Der Kampf der Frauen um die Spitze

Die Schweiz ist in Bezug auf Frauenanteile im Management als hinterwäldlerisch einzustufen. Ist die Etablierung einer Frauenquote die einzig wahre Patentlösung dieser Problematik?

Feminismus ist in unserer Gesellschaft zusehends zu einem Unwort verkommen und wird mit einer automatischen Schubladisierung verknüpft. Diese These wird auch von Matea Veselcic, amtierende Präsidentin von Universa, gestützt: «Mit dem Begriff Feminismus wird viel Negatives in Verbindung gebracht.» Im Zusammenhang mit dem Kampf um Frauenrechte denkt ein Grossteil der Menschen an illusorische Forderungen; Bilder von halbnackt protestierenden Frauen schiessen einem durch den Kopf. Dabei geht vergessen, dass sich der Feminismus vielmehr für eine Hinterfragung des Status Quo und Streben nach Chancengleichheit ins Zeug legt. Melissa Engelhardt, Universa-Präsidentin ab kommendem Semester und bekennende Feministin, ergänzt: «Auch Themen wie der mickrige Vaterschaftsurlaub in der Schweiz sind Teil der Feminismus-Diskussion.»
Für Veselcic ist es ein absolutes No-Go, dass eine Mutter, die mit ihren Kindern zu Hause bleiben möchte, verurteilt wird. Ebenso darf eine Frau, die gleichzeitig Mutter und Karrierefrau ist, nicht als Rabenmutter abgestempelt werden. «Man vergisst vollkommen, wie viel Geld es die Schweiz kostet, dass viele gut ausgebildete Frauen aufgrund fehlender Rahmenbedingungen ungewollt zu Hause sitzen und damit Investitionen in das Humankapital verloren gehen», stellt die amtierende Universa-Präsidentin fest. Namentlich fehlen Kita-Plätze und Teilzeit-Führungspositionen. Als Konsequenz werden die Möglichkeiten der «female high potentials» alles andere als ausgeschöpft. Hinter die Effizienz und Entscheidungsbefugnis von allfälligen Teilzeit-Führungskräften und der daraus resultierenden Doppelspurigkeit sei an dieser Stelle jedoch ein Fragezeichen gesetzt.
Die HSG ist – gemäss Statement der Chancengleichheitsstelle – im Bereich Forschung bezüglich Gender und Diversity sehr breit aufgestellt. Zudem gibt es im Kontextstudium ein umfassendes Angebot an unterschiedlichsten Lehrveranstaltungen rund um das Thema Chancengleichheit und Diversity in Organisationen, Gesellschaft und Wirtschaft. Auch Melissa Engelhardt ist der Ansicht, dass die Universität durch die Arbeit vieler Professoren und Institutionen zunehmend fortschrittlicher wird. Den Gleichheits-Schwarmgeistern nimmt sie den Wind dennoch etwas aus den Segeln: «An der HSG ist die Kultur nach wie vor sehr männlich geprägt.»

Frauenquote als Masterplan?

