Ein «Janusblick» auf das Symposium

Es ist nun bereits eine ganze Woche seit der 45. Ausgabe des St. Gallen Symposiums her. Der “Wirtschaftszirkus” ist weitergezogen, nur das augenfällige weisse Zelt steht noch. Die Normalität auf dem Campus zurückgekehrt. prisma nutzt das verlängerte Wochenende um noch einmal zurück, gleichzeitig aber auch nach vorne zu blicken.

Auf der direkten inhaltlichen Ebene wurde das meiste was über das Symposiums gesagt werden kann bereits gesagt. prisma berichtete in Form von Zusammenfassungen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) vom Donnerstag und dem Freitag sowie einem Kurzinterview mit dem CEO der Energieinfrastruktur- und Automationsfirma ABB. Dazu wird in den nächsten Tagen noch ein ausführlicheres Interview mit Connie Hedegaard, der ersten EU-Kommissarin für Klimawandel, folgen. Für weitergehende Informationen und Interviews mit «guest speakers» verweise ich gerne auf den YouTube-Kanal des Symposiums oder die offizielle Seite der Universität, welche unter anderem die Möglichkeit hatte mit Ex-NATO-Generalsekretär Rasmussen sowie den Präsidenten von Island und Malta ein Interview zu führen.

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Auf Organisationsebene ist erst einmal ein riesiges Lob auszusprechen. Alles, aber auch wirklich alles, ist für den Symposiumsteilnehmer durchorganisiert. Selbst für etwas verträumtere Geister wie den Autor ist alles «tubbelisecher» gestaltet. Wenn man einen Tag zu früh zu einem Interview antreten will, fragt einem die Interviewkoordinatorin ganz freundlich, ob der Termin nicht erst morgen sei, und selbst wenn man zum Samsung-Handy das iPhone-Ladekabel mitnimmt sind die «Engel mit den blauen Krawatten» sofort zur Stelle und laden das Smartphone für einen. Die Teilnehmerbetreuung war so gut, dass ich in der Tat ein bisschen ein schlechtes Gewissen hatte, dauernd von meinen Kommilitonen bedient zu werden. Der absolute Overkill in Sachen Service war das grosse International Buffet am Freitagabend: Ein grosses Weizenbier, Essen bis zum Abwinken und junge hübsche Frauen, die einem mit einem Lächeln bedienen, da fühlt man sich als Mann, egal ob Student oder CEO, einfach glücklich. Ich habe diesen Satz übrigens bewusst so formuliert, dass ihn beide Geschlechter als sexistisch empfinden können. Wobei ich ohnehin nicht glaube, dass sich jemand der Helfer über eine solche Aussage künstlich aufregen würde, so unkompliziert und pragmatisch wie der Service war.

Manche Helferarbeiten, wie etwa eine Stadtführung im Luxusschlitten mit der Frau des Deputy Prime Ministers von Singapur, mögen wirklich spannend sein, andere, wie etwa das Arbeiten in der Logistikzentrale, sind vielleicht etwas monotoner. Zu danken gilt es allen. Allen, die ihre Freizeit resp. Unizeit opferten, um bei der Durchführung dieses Anlasses zu helfen. Ein solcher Einsatz ist, in Zeiten in welchen immer wieder das rückgängige Zivilengagement besungen wird, alles andere als selbstverständlich und am Ende profitieren alle HSG-Studenten von der Helferarbeit, weil ein «flagship event» wie das Symposium natürlich das Renommee aller unserer Abschlüsse erhöht. Deshalb an dieser Stelle:

darealmvpIch hoffe ihr habt die Helferparty am Mittwoch genossen (und überlebt).

Vier Verbesserungsvorschläge für das nächste Jahr

Dort wo ein Lob angebracht ist, soll man dieses auch aussprechen, umgekehrt braucht es aber immer auch ein gesundes Mass an konstruktiver Kritik. Auch ein Event braucht Fortschritt. Gleichschritt ist Rückschritt. Damit allerdings jedes Organisationsteam das letztjährige übertreffen kann, muss es sich erst bewusst sein, wo sicherlich noch Potential vorhanden ist. In diesem Sinne möchte ich nicht nur der erbrachten Leistung huldigen sondern auch ein paar Ideen zur zukünftigen Verbesserung festhalten: 

1) Fotomanagement vereinfachen

Ich finde den Fotodienst welchen das Symposium anbietet grundsätzlich spitze. Die studentischen Mitarbeiter, welche sich um alles Bildmaterial kümmern, verhindern damit ein redundantes Fotogewitter und vereinfachen die Arbeit der Journalisten erheblich. Unter dem Strich profitiert auch das Symposium von diesem Dienst. Wenn die Medien dann nämlich eines Tages wieder ein einigermassen aktuelles Foto eines Wirtschaftsführers brauchen, natürlich in hoher Auflösung und möglichst ohne Lizenzgebühren, greifen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Bild mit dem Symposiumslogo im Hintergrund zurück. Schade nur, sowohl für Journalisten als auch für Fotografen, wenn ein so gutes Konzept am «last yard» scheitert, weil die Organisatoren es nicht fertig bringen die Bilder wie versprochen auf ein geteiltes Dropbox-Konto zu ziehen. Dies ist eine Aufgabe die meines Erachtens nicht mehr als 60 Sekunden in Anspruch nehmen dürfte, dennoch war der Medienkoordinator dieser Aufgabe leider selbst nach zweimaligem Nachfragen nicht gewachsen. Das ist eindeutig noch verbesserungswürdig…

