Eine Handbreit vom Abgrund

Universitäten sind sich des Problems korrekten Handelns in Organisationen bewusst. Wie kann es unter der Führung bestens ausgebildeter Lenker trotzdem zu Korruption und Skandalen kommen?

Get rich or die tryinʼ» stand in krakeligem Gold auf dem Tempo-30-Schild an der Dufourstrasse. Vor ein paar Wochen entdeckte man den Tag um die Uni, schnell war er wieder beseitigt. Welches Bild hat die Öffentlichkeit vom HSGler? Das Narrativ, die Universität sei eine Brutstätte der Amoralischen, hatte im Jahr 2011 sogar zu einem «Anschlag» mit einer Bombenat- trappe geführt. Von innen betrachtet stellt sich das Thema anders dar: Die ECTS vom CSR-Seminar stehen schon im Transkript, eine Nachhaltigkeits- folie hat sich noch in jedes Skript verirrt. Das Kontextstudium zwingt uns zum Blick über den Tellerrand. Die Uni bemüht sich redlich, uns anständiges Handeln nahezulegen. Auch das Vereinsleben soll Zeichen dafür sein, dass eine korrupte Monokultur hier keinen Platz hat. Und doch menetekelt es: «Happiness is expensive».

FIFA- und VW-Skandale beweisen, wie schnell in Organisationen moralisches Fehlverhalten auftritt. Die Reaktionen der Verantwortlichen zeigen, wie frei von Gewissen sie sind, wie skrupellos. «Gut, das war nicht so ganz legal, aber es hatte doch einen Sinn und guten Zweck!» Seit Jahren warnen Wirtschaftsethiker vor dem Phänomen, dass selbstempfunden rechtschaffene Bürger in einen Sumpf marschieren, ohne es zu merken.

Rote Linien überschreiten

«Richtiges» Handeln geschieht oft nur eine Handbreit vom moralischen Abgrund entfernt. In Verhandlungen und im Austausch kleiner Gefälligkeiten verschiebt sich die geteilte Realität in kleinsten Schritten immer weiter in den Graubereich. Plötzlich merkt man: Schon lange ist die rote Linie überschritten und man selbstuntreu gegenüber dem Firmenethos oder der Gesellschaft.

Kritische Distanz

Die Forschung zeigt, wie ganze Organisationen eine Kultur der Korruption entwickeln. Am Anfang steht eine klar falsche Entscheidung, die aber aufgrund von äusserem Druck oder Hierarchien akzeptiert wird und sich einnistet. Schnell kann Kostendruck ein Klima schaffen, in dem der Einbau minderwertiger Teile als Ausrutscher mitgetragen wird.

Sofort beginnt die ganze Abteilung, an der Rationalisierung des Tuns zu arbeiten: «Wir retten Arbeits- plätze, es ist nur für den Übergang.» Das System verselbstständigt sich in dem Moment, in dem die Verschwörer eine Geschichte erfinden müssen, um neue Mitarbeiter einzubinden. Ist diese Sozialisierung zur Korruption perfektioniert, reproduziert sich das Fehlverhalten immer weiter und ist von nun an in die Organisation eingraviert.

Wappnen kann uns die Uni für diese Gefahren nur bedingt. Als Alumni droht uns, Teil einer bestimmten sozialen Blase zu werden, zu ähnliche Standpunkte zu teilen und somit für manches blind zu werden. Als Schutz davor, mit reinem Gewissen gewissenlos zu handeln, bleibt nur, stets eine kritische Distanz zu den Mythen der Organisationen zu halten und die eigene Verantwortlichkeit zu reflektieren. Happiness is expensive, if your integrity dies tryinʼ.


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