Drei-Planeten-Lifestyle: Ein Kommentar zur Ecopop-Initiative

An meinem Spiegel klebte eine Weile lang ein Post-it: „Don’t complain about things you’re not willing to change“. Ich mag Leute, die etwas gegen Dinge unternehmen, die ihnen nicht passen. Aber ich bin auch realistisch – so manches kann man als kleines Menschlein einfach nicht beeinflussen. Wenn gewisse Gruppierungen in der Schweiz das Gefühl haben, mit ein paar gesammelten Unterschriften das Weltgeschehen verändern zu können, grenzt das meiner Meinung nach schon an massive Selbstüberschätzung. Ganz abgesehen davon, dass der ‚adäquate Kausalzusammenhang’ der einzelnen Elemente der Ecopop-Initiative meines Erachtens nur mit viel blumiger Fantasie nachvollziehbar ist, finde ich es etwas peinlich davon auszugehen, dass die Schweiz international einen dermassen grossen Einfluss hat.

Aber betrachten wir die Initiative mal mit etwas Distanz und lassen uns dabei die Schlagzeilen und Zitate der letzten Wochen und Monate durch den Kopf gehen: „Stopp der Überbevölkerung“ scheint mir ziemlich allgegenwärtig während „zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlage“ ein wenig untergegangen zu sein scheint. Worüber diskutieren wir hier eigentlich? Weshalb werfen Befürworter am 30. November ein Ja in die Urne? Um die natürliche Lebensgrundlage zu retten, oder weil sie Überbevölkerung einfach prinzipiell mit ‘störenden’ Nichtschweizern assoziieren? Gelegentlich habe ich den Eindruck, dass das ursprüngliche Anliegen der Initianten von rechtsgefärbter Propaganda mit den Füssen getreten wurde und irgendwo im Matsch liegengeblieben ist.

Sei’s drum – Eigentlich ist die Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen ja ein wichtiges Anliegen. Das Problem liegt viel mehr darin, dass man die Bevölkerung mittels einer Verfassungsänderung erziehen will. Und weil das Volk eine Initiative, die einen maximalen ökologischen Fussbadruck pro Person vorschreiben würde, niemals annehmen würde, sind halt ‚die Andere tschuld’. Für die Deckung des jährlichen Ressourcenverbrauchs eines Durchschnittsschweizers wäre theoretisch die Fläche von knapp drei Planeten notwendig. In der Abstimmungsarena vom vergangenen Freitag meinte nun ein Befürworter allen ernstes: „Wenn jetzt all die Leute in die Schweiz kommen, und plötzlich auch drei Planeten verbrauchen wollen, wo kämen wir da hin?“ Offensichtlich ist also der Drei-Planeten-Lifestyle und nicht die Zuwanderung das eigentliche Problem. Denn, wenn man scharf nachdenkt, wird die Weltbevölkerung ja nicht einfach kleiner, nur weil sich Menschen nicht in der Schweiz aufhalten (Anmerkung: Schweiz ≠ Welt). Klar – Ecopop hat da ein hübsches Gegenargument eingebaut: 150 Millionen Franken. Leider vermag mich dieses irgendwie auch nicht restlos zu überzeugen – wie war das nochmal: Ungebildete Frauen in armen Ländern haben ungewollt Kinder. Diese Kinder wandern dann in die Schweiz aus bzw. ein, leben einen exorbitanten Drei-Planeten-Lifestyle und verstopfen unsere Züge. Also investiert die Schweiz in die freiwillige Familienplanung und klärt die armen Frauen in den armen Ländern auf. Falls das die natürlichen Ressourcen in der Schweiz überraschenderweise nicht schont, oder falls die armen Frauen trotz unseren Bemühungen viele Kinder haben, verbieten wir diesen einfach in die Schweiz zu kommen. Die armen Leute sind weniger arm und unsere nicht mehr überfüllten Züge rollen weiterhin durch eine Bilderbuchlandschaft… Geht es nur mir so, oder ist das ein wenig utopisch?

Wenn ich die Faktenlage richtig verstanden habe, müssten wir doch bei unserem eigenen Lebensstil anfangen, um unsere natürliche Lebensgrundlage zu sichern; alltägliche Entscheidungen hinterfragen, einen energieeffizienten Kühlschrank kaufen, öfters mal in unserer Bilderbuchlandschaft wandern als mit dem Flugzeug in die Ferien zu fliegen, lokale Produkte kaufen. Und dann wären wir wieder bei „don’t complain about things you’re not willing to change.“


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