Die Durchsetzungsinitiative: Köppel gegen Glättli

Im Audimax diskutieren Roger Köppel (ZH/SVP) und Balthasar Glättli (ZH/Grüne) über die Durchsetzungsinitiative und offenbaren dabei grundsätzliche ideologische Unterschiede, wenn es darum geht, wer, was, über wen zu entscheiden hat.

Der Einladung der SVP zum öffentlichen Podium im Audimax zur Durchsetzungsinitiative sind am letzten Freitagabend im Januar zahlreiche Interessierte gefolgt, welche den Vorlesungssaal zu gut zwei Dritteln zu füllen vermögen.

Zu Beginn präsentieren sich aber noch die beiden SVP Regierungskandidaten Stefan Kölliker (bisher) und Herbert Huser (neu) den Zuschauerinnen und Zuschauern. Sie nehmen zu einigen Themen Stellung, besonders betreffend der langfristigen Weiterentwicklung der HSG; Stefan Kölliker, seinerseits Präsident des Universitätsrates der Universität St.Gallen, stellt ein Medizin-Masterprogramm mit HSG-Abschluss in Aussicht, was es nach Herbert Huser noch wichtiger macht, dass für die angespannten Platzverhältnisse auf dem Rosenberg eine Campus-Lösung gefunden wird, die innerhalb von 15 Gehminuten mehr Raum für die Studierenden bieten soll. Beide betonen, dass die dafür benötigten finanziellen Mittel nicht Ausgaben, sondern Investitionen seien, die der Kanton und die Stadt St. Gallen nicht scheuen dürfen.

Nach dieser obligatorischen und für HSG-Studenten dennoch informativen Kurzwerbung kommen wir zum Hauptgang; Balthasar Glättli (ZH/Grüne) auf der linken Seite und in der rechten Ecke Roger Köppel (ZH/SVP). Der Moderator Jürg Ackermann, Journalist und Blattmacher des St. Galler Tagblatt, beweist gleich zu Beginn Recherchekünste und fragte die beiden Kontrahenten nach ihrem gemeinsamen Philosophie-Studium an der Universität Zürich. Dies führt kurzzeitig zu gegenseitigen, nostalgischen (und ironischen) Sympathiebekundungen, sowie einigen Lachern.

Der Ton ändert sich schnell, als man nach diesem gelungenen Einstieg auf das Thema des Abends, Die Durchsetzungsintiative der SVP, zu sprechen kommt. Die Eingangsstatements zusammengefasst; «Ausländerkriminalität ist böse» und «die Ausschaffungsinitiative sei ohne Automatismus umgesetzt worden» von rechts, «der Verfassungsauftrag sei der Menge nach übererfüllt worden» und «die Rechtsstaatlichkeit sei gefährdet» von links. Balthasar Glättli betont, dass die Justitia seiner Meinung nach blind sein muss und daraus folge, dass es generell keine unterschiedlichen Rechtsprechungen betreffend AusländerInnen und InländerInnen geben darf. Der Verweis auf Art. 8 BV scheint da nur im ersten Moment hilfreich; ein Gang in die Bib und ein Blick in den St. Galler Kommentar zum betreffenden Artikel relativiert, wenn nicht widerlegt, dieses Argument; «Sachlich begründete Differenzierungen zwischen Schweizern und Ausländern sind erlaubt». Ein Fakt, den aber auch Roger Köppel nicht zu kennen scheint, wenn auch ironischerweise in der neusten Ausgabe der Weltwoche abgedruckt (Markus Schär (2016). Weg in die Barberei. Die Weltwoche, 2016 (4), S. 10). Er hat den Anwesenden zwar netterweise eine Ladung druckfrische Gratis-Weltwoche-Zeitschriften mitgebracht, scheint sie aber selber bisher eher durchgeblättert zu haben.

