Ein öffentliches Rauchverbot eine moralische Verpflichtung

Die Ethik klärt die Legitimität konkurrierender Ansprüche, wie zum Beispiel die der Nichtraucher gegen jene der Raucher. Im Folgenden werden die häufigsten Argumente der Raucher aufgegriffen und auf ihre normativen Grundlagen untersucht.

Zwei Drittel der Bevölkerung rauchen nicht und müssen sich trotzdem vom Rauch des anderen Drittels vergiften lassen. Dennoch haben die Raucherinnen und Raucher die Frechheit, sich zu rechtfertigen. Ob ihre Ansprüche zu respektieren sind, versucht dieser Text herauszufinden.

«Mit meiner Gesundheit kann ich machen, was ich will»

Mit diesem Argument verweisen die Raucherinnen und Raucher auf ihre Freiheit als Individuen. Ein Rauchverbot würde ihre Freiheit in unzulässiger Weise einschränken. Die liberale Tradition der Schweiz würde damit verletzt, was einen Rückschritt für die Bürgerrechte im Allgemeinen bedeutet; immer mehr Gesetze, immer weniger Freiheiten. Wer diese Argumente vorbringt, vergisst, dass jeder Raucher Externalitäten produziert. Deren Schädlichkeit ist wissenschaftlich klar erwiesen. Damit untergräbt ein Rauchverbot nicht die Freiheit der Raucher. Das Gegenteil ist der Fall. Kein Rauchverbot verstösst gegen die Freiheitsrechte der Nichtraucher. Ihre Freiheit, sich überall zu bewegen, in Restaurants, Zügen oder öffentlichen Räumen, ohne gesundheitliche Schäden zu befürchten, wird beeinträchtigt. Das Recht auf Gesundheit ist höher zu bewerten als das Recht der Raucher zu rauchen, wo und wann sie möchten. Sich selbst zu schädigen, ist grundsätzlich in Ordnung, wo aber andere unfreiwillig mit betroffen sind, sind die Ansprüche des Rauchers nicht legitim.

«Ein Rauchverbot ist unwirtschaftlich»

Diese zynische Begründung ist nun wirklich kein ethisches Argument. Es handelt sich hier um Ökonomismus: Das Prinzip Markt wird zum Moralprinzip überhöht. Anders gesagt: Alles, was sich rechnet, ist auch moralisch richtig. Das grosse Problem: Aus wirtschaftlicher Sicht gibt es vieles, was Rendite bringt, aber nicht wünschenswert ist. Ein Beispiel wäre Sklavenarbeit. Damit lassen sich Traumrenditen erwirtschaften. Ist sie deshalb gut? Nein. Wenn niemand aus ethischer Einsicht handelt, sondern nur Eigeninteressen verfolgt, entscheidet die Macht darüber, was durchgesetzt wird. Damit wären wir in einer Welt des Rechts des Stärkeren angelangt. Das Argument der Wirtschaftlichkeit taugt nicht zur Bewertung konkurrierender Ansprüche. Die Frage nach der Nutzen-Lasten-Verteilung bleibt offen. Die Lasten tragen unfreiwilligerweise die Passivraucher, die «Gewinner» sind (angeblich) die Wirte und natürlich die Tabakkonzerne. Deren Tabaksteuern dienen nicht wirklich als Ausgleich, auch wenn sie der AHV zugute kommen. Alle, auch Raucher, erhalten die AHV (und es ist nicht mal sicher wie lange). Überhaupt geht es gar nicht um ein generelles Rauchverbot. Auf der Strasse und zuhause darf noch immer geraucht werden. Das heisst, dass der Konsum nicht unbedingt eingeschränkt wird. Die Umsätze sollten, in Anbetracht der hohen Elastizität des Tabakkonsums, stabil bleiben. Es bleibt zweifelhaft, ob die Raucherinnen und Raucher wegen des Rauchverbots den Restaurants und Bars fernbleiben werden. Sie werden auch weiterhin in den Ausgang gehen wollen.

«Auf die Raucher muss im Rahmen des Minderheitenschutzes Rücksicht genommen werden»

Dieses Argument ähnelt dem ersten. Hier fordern die Raucher aber Solidarität von den Nichtrauchern. Es soll sich hier also um ein Problem der Gerechtigkeit handeln, die nach Kant «verdienstlichen Pflichten». Auch hier stellt sich das Problem, dass das Verhalten der Raucher nicht nur für sie selbst, sondern auch für die Menschen rundherum schädlich ist. Damit ist wiederum genau das Gegenteil der Fall: Die Nichtraucher verdienen die Solidarität der Raucher. Es ist nun wirklich ein kleines Übel, eine Zigarette draussen vor der Tür zu rauchen. Jeder Raucher muss begreifen, dass die Nichtraucher Wert auf ihre Gesundheit legen. Dieser Anspruch ist von den Rauchern zu respektieren. Den Schlaumeiern, die behaupten, dass das Leben an sich schon schädlich sei, wodurch das Rauchen kaum mehr ins Gewicht falle, sei Folgendes gesagt: Die Sterblichkeit von Rauchern und sogar deren Nachkommen ist um ein Vielfaches höher als die der Nichtraucher. Das wird wohl kaum an deren Handy oder an Wasseradern im Haus liegen!

