«Die Studierenden sind ein Teil dieser Stadt und bestens integriert»

prisma traf sich mit dem St. Galler Stadtpräsidenten Thomas Scheitlin (FDP) zum Gespräch. Der HSG-Alumnus sprach über die Förderung von Jungunternehmern, seine Wünsche für St. Gallen und das Verhältnis zwischen der Stadtbevölkerung und den Studierenden.

Sie sind Stadtpräsident von St. Gallen, Vereinspräsident von STARTFELD und Verwaltungsratspräsident der OLMA Messen St. Gallen. Welches dieser Ämter bedeutet Ihnen am meisten?

Diese Ämter haben natürlich ganz unterschiedliche Schwergewichte. Das wichtigste ist sicherlich mein Hauptberuf, das Stadtpräsidium, welches die Hauptzeit meiner Aktivitäten umfasst. Die unternehmerische Seite wird vom Verwaltungsratspräsidium der OLMA abgedeckt. Mein drittes Standbein, das Präsidium von STARTFELD, nimmt zwar am wenigsten Zeit in Anspruch, ist aber auch von grosser Wichtigkeit.

Schwingt dort am meisten Herzblut mit?

Ja, definitiv. Es ist aber auch eng verbunden mit dem Stadtpräsidium, denn als Stadtpräsident habe ich das Ziel, die Stadt weiterzuentwickeln. Um dies zu realisieren, müssen junge, innovative Unternehmen in der Stadt oder den umliegenden Regionen angesiedelt respektive gehalten werden.

Sehen Sie in einer Unternehmensgründung eine Alternative zum Studium?

Hier habe ich eine klare Meinung: Wenn möglich, sollte eine Ausbildung abgeschlossen werden. Dies schliesst aber nicht aus, dass parallel zu einer Ausbildung ein Unternehmen gegründet werden kann. Die Studierenden der Universität St. Gallen zeigen, dass dies geht.

Sie haben selbst an der Universität St. Gallen studiert. Inwiefern bringt Sie das an der Universität erworbene Wissen in Ihren heutigen Funktionen weiter?

Das wichtigste an der universitären Ausbildung ist das ganzheitliche, systematische und problemorientierte Denken. Man lernt die nötigen Instrumente kennen, um bei Problemen eine systematische Analyse und Aufbereitung durchführen zu können und einen Lösungsansatz zu entwickeln. Das hilft mir heute, nicht nur in engen Korridoren zu denken, sondern auch die Dinge ganzheitlich zu betrachten.

St. Gallen ist eher eine kleine Stadt…

Die achtgrösste Stadt der Schweiz! (lacht)

Sehen Sie die Grösse von St. Gallen als Vorteil oder als Nachteil?

Die Grösse ist zunehmend von Bedeutung. Will man in Bern Themen von nationaler Bedeutung vorantreiben, ist es ein Nachteil, wenn die Stadt klein ist. Eine grosse Stadt wie Zürich hat ein viel grösseres politisches Gewicht als eine mittelgrosse Stadt wie St. Gallen. Es ist wie bei Unternehmen: Der Wettbewerb zwischen den Städten entscheidet sich letztlich auch anhand ihrer Grösse. Wir operieren deshalb sehr oft mit der ganzen Wirtschaftsregion. So sind wir grösser und können besser wahrgenommen werden.

Die Stadt St. Gallen stellt im Vergleich zu vielen anderen Schweizer Städten, wie zum Beispiel Zürich oder Bern, eine bürgerliche und keine rot-grüne Regierung. Was macht die Stadt St. Gallen dadurch besser oder schlechter als andere Städte?

An sich gibt es keine Unterschiede im Sinne von besser oder schlechter. Denn wie überall in der Führung geht es letztlich nicht um politische, sondern um Sachfragen. Will eine Stadt ein Projekt vorantreiben, so hat die Regierung eine Strategie und um diese umzusetzen gibt es Massnahmen. Die Frage, ob bürgerlich oder nicht bürgerlich, ist nicht relevant. Eine rein politische Beurteilung rückt bei den durch die Exekutive zu lösenden Themen oftmals in den Hintergrund.

