Nimm mich! Grill mich!

Zu Hause fängt es an, bei der Arbeit geht es weiter. Nein, liebe Damen, nicht nur euch geht es so, auch Mann fühlt sich bisweilen als Fleisch.

Ich liebe deinen Knackarsch, ich steh auf deinen Sixpack» – mit dieser Art Komplimente, die ich von meinen Freundinnen und Affären erhielt, fing alles an. Anfangs war ich naturgemäss von derartigen Schmeicheleien umgarnt worden. Doch mir wurde immer klarer, was solche Anpreisungen eigentlich bedeuten, was ich eigentlich hören müsste, aber nicht ­hören will: «Ich mag dich ­wegen ­deines Körpers. Mir ist scheissegal, was du erreichst und was für einen Charakter du entwickelt hast.» Widerlich, wie eine Fleischbeschau im Kühlhaus. Hart – das ist es, was ein Mann sein soll. Keine Gefühle darf er zeigen. Doch ich bin es leid: Ist es denn zu viel verlangt, für seinen Charakter geschätzt zu werden? Nach seinen Leistungen beurteilt zu werden? Für meine Freundinnen offenbar schon. Nachdem ich ihnen jeweils meine Gefühle offenbarte, wurde ich als Weichling beleidigt, gefragt, ob ich «meine Eier verloren hätte». Ich bin froh, mit solchen Frauen nichts mehr zu tun zu haben.

Das Problem ist: Wie ich bald bemerken musste, sind meine Freundinnen überall. Im übertragenen Sinne zumindest. Am schlimmsten ist es in Clubs, in die ich häufig nach einer stressigen Zeit wie der Lernphase gehe, um etwas zu entspannen und mein Stresslevel zu senken. Gemütlich mit Freunden weggehen, ein, zwei Drinks nehmen und die neusten Moves ausprobieren. Gerade dann nervt das ständige Gebaggere am meisten, zumal es so einseitig abläuft: Noch nicht mal der Versuch einer Kommunikation findet statt. Vielmehr ist es wie bei einer Grillparty: Man wird ausgesucht, auf den Grill geworfen und dann vernascht. Und 90 Prozent der sogenannten «Geniesser» ist es total egal, ob man aus Bio- oder Stallhaltung stammt, ob man sehnig oder zart, fett oder mager ist. Und dann sieht man sich danach nie wieder. Genau dagegen wehre ich mich: Ich möchte mit der Dame ein interessantes Gespräch an der Bar führen; dass das Steak sich auch den Grill-Chef aussuchen kann und zu einem Partner auf gleicher Ebene mit ihm wird.

Bevor jetzt wieder die Behauptung auftaucht, das sei doch alles ein Einzelfall und käme im Alltag nie so vor: NEIN! Sogar viele meiner optisch herausgeforderten Freunde haben mir auf die Schilderung meines Problems hin berichtet, dass sie sich ebenso fühlten. Ausweichen kann man der wahllosen Anmache indes kaum, zumal es Bereiche gibt, in denen eine Flucht nicht oder nur schwer möglich ist. So zum Beispiel bei der Arbeit, wenn einen die Chefin konstant anbaggert.

Ernsthaft Leute: Auch ich bin gelegentlich oberflächlich, schätze insgesamt aber die inneren Werte meines Gegenübers. Und diese Einstellung wünsche ich mir auch für die Behandlung meinerseits – damit «Fleisch» nur noch auf dem Grill zu finden ist.


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