Lasst uns über Geld reden

Die 1:12-Initiative ist abgelehnt – aber die Diskussion um exzessive Unterschiede zwischen hohen und tiefen Löhnen hält an. Recherchen von prisma zeigen, dass der eine oder andere Professor je nach Auslegung des Initiativtexts seinen Gürtel durchaus hätte enger schnallen müssen – und dass die HSG-Profs ihre Nebenverdienste lieber für sich behalten.

Wer kennt das nicht? Man will noch kurz auf die Toilette und dann steht da dieses gelbe Schild: Toilette wegen Reinigung vorübergehend geschlossen. Gerade früh morgens und spät abends ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass dies passiert. Dann nämlich putzen die Angestellten von pronto und Honegger Reinigungen in ihren roten Schürzen die Nassräume der Uni. Zur gleichen Zeit sitzen Professoren in ihrem Büro und bereiten die morgige Sitzung des Verwaltungsrates vor, welchem sie angehören. Denn wir wissen alle: die HSG ist praxisorientiert. Dazu gehört auch, dass die HSG-Professoren in zahlreichen ausseruniversitären Gremien Einsitz nehmen. Die Arbeit des Professors und der Putzfrau sind sich räumlich zwar nahe, liegen ansonsten jedoch weit auseinander, nicht zuletzt was den Lohn angeht.

1 : 6.7 – auf dem Papier

Ein ordentlicher Professor an der HSG verdient in der obersten Lohnstufe etwa 17’300 Franken pro Monat (jeweils für 13 Monate berechnet). Ist der Professor auch noch Institutsdirektor und generiert für sein Institut viele Drittmittel, oder übernimmt er einen Posten im Rektorat, kann er damit sein Salär um fünf bis 25 Prozent verbessern. Die höchstmögliche monatliche Gehaltsabrechnung liegt demnach bei 21’667 Franken  brutto, eine junge Assistenzprofessorin verdient mit 13 Monatsgehältern von je 9’224 Franken nicht einmal halb so viel. Die Fachmänner und -frauen, die eben die KV- oder Informatik-Lehre bestanden haben, erhalten gut 4’000 Franken. Und der Reinigungskraft, die Tag für Tag  Mülleimer leert, werden Ende Monat im tiefsten Fall 3’200 Franken auf das Konto gebucht.

So oder so sind die Löhne auf dem Campus stark reguliert, denn die Saläre des wissenschaftlichen Personals richten sich nach eigens für sie vorgesehenen Lohnklassen des Kantons St. Gallen. Derweil werden die Löhne der ausgegliederten Aufgaben zwar nicht regelmässig überprüft, die Einhaltung der Gesamtarbeitsverträge zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern spielt aber bei der Vergabe von Aufträgen eine Rolle. Das Verhältnis zwischen dem Mindestlohn der Reinigungskraft und dem Maximal-Salär des Professors liegt also bei etwa 1 zu 6.7. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.

Ein netter «Zustupf»

Ein zentraler Unterschied liegt darin, dass Professoren vergleichsweise einfach die Möglichkeit haben, ihr Salär spürbar zu erhöhen, indem sie das praktizieren, was die HSG auf ihrer Homepage «Praxisnähe» nennt und dem «Wissenstransfer» zwischen Elfenbeinturm und Wirtschaftspraxis dienen soll. Viele Professoren übernehmen ausseruniversitäre Aufgaben verschiedenster Art: Verwaltungsräte, Stiftungsräte, Gutachtertätigkeiten, Kommissionen oder steering committees. Wissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich oft teuer an Private verkaufen, für Vortragsreisen durchs Land werden üppige Honorare bezahlt.

Viele davon dienen dem Zweck unabhängiger Lehre und Forschung: Simon Evenett zum Beispiel nutzt seine Autorität auf dem Feld der internationalen Handelsforschung dazu, für den Global Trade Alert versteckte protektionistische Massnahmen vieler Regierungen  anzuprangern. Thomas Geiser amtet seit Jahren als nebenamtlicher Bundesrichter und Stefan Bühler ist Vizepräsident der Wettbewerbskommission. Viele unserer Professoren engagieren sich in zahlreichen Organisationen ehrenamtlich oder lassen ihr Wissen in Politik, Behörden und Medien einfliessen. Man kann sich jedoch auch in den Dienst von privaten Unternehmen stellen – und sich dafür fürstlich entlöhnen lassen.

So erhält beispielsweise Johannes Rüegg-Stürm für sein Mandat als VR-Präsident der Raiffeisen Gruppe jährlich 300’800 Franken. BWL-Prof Urs Füglistaller, der sich vorwiegend mit KMU beschäftigt, sitzt gleich bei neun von diesen im Verwaltungsrat. VWL-Professorin Monika Bütler wurde vor kurzem in den Verwaltungsrat der Schindler Group gewählt und Organisations-Expertin Heike Bruch arbeitet als Inhaberin der energy factory, einem Unternehmen, das Führungskräfte darin berät, «ihr volles Potenzial auszuschöpfen». Darf ein Professor, der vom Kanton für wichtige Aufgaben in der Forschung und Lehre bezahlt wird, noch Nebenjobs annehmen? Ist damit nicht seine Unabhängigkeit gefährdet? Muss er nicht einen Teil seines zusätzlichen Taschengeldes an die Uni abgeben, denn schliesslich wird er ja durch die Steuerzahler bereits für eine Vollzeitstelle entlöhnt?

