Challenge the Best

Was passiert in der Zukunft mit den Jobs? Dieser Frage gingen die 34 Teilnehmer der Challenge the Best-Konferenz vier Tage lang nach. Das Ziel war nicht, die eingeladenen Gäste die Lösung erklären zu lassen, sondern vielmehr, deren Sichtweise zu hinterfragen und herauszufordern.

Was erwarten wir von einer Konferenz, die von sich selbst behauptet, nur die besten Teilnehmer und Gäste zusammenzuführen? Vielleicht zuallererst eine komplizierte Fragestellung, für die im Laufe der Tage dank kumulierter Gehirnaktivität eine gar nicht so komplizierte Lösung gefunden wird. Anscheinend kann es aber auch anders herum verlaufen. Man nehme ein Thema, mit dem instinktiv jeder etwas anfangen kann: Arbeit. Die 34 Teilnehmer der Challenge the Best-Konferenz 2013, die sich für vier Tage in St. Gallen versammelt haben, um genau darüber zu diskutieren, sehen ein wenig irritiert aus, als sie gleich zu Beginn erst einmal definieren sollen, was das überhaupt ist, Arbeit. Wahrscheinlich denken sie schon in einem weiteren Kontext, an demografischen Wandel und Jugendarbeitslosigkeit, Work-Life-Balance und Globalisierung. Dann setzten sie sich aber doch in Gruppen zusammen und fangen an, zu diskutieren. Schnell fallen Begriffe wie «Leistung» und «Bezahlung». Interessant ist aber, dass alle Gruppen später unabhängig voneinander zu der Erkenntnis gelangen, dass diese Definition unzulänglich ist: Nach Ansicht der meisten müssen auch unentgeltliche Tätigkeiten – etwa auf freiwilliger Basis oder im Haushalt miteinbezogen werden. Ein Team malt bei der Präsentation der Ergebnisse einen grossen Kreis auf ein Plakat, darin noch einen kleinen. Der grosse Kreis heisst «work», den kleineren nennen sie «job».

Das setzt einen Massstab für den weiteren Verlauf der Konferenz. Denn die Teilnehmer sind nicht gekommen, um sich schlicht bei Vorträgen zum Thema Arbeit ihre Notizen zu machen und als Experten wieder abzureisen. Sollte man das, was sie in den vier Tagen tun, in einem Wort zusammenfassen, so träfe «hinterfragen» es wohl am besten. Nicht nur «die besten» Experten auf ihrem jeweiligen Fachgebiet, wie es Titel der Veranstaltung vorschlägt, sondern auch die gängigen Paradigmen und Lösungsansätze. Dafür werden die Studenten, die sich durch besonders gelungene Essays für die Teilnahme qualifiziert haben und aus 23 verschiedenen Ländern kommen, drei Tage lang inhaltlich und methodisch auf die grosse «Challenge» vorbereitet, welche die abschliessenden Podiumsdiskussion am Montag darstellen wird.

Direkt am ersten Vormittag steht mit «How to Challenge the Best?» ein Punkt auf dem Programm, der darauf vorbereiten soll, die Gäste nicht mit vagen Ausreden davonkommen zu lassen, sondern sie durch beharrliches Nachfragen zu echten Statements zu bringen. Dementsprechend forsch geben sich die Teilnehmer am Nachmittag nach dem Vortrag von Anna Takihara, Associate Marketing Manager von Google Zürich. Ob die Komplettumsorgung der Mitarbeiter bei Google von Fitnesscenter über Coiffeur bis zum Gratisessen die Work-Life-Balance nicht eher störe, weil man verleitet werde, gar nicht mehr nach Hause zu gehen, möchte einer wissen. Viele nicken zustimmend. Glücklicherweise ist die junge Rednerin so selbstbewusst, dass ihr diese Konfrontation eher Spass als Unbehagen zu bereiten scheint. Für andere Gäste ist diese Art des offenen Dialogs zumindest am Anfang spürbar befremdlich.

Schliesslich kommen die Vorbereitungsseminare dann doch bei den «grossen Themen» an: Arbeitslosigkeit, Umstrukturierung des Arbeitsplatzes, Kampf gegen die Maschinen – innerhalb der ersten beiden Tage werden unter anderem diese Teilaspekte des umfassenden Mottos «the future of work» in episodenhaften Sitzungen und Workshops behandelt. Ein wenig gerät dabei der Blick auf die Podiumsdiskussion in Vergessenheit. Zumindest gilt es, umzudenken, als am Sonntagvormittag nach Fragestellungen gesucht wird, bei denen eine Diskussion mit den Gästen ansetzen könnte. Aufgeteilt in vier Gruppen erarbeiten die Studenten entsprechende Konzepte, anschliessend wird zum ersten Mal die Podiumsdiskussion unter Realbedingungen simuliert, nur dass statt den «wirklichen» Gästen die Leiter des Workshops «gechallengt» werden. Für die meisten ist der Nachmittag ausnahmsweise einmal frei. Den Augenringen und der Gähnquote pro Minute nach zu urteilen, können ein paar zusätzliche Stunden Schlaf auch niemandem schaden. Denn im Anschluss an die Workshops gab es am vorherigen Abend noch den Programmpunkt «Pizza und Bier». Während das OK-Team sich zu einem seiner mysteriösen Meetings zurückzog, sozialisierten vor allem die ausländischen Teilnehmer noch bis in die Nacht. Mit einem leicht besorgt klingenden «denkt an den Dresscode» werden die Studenten in ihren Erholungsschlaf entlassen.

