir die Möglichkeit, verschiedenste Erfahrungen in einem Land zu sammeln, welches wohl den meisten Europäern auch im nächsten Jahrzehnt verborgen bleiben wird. Dieser Mix ist aus meiner Sicht perfekt, um in relativ kurzer Zeit einen vertieften Einblick in ein fremdes Land und eine neue Kultur zu erhalten.

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