Don’t be a puss, be lekker!

Besuch beim OppiKoppi, Südafrikas grösstes Musikfestival.

„You gonna spend some hours in a prison cell“, raunte ein mit einer zerrissenen Sicherheitsweste bekleideter Polizist zu meiner Kollegin. Der Grund für den jähen Abbruch der von Vorfreude erfüllten Anfahrt ans alternative Musikfestival „OppiKoppi“ stellte sich meinem Verständnis von Eigentum quer. Die Übeltäterin hatte es sich doch tatsächlich erlaubt ein Bier im Auto zu trinken; sie war dabei nicht am Steuer, versteht sich. Public Drinking lautete das Urteil dennoch. Und wehe wenn er, der Polizist, noch ein zweites offenes Bier finden würde. Eine Nacht in einer Gefängniszelle hätte das zur Folge, so die unverhohlene Drohung. Das mit Camping-Utensilien vollgepackte Auto stand nun im Fokus. Amateurhaft und mit verächtlichem Blick wurden die Schlaf- und Rucksäcke inspiziert. Schnell war klar, das ganze Theater hat nur eine Absicht: Geld. Da ich schon etwas länger im Land weilte, wusste ich, dass nach dem obligaten Smalltalk irgendwann unterschwellig ein „How can I help you, officer?“ vom Beschuldigten gefordert wird. 450 Rand. Umgerechnet circa 32 Franken, lautete die unmissverständliche Antwort. Ganz Hako-Kompetenz geschult, konnte ich den Betrag auf 200 Rand (ca. 15 Fr.) herunterhandeln. Geldübergabe hinter dem Auto, TIA („This is Africa“) gedacht, have a nice day gewünscht und weiter ging’s!

Auf zum OppiKoppi (von Oppi di Koppi, dt. auf dem Hügel)! Dieses Festival gilt mit mehr als 20’000 Besuchern als grösstes Musikfestival von Südafrika und befindet sich circa dreieinhalb Stunden (exkl. Polizeikontrollen) nordwestlich von Johannesburg. Als mir eine im Ski-Schlauch eingemummte Person das Eintrittsticket scannte, erinnerte ich mich an den also doch nicht von ungefähr kommenden Hashtag #InDustWeTrust, auf welchen ich bei meiner vorgängigen Instagram-Recherche gestossen war. Aber hey, das Motto dieses Festivals mit klimatisch extremen Verhältnissen (bis zu 30 Grad am Tag und um 3-4 Grad in der Nacht) wurde mir schnell von betrunkenen Südafrikanern beigebracht: „Don’t be a puss, be lekker“ (Sei kein Weichei, sei gut drauf)! Wie man unschwer erkennen kann, werden hier Afrikaans-Wörter verwendet. Das Festival gilt demnach auch als „Afrikaans“. Das Publikum setzte sich mehrheitlich aus Afrikaanern oder englisch sprechenden Weissen zusammen, es waren jedoch auch schwarze, seltener gemischte Gruppen zu sehen. Während der Apartheid wäre das noch undenkbar gewesen.

Meine Kollegen haben mich dann bei einem Zelthotel abgeladen. Von da an war ich auf mich alleine gestellt. Allen Versuchen zum trotz, konnten wir uns während dem ganzen Festival nicht mehr finden (Akku leer, Handy geklaut). Aber egal: „Don’t be a puss, be lekker!“ So zog ich alleine durch das staubige Festivalgelände und stiess auf sehr freundliche bzw. angetrunkene Menschen in allerlei verrückten Outfits. Mein Schweizer Akzent erwies sich beim Bierbestellen als verlässlicher Gesprächs-Opener. Mit 5-Liter Kanistern, gefüllt mit Wodka-Redbull oder Brandy-Coke (inoffizielles Nationalgetränk der Afrikaans sprechenden Südafrikaner) zogen oder viel mehr torkelten die Festivalbesucher umher. „Don’t be a puss, be lekker“ – schoss es mir allmorgendlich durch den Kopf, als ich jeweils von der Hitze und Oppi…. Koppi!-Schreien aus dem Schlaf gerissen wurde. Leichter gesagt als getan. Wodka-Redbull aus dem OppiKoppi-Bidon, lekker again.

Das Musikprogramm gestaltete sich sehr abwechslungsreich: von Singer/Songwritern wie Matthew Mole, Shortstraw und Desmond and the Tutus über aufkommende schwarze Hip-Hop Artists bis hin zu wummernden Progressive Trance Basslines wurde alles geboten. Aber die Musik ist hier, ähnlich wie am Openair St. Gallen, eher nebensächlich. Vielmehr geht es darum, die einmalige Atmosphäre des Festivals zu geniessen und sich den klimatischen Widrigkeiten zu widersetzen. Die Main-Campingsite wird nicht umsonst Mordor genannt. Spuren hinterlassen die Strapazen des Festivals in der darauf folgende Woche auch in den Arztpraxen in und um Johannesburg. Die Leute werden mit fieberähnlichen Symptomen eingeliefert, stilecht „Oppi-flu“ genannt. Das inoffizielle Leitmotto des Festivals lässt sich dann wohl doch nur für einen begrenzten Zeitraum umsetzen.

Facts & Figures:

  • Alljährlich am 1. August Wochenende (Mittwoch bis Montag)
  • mehrheitlich südafrikanische Bands, einige internationale Acts
  • Eintrittspreis ca. 55 Franken
  • Anfahrt nur mit dem Auto möglich
  • Ski-Schlauch (engl. buff) gehört zur Grundausrüstung

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