Diese Bemerkung bezieht sich auf das Opening Dinner im Lagerhaus am Abend, bei dem auch die «honoured guests» zum ersten Mal anwesend sind. Um die Kleiderordnung hätte sich aber niemand Sorgen machen müssen: die Frauen erscheinen wie verordnet in dunklen Kleidern, die Männer haben (fast) alle die Herausforderung Krawattenknoten erfolgreich gemeistert. Die Gespräche mit den prominenten Gästen laufen locker. Die BBC-Nachrichtensprecherin Lucy Hockings, die am nächsten Tag die Podiumsdiskussion moderieren wird, unterhält sich angeregt mit einigen Teilnehmerinnen über die Zahnfee, der Ökonom Tomas Sedlacek schwärmt von seiner karierten Hose, die sich sowohl für formelle Anlässe als auch für den Besuch eines Punkkonzertes hervorragend eigne.

Nach einer weiteren, letzten Nacht mit zu wenig Schlaf beginnt das Programm am Montag schon um 8.00 Uhr mit einer offiziellen Begrüssung durch den Chairman im Hotel Einstein. Es folgen ein erster thematischer Dialog mit den Gästen in Form eines «World Cafe», Frühstück, Workshops, geleitet von jeweils einem der Gäste, und ein gemeinsames Mittagessen. Besonders bei den Workshops zahlt sich die intensive Vorbereitung aus; er sei beeindruckt gewesen, wie gut informiert die Studenten seien, wird Koos Richelle wenige Stunden später im Interview mit prisma erzählen. Vor allem bieten sie die Möglichkeit, die Gäste auf ihrem Spezialgebiet zu befragen. Es geht jetzt darum, genau zuzuhören, wenn Tomas Sedlacek mit dem «magischen dritten Bier» die Schuldenkrise erklärt oder Koos Richelle von «flexicurity» spricht – um die Positionen der Gäste einordnen zu können, aber auch, um mögliche Anknüpfungspunkte und Argumentationslücken aufzudecken.

Um 15.00 Uhr ist es soweit: Universitätsrektor Thomas Bieger eröffnet die Podiumsdiskussion. Das Audimax ist nur mässig gefüllt, was ein wenig schade ist angesichts der Zeit und des Aufwands, der in die Organisation der Veranstaltung gesteckt wurde. Zum Teil ist der verhaltene Andrang bestimmt mit der etwas ungünstigen Uhrzeit zu erklären, aber vielleicht sind HSG-Studenten auch einfach verwöhnt, was Konferenzen und Gastvorträge angeht. Nach einigen einleitenden Grussworten eröffnet Lucy Hockings die eigentliche Debatte. Die sechs Vertreter der studentischen Teilnehmer sitzen den vier Gästen frontal gegenüber, ausgestattet mit «buzzers», mit denen sie die Experten jederzeit unterbrechen können, falls diese der Frage ausweichen oder am Thema vorbeireden. Deren Einsatz funktioniert dann auch erstaunlich gut; als die entsprechende Technik nach gut zehn Minuten ausfällt, übernimmt Tomas Sedlacek vorübergehend das Brummgeräusch. Szenen wie diese zeichnen die Debatte aus, in deren besten Momenten die Gäste sich gegenseitig die Bälle zuspielen oder die Moderatorin das Publikum zur Abstimmung heranzieht. Inhaltlich bewegt sich die Diskussion von einer Abwägung des bedingungslosen Grundeinkommens, das der Psychologe und Ökonom Daniel Straub mittels einer entsprechenden Initiative in der Schweiz einführen möchte, über Themen wie Arbeitslosigkeit, Frauenquoten in der Wirtschaft und Migration hin zu einer grundsätzlichen Debatte über die Bedeutung von Wachstum. Ein stiller Triumph für die Organisatoren und eine Steilvorlage für die Herausforderer: mittendrin fordert Richelle genau das, was die Teilnehmer zu Beginn der Konferenz erarbeitet haben – eine neue Definition von Arbeit.

So schliesst sich der Kreis. Letztlich bleibt eine zum Grossteil unterhaltsame und lehrreiche Podiumsdiskussion als Zeugnis von vier arbeits- und ereignisreichen Tagen. Doch das alleine beschreibt noch nicht den Erfolg der Challenge the Best-Konferenz. Bei 34 Menschen kann man in vier Tagen nicht alle kennenlernen. Die Zeit reichte aber, um ein Gemeinschaftsgefühl entstehen zu lassen, das sich auf das gemeinsame Ziel stützte, die Besten bestmöglich herauszufordern. Ob das gelungen ist? Die gute Stimmung unter den Teilnehmern auf der Farewell- Party liess das zumindest vermuten.

Das Interview mit Koos Richelle findet ihr auf unserem Blog.


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