Ende November hat der Bundesrat die Revision des Aktienrechts in die Vernehmlassung geschickt. Darin vorgesehen ist allen voran eine Geschlechterquote für wirtschaftlich bedeutende, börsenkotierte Gesellschaften. Doch kann die gesetzlich erlassene Frauenquote tatsächlich eine zielführende Lösung sein? Engelhardt spricht sich klar für die Etablierung einer Frauenquote aus: «Wenn wir wie bis anhin weitermachen, können wir davon ausgehen, dass wir noch mindestens 100 Jahre brauchen werden, um Gleichstellung zu erreichen. Die einzige Möglichkeit für eine Beschleunigung des Gleichstellungsprozesses ist die Frauenquote.»
Veselcic vertritt hingegen die konträre Meinung. Die Frauenquote führe zu einer Diskriminierung männlicher Bewerber und den Kandidatinnen werde das Gefühl vermittelt, die Stelle aufgrund der Quote und nicht aufgrund ihrer Leistung bekommen zu haben. Man darf gespannt sein, welchen Weg die Schweizer Politik zukünftig wählen wird – hitzige Diskussionen sind so oder so garantiert.
Hin und wieder ertappt sich Matea Veselcic selbst dabei, männlichen Mitstudenten den Vorrang zu lassen. Beispielsweise wenn es darum geht, wer präsentieren soll. «Ich sollte an meinem Selbstvertrauen arbeiten, um den Mut zu finden, mich zu melden», gibt sich die HSG-Studentin selbstkritisch. Mangelndes Selbstvertrauen ist kein seltenes Phänomen: Universa erhält für Veranstaltungen massiv weniger Anmeldungen, wenn der Lebenslauf mitgeschickt werden soll. Demnach befürchten viele Studentinnen, nicht gut genug zu sein und versuchen es aufgrund dessen gar nicht erst.

Kleines Land mit kleiner Quote

Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Credit Suisse hat die Entwicklung des Frauenanteils in Führungspositionen in 78 Schweizer Unternehmen unter die Lupe genommen. Es werden zwar klare Fortschritte konstatiert, jedoch ist der Aufholbedarf beim Frauenanteil in Führungspositionen ungebrochen gross. So ist die Vertretung von Frauen in Verwaltungsräten in der Schweiz seit dem Jahr 2008 zwar um 55 Prozent gestiegen, liegt mit dünnen 13.4 Prozent aber etwas unter dem weltweiten Durchschnitt und im Vergleich zum europäischen Durchschnitt sogar nur etwa auf halbem Niveau. Spitzenreiter in Bezug auf Frauenanteile in Verwaltungsräten sind Norwegen mit 46.7 Prozent und Frankreich mit 34 Prozent.
In Geschäftsleitungen liegt der Frauenanteil in der Schweiz bei 6.7 Prozent und damit deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt von 13.8 Prozent. Der Frauenanteil in CEO-Funktionen ist in der Schweiz mit 3.8 Prozent ähnlich tief wie im internationalen Durchschnitt (3.9 Prozent). In der Schweiz ist der Talent-Pool mit Frauen, die für eine Beförderung im Senior Management in Frage kommen, allerdings deutlich kleiner als im Ausland. Die Konsequenz daraus ist, dass sich der Frauenanteil in Führungspositionen von Schweizer Unternehmen auch mittelfristig nicht verändern wird. Um die Nachwuchs-Pipeline zu stärken, sind demnach griffige Massnahmen gefordert. Das «Königsbienen-Syndrom» besagt, dass Frauen in Führungspositionen mit Nachdruck versuchen, Beförderungen von anderen weiblichen Wesen in die Geschäftsleitung zu verhindern. Die Studie der Credit Suisse kommt zum Schluss, dass das Gegenteil der Fall ist: Weibliche CEOs stellen deutlich mehr Frauen um sich herum ein, als es ihre männlichen Kollegen tun. Möglicherweise ist Hilfe zur Selbsthilfe Teil des Rätsels Lösung.

Bilder: zvg

Der studentische Verein Universa wurde 2005 ins Leben gerufen und zählt heute 150 Mitglieder. Universa ist bestrebt, HSG-Studentinnen möglichst viele Möglichkeiten zur Weiterentwicklung anzubieten. Die Formation eines langfristigen Netzwerks ist zentral. Dabei ist die Leitidee, heute als Kolleginnen und Kommilitoninnen und morgen als potenzielle Arbeitskolleginnen und Geschäftspartnerinnen in Kontakt zu sein und sich auszutauschen. Das Highlight des Vereinsjahres bildet der jährliche Women’s Day. An diesem Tag bieten Unternehmen Workshops für Studentinnen an – Themen wie sicheres Auftreten oder persönliche Stärken stehen auf dem Programm.

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