«Ehe ich in der Gosse lande, greif’ ich wieder zum Gummihandschuh»

Der Bündner Flo Zilla ist eigentlich Tierarzt. Weshalb er dennoch die Gitarre dem Skalpell vorzieht, was männliche Haarpracht damit zu tun hat und wie die neue Scheibe seiner Band «Tawara Shen Kool» klingt, verrät er im Interview mit prisma.

Eure Band zelebriert ein spezielles, von den 70er-Jahren inspiriertes Männerbild mit Schnauz und Brusthaaren. Ist das Provokation oder neu definierte Männlichkeit?

Ich glaube, ich weiss, worauf du anspielst. Wir sind halt sechs ziemliche Freaks. Eine Zeit lang war ein Schnauz ein Riesen-Gag und wir haben das ausgelebt. Unsere Band kommt immer recht bunt daher, das gehört einfach dazu. Dann treffen wir uns für ein Konzert und sind halt «giggerig» auf den Abend und auf das Leben. Dann kommen zum Teil solch schräge Sachen dabei raus.

Ist die Musikwelt für dich eine Scheinwelt oder ist doch mehr echt, als man manchmal glaubt?

Ich glaube nicht, dass es eine Scheinwelt ist, aber es kommt ein bisschen drauf an. In der Popwelt ist oft viel Schein dabei. Aber es gibt daneben noch so viel Musik, die auch Singing/Songwriting beinhaltet, etwas erzählt und ehrlich rüberkommt.

Ist deine Band‚ Tawara Shen Kool, ein Beispiel dafür?

Ja, dort ist sehr viel Ehrlichkeit drin. Ich meine, ich würde nicht über Liebe singen, wenn ich nicht fähig wäre, mich zu verlieben. Wenn ich über irgendeinen Liebesmoment schreibe, dann habe ich das schon mal erlebt.

Ihr habt vor kurzem euer zweites Album veröffentlicht. Was macht den Sound dieser Platte aus?

Das Album «Yes!» ist die Antwort auf das letzte Album «Doing Fine?». Unsere Musik geht in Richtung Reggae. So geraden Reggae haben wir zwar nie gemacht, aber man muss sich ja irgendwie stilistisch klassifizieren können. Es sind auch Abstecher in Richtung Electro dabei sowie teilweise ruhige Stücke, die eher in Richtung Pop gehen, und Songs, die schon fast Ska sind.

Ich hatte schon befürchtet, der Ska sei tot?

Wäre auch nicht so schlimm, wenn er tot wäre (lacht). Nein, es ist mehr so ein Off-Beat, der halt schnell nach Ska klingt.

Kürzlich habe ich versucht, mit ein paar Leuten gemeinsam ein Bild zu malen. Einer war total von sich überzeugt und gab den Ton an, zwei sassen genervt daneben und den anderen war das Ergebnis egal. Wie muss man sich in der Musik den Prozess einer Albumproduktion vorstellen?

Das war ein Riesenprozess, so ein Album ist nicht leicht zu machen. Vor allem, wenn sechs Charakterköpfe zusammenkommen. Dann braucht es jemanden, der ein wenig sagt, wo es langgeht. In unserem Fall war ich das, da ich die musikalische Basis dazu gebracht habe. Die anderen haben rundherum Teile dazugegeben und schliesslich wurde es zu einem Bild, an dem alle mitgearbeitet haben. Es gibt keine Wunderlösung dafür und wir sind uns auch mal in die Haare geraten. Dann hat man sich wieder getroffen und gesagt: «Hey Leute, jetzt haben wir doch etwas Cooles gemacht. Nehmt das nicht so persönlich.» Ich glaube, dass Musik, wie Malen auch, etwas sehr Emotionales ist, das viel Herzblut verlangt. Sonst sind alle Statisten, und das möchte ja niemand sein.

Ist da manchmal Neid im Spiel, gerade weil du nebenher immer wieder Erfolg als Solokünstler hast?

Neid innerhalb der Band ist, glaub ich, nicht da. Die Band heisst ja nicht Flo Zilla, sondern Tawara Shen Kool. Wenn jemand fehlt, sind wir nicht mehr die Band.

Habt ihr Groupies?

(Lacht). Nein, ich glaube wir sind zu alt dafür. Es gibt einfach Leute, denen die Musik gefällt. Wir sind ja auch nicht im BRAVO. Ich finde, BRAVO-Leute haben Groupies. Irgendwie verstehe ich Leute nicht, die so auf Personen abfahren.

Wann kommt ihr nach St. Gallen?

Wenn ihr uns einladet, kommen wir gerne.

Nun zu deiner Person. Du bist ausgebildeter Tierarzt. Wieso hat es dich in die Musikwelt verschlagen?

Ich machte nebenbei schon immer Musik, es gabe mir viel und ich fand es immer extrem interessant. Kreativität kam in meinem naturwissenschaftlichen Studium sehr selten zum Zug. So hat sich das Gewicht immer mehr Richtung Musik verlagert.

Ist das eher ein Exkurs oder möchtest du langfristig von der Musik leben können?

Die Idee ist schon, langfristig davon leben zu können, aber das ist nicht so wahrscheinlich. Es ist eher ein Traum. Wenn es jedoch nicht geht, merke ich das schon und gehe arbeiten. Bevor ich in der Gosse lande, greife ich wieder zum Gummihandschuh (lacht).

Du hast als Solokünstler den ArgeAlp Musikpreis gewonnen. Denkst du, dass Schweizer Musik in Zukunft gefragter sein wird?

Viele Schweizer erkennen sich in dieser Musik selbst und können sich damit identifizieren. Jedes Land hat Musik, die auf seine Wurzeln bezogen ist, und das ist interessant. In Ländern, die am Meer liegen, gibt es sehr viele Leute, die über das Meer schreiben, und wie schön es dort ist. Das wird in der Schweiz sicher auch passieren. Die Schweizer haben zum Teil etwas Mühe, aber ich glaube das kommt schon.

Letzte Frage: Darf die Kunst alles?

Ja, solange sie nicht rassistisch ist. Wenn man beginnt, Kunst zu zensieren, ist sie nicht mehr ehrlich.


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