Zu Besuch bei den Dating Days des Philanthropie-Teams der SHSG

Zwei lange Tischreihen, bedeckt mit roten Servierten und Schokoherzchen, Schüsseln mit Chips und sonstigem Knabberzeug, Kerzen, 50 leicht angespannt wirkende Gesichter. Willkommen zum Speed-Dating. Etwas verspätet stolpere ich am frühen Donnerstagabend in den vom Philanthropie-Team wirklich liebevoll eingerichteten Raum neben der A-Mensa hinein. Nachdem ich die Einlasskontrolle überwunden und die 10 Franken Eintrittsgebühr bezahlt habe, wird mir noch schnell der Ablauf des Abends erläutert, dann mache ich mich auf, um meinen Platz, markiert durch ein Namenskärtchen, zu finden. Wie Hühner auf der Stange sitzen wir Frauen nebeneinander an der langen Tafel, uns gegenüber jeweils ein männliches Gegenstück. An diesem Platz werde ich dann auch den restlichen Abend sitzen bleiben, denn, so wurde mir erklärt, es ist die Aufgabe der Männer, nach jeder Runde einen Stuhl weiter zu rutschen. Durch meine Verspätung habe ich zum Glück keine Zeit, ernsthaft nervös zu werden. Kaum habe ich Platz genommen eröffnet Hannah, die als Moderatorin durch den Abend führt, die erste Gesprächsrunde. Wir haben zwei Minuten Zeit. Und los.

Das Vorstellen wird aufgrund der Namenskärtchen hinfällig, also fangen mein erstes „Date“ und ich einfach an zu reden. Das Thema, das uns für diese Runde vorgeschlagen wurde, „Was würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?“, finden wir beide abgedroschen und langweilig, stattdessen sprechen wir über das Studium und unsere Hobbies, die Wetterlage in St. Gallen und unsere Herkunft – und werden von Hannah unterbrochen, die mit einem Löffel gegen ein Weinglas schlägt und damit die nächste Runde einläutet. Wir sehen uns verwundert an, weil die Zeit so schnell vergangen ist, aber auch, weil das Gespräch wirklich weniger verkrampft verlief als erwartet.

Schon sitzt mir der nächste Kandidat gegenüber, und dann noch einer und noch einer. Allmählich entwickelt sich eine gewisse Routine in den Unterhaltungen. Die einleitenden Fragen zu Herkunft und Studienfach sind obligatorisch, auch wenn ich mich spätestens nach Ablauf der zwei Minuten Gesprächszeit in den seltensten Fällen noch daran erinnern kann. Andere Themen sollte man lieber gekonnt umschiffen. Ex-Partner, Politik, Sex – und die Frage nach der Motivation, beim Speed-Dating mitzumachen. Was soll man darauf schon antworten?

Nach der Hälfte der Zeit wird uns eine kurze Pause gegönnt. Eigentlich hatte ich gehofft, niemanden zu treffen, den ich schon kenne, aber jetzt bin ich froh, mit genau diesen Leuten zusammenzustehen und Gespräche führen zu können, die über Small Talk hinausgehen. Meiner Sitznachbarin haben entweder das Konzept oder die Männer  in der ersten Halbzeit anscheinend nicht gefallen, jedenfalls bleibt der Stuhl neben mir nach der Pause frei. Das wird schnell zum Running-Gag. Als mir der fünfte Mann in Folge eröffnet, er habe gerade mit dem gesprächigsten Mädchen überhaupt gesprochen, finde ich das leider nicht mehr so lustig. Insgesamt sind die Unterhaltungen jetzt lockerer, was bestimmt auch an dem hohen Geräuschpegel im Raum liegt, der zumindest die Illusion vermittelt, man würde ein privates Gespräch führen. Wir zeichnen die Servietten voll und verunstalten die Kerzen, nebenbei höre ich zum ersten Mal i meinem Leben jemanden Rätoromanisch sprechen und erfahre, warum Deutsche im Zug introvertierter sind als Schweizer – das ist der interessante Teil des Abends. Wenn es schlecht läuft, muss ich mich zusammenreissen, nicht ständig auf die Uhr zu sehen, um zu überprüfen, ob sich der Sekundenzeiger noch bewegt.

Bei aller (zur Schau gestellten) Entspanntheit liegt auch immer ein Hauch Ernsthaftigkeit in der Luft. Zwar betonen meine Gesprächspartner immer wieder, sie seien einfach neugierig und erwarteten nichts von der Sache, dennoch verstecken viele ihren Zettel mit den Namen der Kandidatinnen, auf dem sie vermerken können, mit wem sie gerne in Kontakt bleiben würden, vor mir. Am Ende habe ich komplett den Überblick über meine Notizen verloren, die ich in der Eile neben die Namen gekritzelt habe. „Langweilig“ ist ja noch relativ eindeutig, aber was soll mir „Luzern“ sagen und möchte ich den Mann mit dem Attribut „Buchhaltung“ wiedersehen? Schliesslich übernimmt mein letztes Date grosszügigerweise für mich die Auswahl. Sollten diese Männer auch meinen Namen angekreuzt haben, so werde ich in den nächsten Tagen eine Mail mit ihren Telefonnummern zugesandt bekommen, informiert mich das Philanthropie-Team noch, als ich den Zettel abgebe.

Bevor ich gehe schaue ich mich noch einmal in der Runde um. Die Organisatoren haben schon angefangen, die Essensreste und Papierherzchen in riesige Müllsäcke zu schaufeln, die Teilnehmer sind zum Teil schon gegangen oder stehen unschlüssig in der Gegend herum. Von ihnen werden wohl die wenigsten heute Abend die grosse Liebe gefunden haben, Spass gemacht hat es aber allemal.

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MEHR DAZU


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