Ein Hoch auf den Gripen!

Stimmt die Mehrheit der Bevölkerung zu, fliegen schon bald 22 neue Kampfjets vom Typ «Gripen» über die Alpen. Ein Plädoyer für mehr Sicherheit am Schweizer Himmel.

Die Kantonspolizei Zürich ersetzt jährlich bis zu zehn Prozent ihrer Fahrzeuge. Zumindest für die kommenden zehn Jahre handelt es sich dabei überwiegend um technologisch massiv hochgerüstete BMWs – die jährlichen Anschaffungskosten belaufen sich auf 5.7 Millionen Franken. Entrüstet ist darüber niemand – kaum einer stellt die Frage, ob ein preiswerterer Skoda den Zweck nicht genauso effektiv erfüllen könnte, oder ob ein zuschaltbarer Allradantrieb auf den Zürcher Strassen wirklich notwendig ist – zum Glück! Grund dafür ist wohl in erster Linie, dass wir die Polizei bei der Ausführung ihrer Aufgaben tagtäglich wahrnehmen und ihre Präsenz dazu beiträgt, dass wir uns sicher fühlen. Ganz anders verhält es sich traditionsgemäss mit der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge, obwohl deren Einsatzzweck bei näherer Betrachtung gar nicht weit von jenem der Zürcher BMWs entfernt ist.

Freund und Helfer mit Flügeln und Nachbrenner

Das Prinzip ist uns geläufig: Verkehrskontrollen, Strassensperren, Falschfahrer auf der A1. Die Polizei, dein Freund und Helfer, ist stets zur Stelle und sorgt für Ordnung und Sicherheit auf den Schweizer Strassen. Während man den Strassenverkehr auch wahrnimmt, wenn man selbst nicht Automobilist ist – sei es beim Überqueren des Fussgängerstreifens, aus dem Zugfenster oder  in den Verkehrsnachrichten – ist vielen nicht bewusst, dass auch in der Luft Verkehrsregeln existieren. Diese müssen durchgesetzt werden, um die Souveränität des Luftraumes und die Sicherheit im Luftverkehr zu gewährleisten. Zuständig ist hier naheliegenderweise die Luftpolizei – beziehungsweise die Schweizer Luftwaffe, da nur sie über die für den Luftpolizeidienst nötigen fliegerischen Kompetenzen und Jets verfügt. Jedes Jahr werden durchschnittlich 400 Luftpolizeimissionen geflogen, welche grösstenteils präventiver Natur sind: Analog zu Strassenverkehrskontrollen werden Flugzeuge beobachtet, um die Einhaltung der Flugverkehrsregeln wie beispielsweise die Geschwindigkeit oder die Sinkrate zu überprüfen. In diesem Zusammenhang werden auch Luftfahrzeuge abgefangen und visuell daraufhin überprüft, ob sie den im Flugplan gegebenen Angaben entsprechen. Solche präventive Missionen finden mehrmals wöchentlich statt. Aktive Luftpolizeidienst-Interventionen hingegen sind seltener; sie ereignen sich ungefähr zehnmal im Jahr, zum Beispiel wenn ein ziviles Flugzeug Navigationsprobleme oder eine Funkpanne hat. In solchen Fällen kann ein Militärpilot das Flugzeug abfangen und eskortieren, um ihm den Weg zu weisen und so zu verhindern, dass es mit der Flugroute eines anderen Luftverkehrsteilnehmers kollidiert oder in An- und Abflugkorridore von Flughäfen gerät. Darüber hinaus werden unter anderem Notsignale gepeilt und beispielsweise an die Rega weitergeleitet und Benützungseinschränkungen des Luftraums (wie während des WEFs) durchgesetzt. Interventionen werden auch dann nötig, wenn eine Maschine ohne Bewilligung in den Schweizer Luftraum eindringt oder von ihrem Flugplan abweicht. Wenn die Gefahr besteht, dass die Schweiz aus der Luft angegriffen wird, stellt die Luftwaffe mit den Kampfflugzeugen die Luftverteidigung sicher.

