Immer nordwärts…

Mein Austausch in Göteborg wird ein Abenteuer, da bin ich mir sicher. Dass der zehntägige Roadtrip, den ich vor meinem Aufenthalt in Göteborg mit einer Freundin absolvierte, ebenfalls ein Abenteuer werden würde, darüber war ich mir nicht so ganz im Klaren.10 Tage, 2500 km, zwei Frauen, ein Auto – so weit, so gut. Erste Hürde: Meine teuerste Reisebegleitung hat ihren Geldbeutel zu Hause vergessen, mitsamt Geld, Fahrerlaubnis, Visa- und EC-Karte. Wenigstens der Pass war in der Handtasche. Dass aber eine einzige Kreditkarte für zwei Frauen nur schwerlich reicht, zeigte sich leider erst im späteren Verlauf der Reise…

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Stockholm

In Stockholm ging es mit dem Hochgeschwindigkeitszug vom Flughafen in die Innenstadt und von dort mit unseren drei Riesenkoffern (Ja, zwei für mich – 5 Monate Austausch fordern ihren platztechnischen Tribut!) über das Kopfsteinpflaster der Gamla Stan zu unserem Hostel.

Da wir erst am Donnerstagabend anreisten und bereits am Samstagmorgen unser Auto entgegen nahmen, blieb uns nur ein Tag in Stockholm. Entsprechend wollten wir in dieser kurzen Zeit möglichst das ganze Touristenprogramm durchkriegen: Bootsfahrt, Vasamuseum und Königsschloss. Glücklicherweise lag unser Hostel sehr zentral und in der Nähe von vielen guten Lokalen. Eines möchten wir hier speziell erwähnen, das Restaurant Kryp In! Das EssenRentiersteak für mich, Rinderfilet für meine Begleitungwar vorzüglich, der Service sehr freundlich und die Preise mehr als akzeptabel – ein kulinarisches Muss!

    DROTTINGHOLM

Mit unserem Gefährtnatürlich ein Volvo, man ist schliesslich in Schweden unterwegsausgerüstet, ging es nach Slott Drottingholm, welches seit 1981 offizieller Sitz der schwedischen Königsfamilie ist. Das Gebäude mit der beeindruckenden Parkanlage liegt ca. 20 Minuten ausserhalb der schwedischen Hauptstadt. Ausgespart bleiben hier meine anfänglichen Schwierigkeiten, wieder mit einem geschalteten Wagen zu fahren… Drottingholm ist aus meiner Sicht von den Räumlichkeiten her schlichter und kleiner als zum Beispiel Versailles, aber dennoch nicht weniger bezaubernd. Insbesondere das Kina Slott, ein chinesischer Pavillon, welcher 1769 erbaut wurde, vermittelt ein Gefühl von Prinzessin im Dekorationskitschwunderland.

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Uppsala

Unser zweiter Stop führte uns etwas weiter in den Norden nach Uppsala. Im Hostel angekommen, welches, seien wir ehrlich, eher einem Gefängnis oder einer Besserungsanstalt denn einer gemütlichen Unterkunft ähnelte, luden wir zunächst unser Gepäck aus und machten uns dann auf den Weg in das Zentrum der Stadt. Nicht ganz so malerisch, aber dennoch nett anzusehen ist die Altstadt Uppsalas. Mit einem Flüsschen, welches sich hindurch schlängelt, und diversen Cafés, sowie der Domkirche, welche einen Abstecher lohnt, ist Uppsala zwar gemütlich, aber nicht unbedingt für ein grösseres Touristenprogramm gemacht. Auch hier möchte ich euch ein Restaurant ans Herz legen: Åkanten: Direkt am Wasser, mit Heizstrahlern für die “Gfröörli” unter uns und mit nettem (sprich hübschem) Servicepersonal – und das Essen ist natürlich auch sehr lecker!

Nordwärts

Eine achtstündige Autofahrt führte uns danach weiter durch das schwedische Wildlife auf dem bekannten Vildmarksvägen nach Gäddede. An die passionierten Autofahrer unter euch (wozu 50% von dem hier berichtenden Reiseduo nicht gehören!): Das Fahren auf schwedischen Strassen macht nur bedingt  Spass, darf man doch nur höchst selten schneller als 90 km/h fahren und die vielen Kurven verunmöglichen das Überholen von Lastwagen und Kriechern. Sobald aber die hitzigen Diskussionen über den Fahrstil bzw. die Überholstrategie des anderen beendet sind, entschädigt die schwedische Landschaft für jeden unter der ohnehin tief angesetzten Tempolimite gefahrenen Kilometer: Die Landschaft ist kein Vergleich zur Schweiz – wohin man schaut nur Wald, Wald und ah ja, Wald. Das Wort „abgeschieden“ bekommt hier eine völlig neue Bedeutung! Unterbrochen wird der Wald nur durch Waldwege, die zu kleinen Häuschen, Schuppen oder Ähnlichem führen. Ab und an hat die Landschaft einen gewissen Texas Chainsaw Massacer-Charme. Man wartet geradezu darauf, am Strassenrand einen Holzfäller mit einem abgetrennten Kopf in der Hand zu entdecken. Dies soll keineswegs abwertend klingen, denn die Natur und die Landschaft sind wirklich wunderschön und jeden einzelnen Fahrtkilometer wert, dennoch: Von und zum Gebäude mit Duschen und sonstigen Sanitäreinrichtungen sind wir gerannt – und das nicht nur wegen des aufkommenden Gewitters.