«Ein öffentliches Rauchverbot führt dazu, dass nur noch mehr geraucht wird …

womit es genau das Gegenteil dessen bewirkt, was es erreichen will.» Dieser Einwand gehört eigentlich gar nicht zum Thema. Das öffentliche Rauchverbot dient einzig dem Schutz vor Passivrauchen. Präventiv wirkt diese Massnahme nur zweitrangig. Um die Zahl der neuen Raucher zu verringern, sind Präventionskampagnen viel effektiver. Es dürfte kaum einen Nichtraucher interessieren, wie viel ein Tabakkonsument bei sich zuhause raucht. Solange niemand ungewollt mitrauchen muss, kann jeder Raucher problemlos seinen Konsum auf eine Stange pro Tag erhöhen. Die Frage ist nicht wie viel, sondern wo.

«Der Markt wird das Problem regeln»

Vor allem in der Politik wird dieses Argument öfters verwendet. Franz Jäger behauptet gerne, Politiker hätten keine Ahnung von Ökonomie. Dieses Beispiel bildet keine Ausnahme. Beim Rauchen handelt es sich um eine klassische «Externalität». Der Markt versagt, weil die Betroffenen keine Entschädigung für die Kosten erhalten, die bei ihnen verursacht werden. Die Gastronomiebranche kommt dem so genannten «perfekten Markt» vergleichsweise nah. Trotzdem gibt es kaum Fortschritte mit rauchfreien Restaurants. Bis jetzt zeichnet sich das Muster ab, dass nur noble Restaurants rauchfrei sind. Haben Leute mit bescheideneren finanziellen Möglichkeiten, die darum ins Dorfbeizli gehen, kein Recht auf den Schutz ihrer Gesundheit? Überhaupt: Dieselben Leute, die sich darüber beschweren, dass der Markt in der Gastronomie zu stark tobt, berufen sich auf denselben, um sich in der Rauchdebatte aus der Affäre zu ziehen. Dieses Verhalten ist Opportunismus par excellence. Die Restaurants sollten über die Qualität ihrer Speisen und ihre Ambiance miteinander konkurrieren und nicht mit dem Angebot an Rauchermöglichkeiten. Um in diesem Leistungswettbewerb gleich lange Spiesse zu schaffen, braucht es ein Rauchverbot. Es wartet ein Kundenpotenzial von 70% Nichtrauchern in der Bevölkerung.

Es bleibt ein weiteres Argument: «Irgendwann sterben wir alle.» Dieses kann nicht wirklich ernst genommen werden, da es reine Polemik ist. Es ist, innerhalb der Gesetze, die freie Entscheidung jedes Einzelnen, wie er leben (und sterben) möchte. Wieder vergisst der Raucher, dass er andere gegen deren Willen mit seiner Sucht beeinträchtigt. Was dann noch bleibt, ist gehässiges Abstreiten und der Versuch, auf vermeintlich «wichtigere» Probleme auszuweichen. Dass dieses Argument völlig haltlos ist, muss nicht näher erörtert werden. Es ist manchmal erstaunlich, wie wenig sich die Raucher bewusst sind, dass sie alle um sich herum gefährden. Das sollte sich ändern. Da dieses Bewusstsein aber schon im Ansatz fehlt, braucht es, mangels Rücksichtnahme der Raucher, ein Gesetz. Wir haben gesehen, dass die Ansprüche der Raucher illegitim sind. Diesem Gesetz ist darum nicht entgegenzutreten. Nur dadurch werden die Sachzwänge beseitigt, die bisher ein freiwilliges Rauchverbot verhindert haben. Wirte, die selbst ein Rauchverbot erlassen wollen, um z.B. ihr Personal zu schützen, sollten keine wirtschaftlichen Nachteile fürchten müssen. Ich mache mir natürlich keine Illusionen, irgendwen mit meinen Argumenten zu beeindrucken. Denn rauchen tut man nachgewiesenermassen nicht aus rationalen Gründen. Trotzdem hoffe ich an der HSG der Homines oeconomici die Leser mit nüchternen Argumenten zu erreichen. Wenn ihr das nächste Mal eure Sucht auf der populären wirtschaftlichen Schiene rechtfertigt, liebe Raucherinnen und Raucher, denkt mal darüber nach. Der Homo oeconomicus würde bestimmt nicht rauchen.


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