2)Ruheraum benützen

Wenn man von der Geländeöffnung frühmorgens bis zum Schlummertrunk spätabends ständig von hypersozialen Menschen umgeben ist, welche auch ständig noch intelligente Kommentare von einem erwarten, kann das ziemlich anstrengend sein. Für mich persönlich war dies kein Problem, weil ich kommen und gehen konnte wann immer ich wollte. Gerade unter den «Leaders of Tomorrow» die aus dem Ausland ausreisen, herrscht aber ein gewisser Druck das ganze Programm zu 100% mitzumachen. Ich habe beim International Buffet am Freitagabend einen mexikanischen Jungunternehmer getroffen der völlig erschöpft und am Ende war. Als ich etwas besorgt nachfragte, ob es ihm noch gut ginge, meinte er «it’s ok if I faint at least I have to rest then». Da wir ja ohnehin schon einen luxuriösen Ruheraum im Gebäude 01 stehen haben, könnte man sich doch überlegen, diesen während des Symposiums zu beschildern und zu öffnen, so dass die jungen «overachiever» eine Rückzugsmöglichkeit haben, noch bevor sie in Ohnmacht fallen.

3) Inklusivität vs. Exklusivität

Es kann etwas irritieren wenn auf der Bühne Dinge wie «inclusive institutions» oder eine «inclusive economy» gefordert werden, der Anlass selbst aber gleichzeitig hochexklusiv ist. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass die Exklusivität zu einem grossen Teil auch den Reiz dieses Anlasses ausmacht und dass viele hochkarätige Gäste bei einer inklusiveren Veranstaltung verloren gehen würden. Dementsprechend verstehe ich auch, dass die Organisation ihre Exklusivität nicht einfach aufheben kann, ohne sich dabei selbst zu schaden. Die Plenarysessions sind jedoch theoretisch schon heute über YouTube frei zugänglich. Nur weiss das praktisch niemand, weil es nicht wirklich kommuniziert wird (z.B. via Twitter). Für das Networking, andere informelle Diskussionen und die Work & Social Sessions bleibt die physische Anwesenheit eine Voraussetzung und dementsprechend bleibt die Exklusivität des Anlasses meiner Meinung weiterhin erhalten, auch wenn die Plenarysessions in passenden Videoclips verpackt über Medienpartner bewusst einer grösseren Allgemeinheit zugänglich gemacht werden würden. Zudem wäre es meiner Meinung nach zumindest eine Überlegung wert den Livestream auch auf eine Leinwand im Eingangsbereich des Gebäude 09 zu projizieren, so dass die nicht beteiligten Studenten wenigstens ein bisschen mitbekommen, wofür denn die Hälfte des Campus gesperrt ist.

4) Nach vorne blicken!

Ich habe nichts dagegen wenn sich das Symposium klar liberal positioniert. Allerdings droht auf den Podien ein bisschen die Gefahr, dass daraus ein liberaler «circlejerk» wird. Ich will damit keinesfalls implizieren, dass man nun plötzlich rückwärts gewandte Nationalisten einladen soll, nur um die Debatten konträrer zu machen. Allerdings lag der Fokus der Podiumsdiskussionen noch viel zu stark auf dem Status Quo. Bei einer Teilnehmerschaft, die zu einem guten Teil aus dem Status Quo besteht ist der Mehrwert der aus den Diskussionen entsteht daher weit unter dem intellektuellen Potential welches eigentlich vorhanden wäre. Anstatt «preaching to the converted» zu betreiben oder über falsche «small/big» Dichotomien zu diskutieren, muss meines Erachtens ganz klar die Zukunft im Zentrum stehen. Unabhängig davon ob man nun wie der Autor fest von einem technologischen Determinismus überzeugt ist oder nicht, sollte jeder und jede einsehen können, dass sich nichts der Digitalisierung entziehen kann, auch nicht das «HSG-ABC» (Auditing, Banking, Consulting). Dementsprechend wäre es von imminenter Wichtigkeit, dass in Zukunft endlich auch die «Silicon Valley types» am Symposium vertreten sind. Während unter denjenigen, die sich ihre Kleidung von Louis XIV vorschreiben lassen etwa noch immer die «luddite fallacy» beschwört wurde, widmete man sich in Kalifornien bereits möglichen Lösungsansätzen zur Reformierung des heutigen Wirtschaftssystems. Auch innerschweizerisch hinkte das Symposium in Sachen Voraussicht beispielsweise dem Digital Economic Forum in Zürich nach, welchem es gelang Nick Bostrom als Referent zu gewinnen. Natürlich wird Benny Bauernschlau jetzt einwenden, dass solche „Zukunftsmusik“ für die Wirtschaftselite von heute einfach noch nicht relevant sei. Doch alleine schon ein Blick auf die schrumpfende Lebenserwartung von Fortune500 Konzernen verrät, dass die Geschwindigkeit des Wandels stetig zunimmt und die Weitsicht der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Führer daher schlicht immer wichtiger wird…


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