Liberales Reglement für Nebenbeschäftigungen

Die Leitung der Universität St. Gallen hat dazu interne Richtlinien erlassen. Dort ist festgehalten, dass Dozenten keine Tätigkeiten ausüben dürfen, welche die Erfüllung ihrer Dienstpflicht oder die Unabhängigkeit von Lehre und Forschung beeinträchtigen. Ein Professor darf also beispielsweise nicht eine eigene Management-Schule eröffnen, die das Angebot der HSG konkurrenziert. Er darf auch nicht ein Mandat annehmen, das der Reputation der Uni schaden könnte. Ist ein Dozent zu 100 Prozent angestellt, darf er offiziell maximal einen Arbeitstag für externe Beschäftigungen einsetzen. Das Geld, das er bei diesen externen Aktivitäten verdient, darf er vollumfänglich für sich behalten, denn die Einkünfte aus Nebentätigkeiten unterliegen keiner Abgabepflicht.

Soweit die internen Richtlinien. Doch hat überhaupt jemand den Überblick, welche Professoren auf welchen Nebenschauplätzen ihre Expertise feilbieten? Das einzige Kontrollinstrument der Uni-Leitung besteht darin, dass Nebentätigkeiten von Belang (ab einem halben Tag pro Woche) sowie Organfunktionen wie etwa Verwaltungsratsmandate dem Rektor gemeldet werden müssen. Fällt ein Nebenjob nicht in diese Kategorie, ist  der Professor niemandem Rechenschaft schuldig.

Deshalb gibt es auch keine statistischen Zahlen zu den Nebeneinkünften der HSG-Professoren. Doch gerade weil die Uni St. Gallen so stark mit der Praxis zusammenarbeitet, ist es durchwegs plausibel anzunehmen, dass sich viele Professoren mit ausseruniversitären Mandaten ein gutes Taschengeld dazuverdienen. So trat Miriam Meckel parallel zu ihrer Kommunikationsmanagement-Professur auch einen Posten als  PR-Beraterin bei der Brunswick Group an. Die Verflechtungen mit der Wirtschaft reichen bis ins Rektorat: Tourismus-Experte Thomas Bieger ist Stiftungsrat bei der Swiss Luftfahrtstiftung und war vor seiner Wahl bei der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit engagiert. Im Gegensatz dazu hatten die Verwaltungsratsmandate bei Migros Ostschweiz und Roland Berger weniger mit seinem Forschungsfokus zu tun. Prorektor Vito Roberto ist nach wie vor Rechtskonsulent bei Baker&McKenzie.

Das Problem ist nicht, dass die Professoren solche Nebentätigkeiten ausüben. Im Gegenteil: Dadurch können sich Kooperationen zwischen der Uni und ausseruniversitären Organisationen ergeben, die auch für uns Studenten wertvoll sind. Vielleicht wäre es ohne die liberale Regelung gar nicht möglich, gute Leute für eine wissenschaftliche Karriere zu gewinnen, weil in der Privatwirtschaft noch grössere Vergütungen locken. Auch die Höhe der uns bekannten Entschädigungen ist nicht das eigentliche Problem. Man kann sich durchaus fragen, ob mehrere 10’000 Franken für ein paar Sitzungen im Jahr gerechtfertigt sind, aber das ist letztlich eine Frage des subjektiven Gerechtigkeitssinns. Das eigentliche Problem liegt vielmehr darin, dass die Professoren nicht verpflichtet sind, ihre Nebentätigkeiten und Beratermandate und die daraus resultierenden Nebeneinkünfte offenzulegen. Nur wenn Professoren ihre Nebentätigkeiten und -verdienste transparent machen müssen, kann auch überprüft werden, ob sie tatsächlich so unabhängig und neutral bleiben, wie sie es gerne betonen.

Zudem ist es doch befremdlich, dass ein Professor zu 100 Prozent vom Kanton St. Gallen entlöhnt wird, aber de facto nur 80 Prozent arbeiten muss. Einen Tag in der Woche darf er nämlich einer Nebentätigkeit nachgehen, für die er sich ebenfalls bezahlen lassen darf und von diesem Nebenverdienst muss er – im Gegensatz zu Richtlinien anderer Universitäten wie Zürich – nichts abgeben. «Ds Füfi und ds Weggli» – wo sonst gibt es das? Eines ist sicher: würde die Putzfrau den Vorschlag machen, dass sie einen Tag in der Woche die Toiletten nicht putzt, weil sie dann  einer anderen Tätigkeit nachgeht, aber trotzdem für diesen Tag entlöhnt wird, dann hätte wohl kaum jemand Verständnis dafür – ausser vielleicht der Professor.


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