Sicherheit zu Bürozeiten

Rechtsgrundlagen für den Luftpolizeidienst und die Luftverteidigung finden sich sowohl im Völkerrecht wie auch im nationalen Recht auf Gesetzes und Verordnungsstufe. Konkretisiert wird die Aufgabe letztlich in der Verordnung über die Wahrung der Lufthoheit. Aktuell wird der Schweizer Luftraum ständig passiv überwacht – allerdings stehen nur während der sogenannten Bürozeiten und folglich nur an Wochentagen Interventionsmittel zur Verfügung. Für die Erfüllung der Aufgabe zu Bürozeiten genügen die 33 F/A-18 auch ohne die zu ersetzenden F-5 Tiger, welche bei Dunkelheit oder schlechtem Wetter nicht einsatzfähig sind. Die Beschaffung des Gripen wäre in diesem Szenario folglich nicht notwendig. Allerdings ist die aktuelle Verfügbarkeit der Interventionsmittel ungenügend und soll zumindest dahingehend verbessert werden, dass ein Jet ausserhalb der Büro- beziehungsweise Flugzeiten innerhalb von 15 Minuten in der Luft sein könnte. Die Piloten und Kampfflugzeuge müssten also in Bereitschaft stehen. Die Umsetzung dieses Szenarios ist mit den vorhandenen F/A-18 knapp möglich. Sobald sich der Schweizer Luftraum jedoch in einer ausserordentlichen Lage befinden sollte, in welcher permanent Einsatzmittel zur Verfügung stehen müssten, ist die Ergänzung der Flotte durch 22 Gripen das Minimum. In diesem Zusammenhang ist oft von der Durchhaltefähigkeit der Luftwaffe die Rede: Man kann davon ausgehen, dass aufgrund der Flugzeugwartung ohne den Gripen eine permanente Präsenz von Kampfflugzeugen in der Luft maximal zweieinhalb Wochen aufrechterhalten werden kann – mit dem Gripen wären es rund fünf.

Der Gripen vor dem Volk

In der Debatte um die Wahl des Flugzeugtyps für den F-5-Tiger-Teilersatz sah der Gripen im Vergleich zu den Konkurrenztypen Rafale oder Eurofighter teilweise etwas blass aus. Vermutlich deshalb taucht nun immer wieder die Frage auf, ob sich die Schweiz mit dem Gripen nicht ein teures, aber im Ernstfall ungenügendes Spielzeug anschafft – ein gut schweizerischer Kompromiss zwischen Funktionalität und Preis sozusagen. Der Bundesrat betont jedoch, dass ein technisch unbefriedigendes Angebot nicht infrage gekommen wäre – unabhängig vom Preis. Dass dieser dennoch ein triftiges Argument für den Gripen war, ist kein Geheimnis. Gerade die Ausgaben für den neuen Kampfjet sind es ja, gegen welche das Referendum ergriffen wurde. Schliesslich entscheidet das Schweizer Stimmvolk am 18. Mai nicht über die eff ektive Beschaffung des Gripen, sondern nur über die Finanzierung von dessen Beschaffung – das Gripen-Fonds-Gesetz. Dieses sieht vor, dass die Armee ab 2014 während zehn Jahren durchschnittlich knapp 300 Millionen Franken pro Jahr in einen Fonds einbezahlt, aus welchem die 22 Kampfflugzeuge finanziert werden. Das einbezahlte Geld stammt aus dem ordentlichen Armeebudget – die 3.126 Milliarden Franken sind in diesem Sinne also keine zusätzlichen Mittel für die Armee. Was bei dem hohen Investitionsbetrag etwas in den Hintergrund rückt, ist der volkswirtschaftliche Nutzen, den die Schweiz aus dem Gripen ziehen kann: Sowohl Saab als auch Lenkwaffenproduzenten verpflichten sich vertraglich zu Gegengeschäften mit Schweizer Unternehmen in der Höhe von rund 2.5 Milliarden Franken. Begünstigt sind in erster Linie die armasuisse und die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Einzige Voraussetzung für die Vergabe der Aufträge sind wettbewerbsfähige Offerten der Schweizer Unternehmen.

Ob man die Beschaff ung des Gripen für notwendig hält, ist wohl stark davon abhängig, wie man der Schweizer Armee grundsätzlich gegenübersteht. Es lohnt sich jedoch, die Flugzeugbeschaff ung nicht ausschliesslich aus der Verteidigungsperspektive zu bewerten, sondern ab und zu in den Himmel zu schauen um sich bewusst zu werden, was eigentlich für ein Verkehrschaos über unseren Köpfen herrscht. Dann wird auch klar, dass wir die Luftwaffe und die neuen Gripen brauchen.

Am 18. Mai stimmen wir über das Gripen-Fondsgesetz ab. Ein Plädoyer gegen die Beschaffung findest du hier.


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