Das Studium konsumieren

Wenn man derzeit so manch ein Papier zur Weiterentwicklung der Universität St.Gallen in die Hände bekommt und zum Kapitel «Bindung» oder «HSG Kultur» blättert, muss man – je nach eigener Gesinnung z.B. ernüchtert – feststellen: Wir sind wirklich eine Wirtschaftsuniversität.

Während bei anderen Fachrichtungen beim Thema Kultur über «Mitgestaltung», «Partizipation», «Freiräume» oder die zentrale Frage «Wie wollen wir alle als Gemeinschaft zusammen leben?» geredet werden würde, tauchen bei uns eher Begriffe auf wie «Qualität des Studiums», «herausragendes Studien- oder Campuserlebnis» oder die zentrale Frage «Wie schaffen wir über einen Ausbau unserer Services eine höhere Verbundenheit der Studierenden oder Absolventen zur HSG?».

Man soll mich nicht falsch verstehen. Ich bin sicher, dass all diese Sachen einen fundamentalen Einfluss auf die Kultur und die Bindung zur HSG haben und – was wohl zentral ist – sie die einzigen wirklichen Hebel sind, die der Universitätsleitung zur Verfügung stehen, um die HSG-Kultur zu stärken. Dennoch fragt man sich manchmal: Was für eine Art Kultur schaffen wir hier eigentlich? Services, Qualität der eigenen Leistungen – allesamt Begriffe, die eine klassische Kundenbindung fördern. Der Student kommt zur HSG, findet alles ganz toll und ist dafür «dankbar». HILTI könnte es nicht besser machen.

Längst haben auch gewisse Teile des Lehrkörpers die Studierenden als Kunden, oder schlimmer noch als Konsumenten, entdeckt. Wird am Ende einer Lehrveranstaltung nicht das gewünschte Ergebnis erreicht, wird fieberhaft danach geforscht, wo man den Studierenden noch mehr entgegen kommen könnte, das Lernen noch leichter und angenehmer gestalten könnte. Es geht nicht mehr um «Fairness» oder «Angemessenheit», sondern nur noch um Zufriedenheit.

Auch hier: Gelegentlich die Studierenden nach ihrer Zufriedenheit mit dem Kurs zu fragen ist wichtig und richtig, ihnen aber in allen Bereichen nachzurennen und übereifrig Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Studierenden zu kürzen, nur weil man dann besser «in einen Kurs hinein sitzen» und alles – am besten noch im Vorbeigehen – «mitnehmen» kann, sollte auch nicht das Ziel sein. Aber warum immer mit dem Finger auf Andere zeigen, wenn man auch bei sich selbst beginnen könnte. Ist nicht vielleicht diese Kundenorientierung der Universität auch darauf zurück zu führen, dass wir Studierenden uns eben als solche verhalten? Sollte es einen nicht nachdenklich stimmen, wenn derzeit einer der Hauptgründe, warum ein Kurs z.B. im Kontextstudium beim Bidding voll wird oder nicht, eben nicht Inhalt, Lehrform, Dozent oder vergleichbares, sondern schlicht die Prüfungsform/-aufwand ist? Ist es nicht ein Armutszeugnis für uns Studierende, wenn ohne Incentivierung durch Credits kaum noch etwas gemacht wird, wenn das Verhältnis Aufwand-Creditertrag strategisch optimiert wird, ohne dabei den Inhalt dieser Credits zu reflektieren?

Ist es nicht bedenklich, wenn grössere Teile von uns sich kaum mehr für die Entwicklung unserer Alma Mater interessieren, und, wenn sie es zumindest ansatzweise tun immer stets erwarten, dass alle Informationen und Hintergründe ihnen auf dem Silbertablett präsentiert werden?

Ich will hier nicht den moralischen Zeigefinger erheben. Viele der hier vorgebrachten Sachen trafen oder treffen auf mich genauso zu. Doch sollten wir uns ab und zu überlegen, ob dies wirklich die Art ist, wie wir eine HSG-Kultur gestalten wollen: Als Wirtschaftsunternehmen, mit den Studierenden als Kunden?


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