Der Mann mit der kalten Schnauze

Unterhält man sich mit einem Comedian zum Thema Scheitern, so wechseln sich leichtfüssige Kommentare mit ernsthaften Lebensweisheiten ab. Führt man das Interview mit Zukkihund, wird es mit Tourette-ähnlichen Zwischenrufen aufgemischt.

Ich treffe Rafi Hazera im Azzurro, einem Take-Away und Delikatessen-Laden im Kreis 6 in Zürich. Der 36-Jährige ist der Mann hinter dem Hund: Zukkihunds meist vulgäre Witze entspringen seiner Tastatur. A dato begeistert der freche Husky über 60 000 Menschen auf Facebook – grösstenteils mit überspitzten Grafiken über die Höhen und Tiefen des Alltags.

Der Mann hinter dem Hund

Wie Rafi während des Interviews selbst leicht kokett bemerkte, kann man ja eigentlich alles über den Werdegang einer öffentlichen Figur wie ihn selbst in den Weiten des Internets nachlesen. Um euch die Mühe zu ersparen hier dennoch ein kurzer Überblick: Rafi Hazera ist 1979 in Lugano geboren. Mit drei Jahren zog er dann mit seiner Familie ins urbane Zürich, welches später zum Schauplatz seiner Kunstfigur wird. Eine tiefe Verbundenheit zu seiner Heimatstadt verspürt er jedoch nicht. «Ich habe noch immer einige User, die denken, sie seien da bei einem waschechten Zürcher, der Zürcher für die Allergrössten hält – aber da liegen sie echt falsch», lacht er. Kommentare, welche – ganz im Sinne des von Rafi des öfteren verspotteten Kantönligeistes – Zürichs vermeintliche Überlegenheit und Abschätzigkeit gegenüber anderen Kantonen kund tun, erfahren so nicht selten den Tod durch die Löschtaste.

Mit der Berufsberatung erfuhr er eine Abkehr von seinem Kindheitstraum («Kindheitstraum? Drogen.»), und es wurde ihm schnell klar, dass er Polygraf werden wollte. Bald merkte er jedoch, dass er für einen Beruf, der sich hauptsächlich auf die Druckvorstufe fokussiert, zu kreativ sei. Dieser Überlegung folgend bewarb er sich blind bei einer Kommunikationsagentur, bei welcher er nun seit 14 Jahren tätig und mittlerweile auch Mitinhaber ist. 2014 eröffnete er dann mit seinem Geschäftspartner das Azzurro, das sich im vorderen Bereich der Räumlichkeiten der Agentur befindet und geschmackvoll eingerichtet zum Verweilen und Herumstöbern einlädt.

Die Geburt des Huskys

Rafi war schon in der Schulzeit der Pausenclown und so begann er Inhalte mit Unterhaltungswert zu posten – zuerst nur für seine Freunde, dann für die Öffentlichkeit. Seine kaltschnäuzige Kunstfigur, der Zukkihund, erblickte im Sommer 2011 das Licht der Welt. Der Name ist dabei an den Zürcher Szeneclub «Zukunft» (kurz Zukki) angelehnt, von welchem der erste Post handelte. Und warum genau ein Husky? Entgegen der weitverbreiteten Annahme besitzt Rafi keines dieser Geschöpfe. Der Grund ist von weit utilitaristischerer Natur: Der arktische Hund besitzt schlicht eine extreme Mimik und lässt sich somit leicht in Memes einbauen. «Mit einem Gürteltier wäre es deutlich schwieriger geworden.»

Auch wenn Rafi kein reales Abbild des Zukkihundes besitzt, so scheint es, als begleite ihn dieses Tier dennoch durch sein Leben. So besass seine Ex-Freundin einen Husky, und ein solcher stellt auch das Motiv dreier Gemälde an der Wand im Büro dar, welche eine untermietende Künstlerin ohne Rafis Wissen in den Räumlichkeiten ihrer Kommunikationsagentur aufgehängt hatte. Die verwendeten Bilder stammen also aus dem Internet, wobei seine Fans und Freunde keine Mühe scheuen, ihn auf etwaige Neuaufkommen aufmerksam zu machen: «Sobald irgendwo ein Post mit einem Husky auftaucht, habe ich sofort 20 neue Nachrichten mit dem Bild in meinem Posteingang. Haha ja lol, mega lustig.» Schön brav antworten, wie es sich für einen gut erzogenen Vierbeiner schliesslich gehört, tut er dann allerdings trotzdem.