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Auf unserer Weiterfahrt am nächsten Tag von dem Nest (wir bleiben bei der kinderfreundlichen Bezeichnung) Gäddede nach Vilhelmina machten wir in Hoting im Café Koppen halt. Für nicht einmal 70 Kronen erhält man dort ein leckeres Stück Schokoladenkuchen, eine ordentliche Tasse Kaffee und einen halben Liter Tee – unschlagbar. Für alle, die noch auf der Suche nach einem Praktikumsplatz sind: Deloitte hat ebenfalls in Hoting einen Ableger – gleich neben diesem süssen Café. Weitaus freundlicher als der Camping tags zuvor präsentierte sich der Saiva Camping in Vilhelmina. Direkt an einem See gelegen und sehr ordentlich und gepflegt, empfehlen wir diese Übernachtungsstätte gerne weiter. Trotz mässig warmer Temperaturen sollte man es sich nicht nehmen lassen, einen Sprung ins kühle Nass des Sees zu wagen (für Mutige hat es auch einen Sprungturm) und danach auf dem Holzsteg zu trocknen und die Sonne zu geniessen. Am Abend ist eine Bibersafari mit Rolf von Egger Guiding ein absolutes Muss! Zu zweit und Rolf voraus geht es mit einem Kanu durch die verschiedenen Arme eines Sees, zwischen Schilf und umgestürzten Bäumen hindurch (manchmal auch hinein), bahnt man sich einen Weg durch das Wasser und hält Ausschau nach Bibern. Dabei kann man Rolf, ein waschechter Schaffhauser, über sein Leben in Schweden und das Land sowie die Leute ausfragen. Wir haben leider keine Biber gesehen, dennoch war der Sonnenuntergang auf dem Wasser jede einzelne Krone wert (700 SEK pro Person)! Kleiner Tipp: Mückenmittel nicht vergessendie Viecher lassen einem sonst keine Ruhe.

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Morgenstund hat Gold im Mund – und so brachen wir am nächsten Tag früh auf, um pünktlich in Östersund zu sein. Pünktlich für was? Für das Elchstreicheln! Ja, liebe Leserin, lieber Leser, auch ein Elchstreichelzoo wurde auf diesem Roadtrip besucht. Der Moose Garden führt jeweils in den Sommermonaten zweimal am Tag eine „Führung“ durch. Dabei werden die Elche von einem rüstigen, Witze reissenden älteren Herren gefüttert, damit die Teilnehmer das richtige Streichelzoo-Feeling erleben können: Anfassen, fotografieren, knuddeln, streicheln, küssen – they’re so fluffy!

Damit meine Freundin, die tapfer mein glückliches Gequietsche um die Elche ertragen hatte, auch auf ihre Kosten kam, gingen wir reiten. In diesem Fall auf Islandpferden, welche zwei spezielle Gangarten beherrschen und auch sonst anders zu reiten sind, als man es vom klassisch-englischen Stil kennt – wurde mir zumindest erklärt. Mein Pferd merkte schnell, dass es mit mir so ziemlich alles machen kann und stellte auf Slowmotion. Trotzdem war der stündige Ausritt sehr angenehm und ich würde diese Unternehmung jedem weiter empfehlen, auch wenn die darauffolgenden Tage mit Schmerzen in den Oberschenkeln verbunden waren.

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Der zweite grosse Autofahrtag führte uns von Östersund nach Oslo. Es ist selbstredend, dass auch während dieser Autofahrt wieder heftig über die Geschwindigkeitsbegrenzungen und die vielen Kurven geflucht wurde. Zusätzlich wurden wir von unserem Navi geplagt, welches uns kilometerlang über einen quasi unbefestigten Waldweg führte. Wie aus dem Nichts fanden wir uns plötzlich irgendwo im Nirgendwo auf der norwegisch-schwedischen Grenze wieder – wobei, ganz ehrlich, bretterten wir viel eher mit 80 Sachen und ohne weiter Notiz davon zu nehmen darüber. Wir hoffen inständig, dass der schwedische bzw. norwegische Staat auf diesem Streckenabschnitt keine versteckten Verkehrskameras installiert hat. Irgendwie und irgendwann – don’t ask!sind wir dann aber doch noch in Oslo angekommen…

 Stay tuned!

Alle Fotos sowie Teile des Textes stammen von meiner wunderbaren Reisebegleitung (und Portemonnaievergesserin) Nina, welche an der Uni Luzern studiert.


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