… denn sie wissen nicht, was sie tun

Im Reko-Kurs Wirtschaftsethik werden Fragen zum Sinn und Zweck der Wirtschaft untersucht. Eine Kursempfehlung für HSGler, die ihren Kopf benutzen und eine verhängnisvolle Bildungslücke schliessen wollen.

Es gibt eine Sache, die Finanzanalysten niemals verstehen werden, und das ist die Wirtschaft. Finanzanalysten glauben, dass Unternehmen Geld machen. «Unternehmen machen Schuhe», erklärt Peter Drucker. Wir sind uns wohl einig darüber, dass die Wirtschaft kein Selbstzweck ist, also nicht um ihrer selbst willen existiert. Ihre Existenz beruht auf menschlichem Handeln, sie soll dem Menschen dienen und ein gutes Leben ermöglichen. «Wirtschaften heisst Werte schaffen – aber welche Werte für wen?», fragt Peter Ulrich, emeritierter Professor für Wirtschaftsethik an der HSG. Diese grundsätzliche Frage müsste eigentlich jeden Wirtschaftler brennend interessieren, da sie den Kernbereich seiner Tätigkeit betrifft. Geld oder Schuhe? Was ist der Sinn des Wirtschaftens und wie wird es legitimiert?

Wirtschaften ist nicht Photosynthese

Wirtschaft als Sozialwissenschaft unterscheidet sich von den Naturwissenschaften unter anderem durch ihre Normativität. Niemand fragt nach der moralischen Qualität der Photosynthese. Sobald es aber, wie in der Wirtschaft, um menschliches Handeln geht, verlassen wir das Gebiet der naturwissenschaftlichen Tatsachen. Diese Erkenntnis ist wichtig, weil alle ökonomischen Theorien und Konzepte, die wir lernen, von Menschen entwickelt wurden. Damit sind sie vor einem bestimmten ideologischen Hintergrund entstanden und von einer subjektiven Werthaltung geprägt.

Als aufgeklärte, kritische Studierenden wissen wir eigentlich, dass implizite Annahmen und Werturteile nicht unreflektiert wiedergegeben werden dürfen: Was, wenn sie sich als unvollständig, verkürzt oder nicht anwendbar herausstellen? Die Wirtschaftsethik deckt ideologische Paradigmen auf und betrachtet Modelle aus einer ganzheitlichen Perspektive, was für ein umfassendes Verständnis unabdingbar ist. Wenn wir zum Beispiel von Wettbewerb und Win-win-Tauschverhältnissen sprechen, wieso nicht auch von Wettbewerbsverlierern? Wenn wir von Wertschöpfung und Gewinn sprechen, wieso fragen wir nicht, wie viel Gewinn unter welchen Bedingungen legitim ist? Gibt es zu viel Gewinn, und wenn ja, wann? In der Wirtschaftsethik geht es um beide Seiten der Medaille, weshalb sie essenzieller Bestandteil jeder wirtschaftlichen Grundausbildung ist oder es zumindest sein sollte.

Wirtschaftsethik ist nicht nur ein Inhalt, sondern auch eine Methode: Es geht um Aufklärung und Reflektion, darum, die richtigen Fragen zu stellen. Dabei bleibt jedem selbst überlassen, wie er im jeweiligen Fall argumentiert und urteilt und welche Konsequenzen er daraus zieht. Damit ist Ethik kein Teilgebiet und keine isolierte Disziplin der Wirtschaft, sondern eine Prozesskompetenz und Querschnittsfunktion, die (bereits implizit) als integrativer Bestandteil jeder ökonomischen Analyse und Tätigkeit jeden Handelnden betrifft. Die Ethik muss aber explizit, nicht passiv oder zufällig betrieben werden.

«Pfff… Wirtschaftsethik ist unrentabel und irrelevant»

Auch wenn dich ethische Fragen nicht interessieren, du wirst – unabhängig vom Label «ethisch» – während deiner beruflichen Laufbahn zwangsläufig und ständig damit konfrontiert werden. Kein Unternehmen kommt darum herum, sei es in der Diskussion um Löhne der Unternehmensleitung oder bei der Debatte um Arbeitsbedingungen in der Zuliefererkette. Man ist also gut beraten, sich früh genug mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Wie soll man die richtige Entscheidung treffen, ohne zu wissen, was man tut, wieso und für wen? Viele von uns streben eine führende Position an. Nur wer umfassend über die Herausforderungen, Dimensionen und Konsequenzen seines Handelns informiert ist, kann die Verantwortung wahrnehmen, die eine solche Position mit sich bringt.

In diesem Sinne, wenn es das nächste Mal ans Bidding geht: Denk an Wirtschaftsethik!


Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*

*

*