Was macht die Stadt St. Gallen attraktiv?

Da gibt es drei wesentliche Punkte. Einerseits ist das sicherlich der einmalige Forschungs- und Bildungsstandort. Wir haben eine Universität von Weltruf sowie die Forschungsanstalt EMPA, die ebenfalls von internationaler Bedeutung ist. Einmalig ist auch die Lebensqualität. Man hat in St. Gallen alles, was man von einer Grossstadt erwarten würde: ein Theater, Konzerte, Clubs – wenn auch vielleicht für die Studierenden zu wenige – und mit dem Athletikzentrum eine grosse Sportinfrastruktur. Gleichzeitig ist man innerhalb von zehn Minuten im Grünen um zu wandern, zu joggen oder zum Mountainbiken. Der dritte Punkt sind die attraktiven Arbeitsplätze, welche durch Unternehmen geschaffen werden, die in Nischenbereichen schweiz- oder weltweit führend sind.

Was fehlt der Stadt St. Gallen?

(nachdenklich) Was ich mir für St. Gallen wünsche ist eine noch stärkere, raschere Vernetzung mit anderen Metropolitanräumen. Wenn eine Stadt bedeutsam sein will, muss sie gut erreichbar sein. Die Verbindungen von St. Gallen nach Stuttgart, München und Zürich entsprechen noch nicht dem gewünschten Standard.

Was würden Sie mit einem uneingeschränkten Budget anstellen? Würden Sie also am liebsten die Autobahnen nach Stuttgart, München und Zürich ausbauen?

Nein, ich würde nicht nur Autobahnen bauen, sondern vor allem die ÖV-Verbindungen verbessern. Ich denke, über die Autobahnen sind wir relativ gut erschlossen. Ich wünschte mir jedoch, dass die Engpassbeseitigung im Autobahntunnel St. Gallen zügig realisiert würde. Ebenfalls hätte ich gerne ein paar gute Unternehmungen in St. Gallen.

So wie Google in Zürich?

Genau. Ich würde gerne Unternehmungen wie Google oder Microsoft in St. Gallen ansiedeln.

Wie sehen Sie das Verhältnis von Stadtbevölkerung und Studierenden?

Das Verhältnis hat sich sicherlich verbessert. Ich denke, der Stadtbürger ist sich bewusst, welche Bedeutung die Universität hat und dass dem studentischen Leben in der Stadt ein gewisser Platz eingeräumt werden muss.

Oftmals wird man als «reicher Schnösel» abgestempelt, wenn man Stadtbewohnern erzählt, dass man an der HSG studiert.

Diesen Ruf hatte die Universität schon zu meiner Zeit. Vielleicht ist es noch schwierig, den wegzubringen, doch würde ich sagen, dass er sich klar verbessert hat. Zu meiner Zeit herrschten noch andere Verhältnisse: Es gab Studierende, die hatten «Seeger-Verbot», weil sie einen zu grossen Tumult veranstaltet hatten. Teilweise hat man – bildlich gesprochen – die Läden geschlossen, wenn die Studierenden kamen. Das ist jetzt vorbei.

Oftmals hat man das Gefühl Stadtbevölkerung und Studierende lebten aneinander vorbei. Vermischung gibt es kaum.

Dieses Gefühl habe ich auch. Wenn man mich fragen würde, ob St. Gallen eine Stadt sei, in welcher die Studierenden wahrgenommen werden, müsste ich das klar verneinen. Man nimmt sie nicht wahr, wie beispielsweise in Freiburg, wo es ganze Viertel mit Studentenkneipen gibt. Dies kann natürlich positiv wie auch negativ betrachtet werden. Es liegt wohl aber auch daran, dass der St. Galler Student ein besonderer Typ Studierender ist. Er ist sehr studiumsorientiert, geht weniger in Kneipen und feiert eher in privaten Kreisen. Wenn es an der Universität noch weitere Fakultäten gäbe, wäre dies bestimmt anders.

Sehen Sie Handlungsbedarf für die Integration der Studierenden?

Nein. Für die Integration spricht gerade, dass man sie nicht wahrnimmt. Die Studierenden sind ein Teil dieser Stadt und bestens integriert.


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