Ausweitung des Lebensraums

Der Zukkihund ist inzwischen zu einem nicht wegzudenkenden Bestandteil der Zürcher Comedy-Szene geworden. Sein Lebensraum hat sich vom Internet dezentralisiert und auf Print mit eigenem Online-Shop sowie Stand Up Comedy, eine gewissermassen multimediale Darstellung seiner Posts und Texte, ausgeweitet. Der Online-Shop läuft im Übrigen komplett über Rafi: Von der Website, über das Design und den Druck, bis hin zur Verpackung ist alles made by Rafi. «Jedes Weihnachten stehe ich wieder im Keller und packe erst einmal fünf Stunden Bücher ein.» Viel abwerfen tut das Ganze nicht; Rafi ist sich allerdings sicher, dass er bei komplettem Umschwenken auf Comedy davon leben könnte. Doch ob er dies auch will, da ist er sich nicht so sicher.

Kantönligeist und Anonymität

Eine seiner Spezialitäten sind Witze über den eidgenössischen Kantönligeist. Dieses seit Jahrhunderten der Schweizer Identität quasi inhärente Charakteristikum porträtiert er bewusst plakativ und klischeehaft. «Wenn der Rassismus schon bei den Kantonen beginnt, wie soll man da denn erst Konflikte mit Hautfarben ausmerzen!»

Er habe jetzt übrigens damit begonnen auch Leute (DSI-Befürworter) aus seinem Blog auszuschaffen, wenn sie etwas Dummes sagen, damit sie mal merken, wie das ist. «Das ist super! Wäre schön, wenn man das im echten Leben auch so machen könnte.» Seinen Blog auf dem Newsportal watson.ch, wo diese Kantönligeist-Witze hauptsächlich zu finden sind, betreibt er in eigenem Namen. Eine Trennung zwischen dem Brand Zukkihund und seiner Person sei ihm wichtig.

Scheitern

Auf das Thema Scheitern angesprochen antwortet Rafi wie aus dem Kanonenrohr geschossen, dass er einmal mit Stand-up Comedy gescheitert sei. Unwissend dessen, dass das Venue in Zug fast ausschliesslich von Senioren über 50 besucht würde, startete er die Show mit seinen üblichen Facebook-Witzen. Der Saal blieb entsprechend still und auch ein gelegentliches «Penis» konnte wohl nichts mehr ausrichten.

Im Leben als gescheitert betrachtet sich Rafi mit seinem abgebrochenen Publizistik- und Kommunikation-Studium an der UZH – trotz seines freiwilligen Ausstieges nach einem Monat. Auch nicht sofort eine Lehrstelle gefunden zu haben, fällt in diese Kategorie, wobei dies interessanterweise nicht die erste Nennung darstellte, sich aber mit seiner Definition von Scheitern durchaus verein- baren lässt: «Scheitern ist für mich, wenn du es gar nicht erst versuchst – aber auch wenn du es nicht nochmals versuchst, wenn du erst einmal gescheitert bist.» Versucht habe er in seinem Leben so einiges, und bringt mit ernster, resignierter Miene Quittenkonfitüre als Beispiel an.

Auf die letzte Frage, ob der ungehobelte Zukkihund mit seiner Vulgarität nicht auch ein wenig als Ventil für die Frustrationen seines Herrchens fungiere, antwortet Rafi, dass das bis zu einem gewissen Grad sicher so sei. Er legt nach: «Ich bin ja mal gespannt, was du aus dem Scheiss jetzt machst.»

Bilder Luana Rossi


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