Roboter sind die neuen Ausländer

Fürchte dich nicht vor Deutschen, Indern oder Chinesen, im 21. Jahrhundert ist es primär non-biologische Konkurrenz, die dir deinen Job streitig machen wird.

Seit der neolithischen Revolution rund 10’000 Jahre vor der Geburt Christi bis zur industriellen Revolution im 18. und 19. Jahrhundert lebte die überwältigende Mehrheit der Menschen im Westen als selbstversorgende Bauern in einer Agrargesellschaft. Dann begann die Muskelkraft der Maschinen immer mehr Leute vom Zwang zu befreien direkt für die Erfüllung der untersten Stufe der Maslowschen Bedürfnispyramide zu arbeiten. Dies war die eigentliche Geburtsstunde der Spezialisierung und des Kapitalismus. Seither hat der technologische Fortschritt dem Mensch immer mehr Arbeit abgenommen, zum Glück, wer hätte schon Lust seine Kleider im Fluss zu waschen? Wenn die Automation jedoch bezahlte Arbeit betrifft gibt es immer auch Verlierer, zumindest kurzfristig.

Der Elefant im Raum

Ich arbeite also bin ich. Gerade in den „Industriestaaten“ lechzen seit der Finanzkrise 2008 und der darauffolgenden „jobless recovery“ viele nach Arbeit. Die Weltbank sprach am Treffen der Arbeitsminister der G20-Staaten im September von einer globalen Jobkrise. Die Zukunftsaussichten sind allerdings erst recht düster, denn wir stehen gerade am Anfang der Automatisierung des tertiären Sektors.

Es braucht wirklich nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass Abläufe wie ein Produkt über einen Scanner zu ziehen oder Informationen von einem Tisch 10 Meter weit zu transportieren automatisiert werden können. Microsoft-Gründer Bill Gates ist jedenfalls felsenfest davon überzeugt, dass Software in den nächsten Jahren einen Grossteil der Fahrer, Kellner oder Krankenschwestern ersetzen wird. Doch nicht nur „Low-Skill-Jobs“ sind gefährdet, auch im „White Collar“-Bereich wird es in den nächsten Jahren zu Automatisierung kommen, Buchhalter zum Beispiel könnten schon sehr bald durch Software ersetzt werden. Der ehemalige Vizepräsident der USA, Al Gore, spricht bezüglich dieser Entwicklung von „Robosourcing“, dem outsourcen von vormals menschlichen Jobs an billigere Roboter. Wie massiv die kommende Automatisierungswelle tatsächlich ist, zeigt eine Studie der Universität Oxford aus dem Jahre 2013. Sie kommt zum Schluss, dass in den nächsten 20 Jahren 47% der amerikanischen Jobs mit einer hohen Wahrscheinlichkeit computerisiert werden. Der wirtschaftswissenschaftlichen Think-Tank Bruegel applizierte dieselbe Methodik auf die EU und berechnete, dass hier sogar 54 Prozent aller Arbeitsplätze gefährdet sind.

Solche Zahlen sollten einen eigentlich aufrütteln, doch sowohl die Politik bleibt ihrer reaktiven Natur treu und lässt den Elefanten der technologischen Arbeitslosigkeit bisher grösstenteils unbeachtet im Raum stehen. Dabei macht sich dessen Anwesenheit schon heute bemerkbar.

Roboter vs. Mindestlohn

 Das Makro-Lehrbuch von Miles, Scott und Breedon lehrt braven Assessis auf Seite 135 wörtlich: „The long-run impact of capital accumulation or technological progress is (…) no change in employment. Further long-run productivity improvements, (…), feed through one for one into real wages.“ Schade nur, dass die Realität anscheinend nicht an der HSG studiert hat. Der implizite soziale Vertrag zwischen der Belegschaft und dem Management das sich Produktivitätssteigerungen in steigenden Reallöhnen widerspiegeln gilt dort nämlich schon längst nicht mehr. Zwischen 1973 und 2011 stieg die Produktivität in den USA um 80.4% während der reale stündliche Medianlohn im gleichen Zeitfenster nur um 10.7% anstieg. Um diese Erosion der Marktmacht der Arbeiter rückgängig zu machen forderte etwa die demokratische Senatorin Warren den Mindestlohn in Zukunft per Index an die Produktivität zu binden und auch Präsident Obama hat sich 2013 in seiner State of the Union Adress öffentlich für die Erhöhung des Mindestlohnes starkgemacht.

Die öffentliche Diskussion, die darauf in den USA entfacht ist, zeigte allerdings eindrücklich, dass klassische politische Instrumente um die Einkommensungleichheit zu reduzieren, aufgrund des Robosourcing ihre Wirkung verlieren. Roboter brauchen nämlich keinen Mindestlohn und die Verteuerung der menschlichen Konkurrenz beschleunigt nur den Automatisierungsprozess. Unterdessen ist in den USA alleine schon aufgrund der Diskussion schon von einem „Minimum Wage Backfire“ die Rede.

Die grossen Fast Food Ketten haben damit begonnen Bestellungen per Tablets aufzunehmen und auch in der Küche drohen „Burgerbratmaschinen“ die menschlichen Angestellten zu verdrängen. Gleichzeitig hat Amazon bis Ende Jahr die ersten 10’000 Logistikroboter in seinen Warenhäusern installiert und es werden sicher noch weitere Folgen, wenn man bedenkt das Amazon, die Firma, welche diese Roboter fertigt, gleich gekauft hat. Auch ausserhalb des Westens wird automatisiert, der chinesische Elektronikhersteller Foxconn hat damit begonnen eine ganze „Roboterarmee“ von 1 Million „Foxbots“, welche weder bessere Arbeitsbedingungen wollen noch suizidäre Tendenzen aufweisen, aufzubauen.