In der Folge werden einander Beispiele von möglichen Fällen, von Kiosken über Äpfel und Vergewaltiger bis hin zu Rasern oder Sozialhilfebetrügern vorgetragen, welche gegenseitig aufzeigen sollen, warum die Annahme katastrophal bzw. absolut notwendig ist. Eine Pattsituation ohne wirklichen Mehrwert für die Anwesenden. Auf die Innerparteiliche Kritik an der Intiative durch Hans-Ueli Vogt bleibt Roger Köppel leider eine abschliessende Antwort schuldig. Genauso kann Balthasar Glättli dem Vorwurf seines Gegenübers nicht überzeugend entgegnen, dass das Parlament die Ausschaffungsintiative im Abstimmungskampf vehement bekämpft hat und in der Folge den geforderten Automatismus nicht in der Umsetzungsgesetzgebung niedergeschrieben hätte. Die anschliessende, mehrfach bediente Analogie zur Begründung der Legitimität dieses Automatismus; im Strassenverkehr käme die Geschwindigkeitsbusse auch automatisch, zeigt dem Diskussionsleiter Jürg Ackermann wohl auf, dass dieses Themengebiet nun abgegrast ist und er eröffnet ein grundsätzlichere Debatte über die sinnvolle Verteilung der Macht im Staat.

Roger Köppel antwortet mit seinem fast berühmt gewordenen Satz «Das Volk ist der Chef», welcher bei einem Auftritt bei «Hart aber Fair» im Gespräch mit Ralf Stegner (SPD) mediale Premiere feierte und den er seitdem gerne hier und da in spitzem Hochdeutsch wiedergibt. Balthasar Glättli bejaht im Grundsatz, betont zudem die besondere Verantwortung des Parlaments bei der Würdigung der Grundsatzbestimmungen der Bundesverfassung bei der Ausarbeitung der Gesetze, da die Schweiz kein Verfassungsgericht hat. Dies verbindet er mit einem Appell an die Anwesenden; da die Durchsetzungsinitiative diesen Schritt überspringt und quasi direkt anwendbar ist, muss diese sorgfältige Würdigung nun von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern vorgenommen werden. Das Parlament wird übergangen. «Schade, dass so ein Schritt notwendig war» pflichtet im Roger Köppel bei.

Für Auflockerung zwischendurch sorgten immer wieder rhetorische Ergüsse wie das «pädagogisch, gesundbeterische Weltverständnis», was mit einem Schmunzeln Herrn Glättli unterstellt wird, oder der Vorwurf des «Kontorsionismus» an Herrn Köppel, welcher sich bisher nach ausgiebiger Recherche noch nicht im Duden auffinden lies.

Der letzte Themenblock betrifft das Verhältnis der Initiative zu internationalem Recht. Ein heisses Eisen, welches der grüne Nationalrat mit beiden Händen beherzt anpackt: Die Schweiz würde bei Annahme und anschliessender Durchführung gegenüber den Menschenrechten in Strassbourg unterliegen und gerügt werden. Was er befürwortet, da die Rechte des Individuums gegenüber dem Staat geschützt werden müssen durch eine Institution wie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Er prognostiziert den Aufschrei der SVP unter dem Slogan «keine fremden Richter». Ohne da zu widersprechen betont Roger Köppel, dass die Aufgabe des Schutzes der Menschenrechte beim Volk liegt und diese besser garantiert, mit Verweis auf den Staatsrechtler Zaccaria Giacometti, der sich gegen Bundesrat und Parlament nach dem zweiten Weltkrieg per Initiative für die Abschaffung des Notrechts einsetzte, um zur direkten Demokratie zurückzukehren.

Zum Schluss der Veranstaltung wird die Runde geöffnet. Eine Zuschauerfrage betreffend der praktischen Durchführbarkeit von Ausschaffungen wird sehr überraschend von beiden als «problemlos» beantwortet. So endete die Podiumsdiskussion im Audimax wie sie begonnen hatte; mit einem kleinen Konsens.


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