Für den Konsumenten sind billigere Burger – gesundheitliche Implikationen ausgeklammert – eine positive Entwicklung. Doch was geschieht mit all denjenigen, die ihre Arbeit verlieren?

Wenn der Mensch zum Pferd wird

 Die Standardantwort lautet technologische Arbeitslosigkeit gibt es nicht. Neue Technologien zerstören zwar menschliche Arbeitsplätze, schaffen aber gleichzeitig neue, bessere Jobs für Menschen. Dieses Axiom entstand und funktionierte im Kontext der industriellen Revolution, doch gilt es auch für zukünftigen technologischen Fortschritt?

Gerade eine Verschiebung der Massen an „freiwerdenden“ Arbeitskräften vom Niedriglohn-Dienstleistungsbereich in den Quartärsektor scheint ziemlich illusorisch, denn dieser besteht eigentlich aus denjenigen Jobs des tertiären Sektors die besonders hohe intellektuelle Ansprüche stellen. Es ist schon sehr fraglich, ob man Taxifahrer und Kassiererinnen zu Informatikern und Ingenieuren umschulen kann. Auch die Hoffnung, dass massenhaft neue, wenig anspruchsvolle Jobs entstehen, scheint vor allem eines zu sein, Wunschdenken. Wie der Autor Federico Pistono betont, zeigt ein Blick auf die Rangliste der Berufe in der USA geordnet nach der Anzahl Beschäftigten nämlich, dass alle Jobs in den vorderen Rängen schon vor 100 Jahren existierten. Erst bei der Nummer 33 kommt der erste „neue“ Beruf, Programmierer.

Der YouTuber CGP Grey hat die Lächerlichkeit des obigen Axioms entlarvt, in dem er den Begriff „Menschen“ einfach durch „Pferde“ ersetzte: Technologischer Fortschritt bedeute für eine lange Zeit mehr und bessere Jobs für Pferde. Weg vom Feld, weg vom Krieg, hinein in die Stadt, um – vergleichsweise angenehm – Menschen zu transportieren. Erst das Aufkommen der „pferdelosen Kutsche“ machte die animalische Muskelkraft wirklich obsolet in der Wirtschaft und führte zur massiven Verkleinerung der Pferdepopulation. Analog dazu erwartet uns heute die „menschenlose Kutsche“. Google will mit seinem Self-Driving Car bereits in 5 Jahren marktfähig sein und alle Autobauer die überleben wollen folgen auf dem Fuss. Autonome Fahrzeuge verursachen keine Unfälle, keine Staus, brauchen weniger Parkplätze, fahren immer nüchtern und benötigen noch nicht einmal Schlaf. Es ist keine Frage ob sondern wann sie die Menschen in der beschäftigungsreichen Transportindustrie ersetzt.

Die Bildung kann das Wettrennen gegen die Technologie auf dem klassischen Weg schlichtweg nicht gewinnen. Bildung kann vielleicht eine neue „Software“ installieren, es ist allerdings die menschliche „Hardware“, welche zunehmend an ihre Grenzen kommt. Die Rechenleistung von Computern wächst, getrieben von Moores Law, exponentiell, diejenige des Menschen verbessert sich währenddessen nur im Zeitlupentempo, wenn überhaupt. Ein wachsender Teil der Bevölkerung wird, ohne eigenes Verschulden, nicht mehr „unemployed“ sondern „unemployable“ werden.

Das Ende der Arbeitsgesellschaft?

Von der maschinellen Konkurrenz bedrängt griffen Arbeiter anfangs des 19. Jahrhunderts vermehrt zu Gewalt. Ohne eine rechtzeitige politische Antwort auf die kommende Jobkrise beschwört man diesen alten Geist des Luddismus wieder hervor. Natürlich werden nicht alle Menschen auf einmal arbeitslos, aber das Erreichen einer kritischen Masse reicht, um soziale Unruhen und politisches Chaos auszulösen. Die weltweiten Proteste von Taxifahrern gegen die Uber-App sind dabei erst ein klitzekleiner Vorgeschmack.

Die Lösung für technologische Arbeitslosigkeit formulierte der amerikanische Stratege Zbigniew Brzezinski schon 1995: „Tittytainment“. „Titty“ steht dabei für die Ernährung durch die Gesellschaft und „tainment“ für Unterhaltung. Einerseits für den sozialen Frieden, andererseits sollte der Fortschritt das Leben aller Menschen besser machen. Konservative Kreise werden sich zwar, ähnlich wie bei „Obamacare“, mit Händen und Füssen dagegen wehren, doch der Druck ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen, wird über die Jahre hinweg steigen. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Krugman drückte es in der NYT so aus: „I can already hear conservatives shouting about the evils of “redistribution.” But what, exactly,would they propose instead?“

Ned Ludd vs R2D2


1 Comment

  • Christen

    Federico Pistonos Buch “Roboter stehlen deinen Job und das ist OK” seit Kurzem auch in Deutsch erhältlich. Vielleicht eine Chance für uns hier, auch im deutschsprachigen Bereich ein dringend notwendiges Umdenken zu bewirken.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*

*

*