«Ethisches Verhalten zeichnet den erfolgreichen Unternehmer aus»

Urs Jäger ist seit 2008 Beirat des Vorstands «Campus» der Studentenschaft. Der Privatdozent für BWL berät die Ressortführung umfassend.

Sie haben einen imposanten Werdegang mit vielseitigen Beratungstätigkeiten, interessanter Berufserfahrung und einer Vielzahl von Publikationen. Wo sollen wir Sie einordnen, was ist Ihr grosses Thema?
Was mich treibt, ist unternehmerisches Handeln in der «civil society». Es beschäftigt sich mit dem Management von Unternehmen, soweit es um soziale Beiträge für die Gesellschaft geht, und es dreht sich um Führungsfragen von NPO. Zwischen Markt und Staat lokalisiert, ist unternehmerisches Handeln in der «civil society» ein hybrides Phänomen. Es geht um das Handeln in seiner ganzen Komplexität, Vielschichtigkeit, Dynamik und – letztendlich – Unergründlichkeit. Mir geht es deshalb um eine spezifische Handlungstheorie des Unternehmers in der «civil society». Denjenigen, die soziale Komplexität ernst nehmen möchten, sollen Handlungstheorien als Orientierung angeboten werden.

Einer Ihrer Schwerpunkte ist die Wirtschaftsethik. Ethik ist in aller Munde, die wirtschaftliche Realität sieht aber anders aus. Ist das ganze Ethik-Gerede nur Rhetorik?
Wirtschaftsethik ist weder Gerede noch Rhetorik, die sich von der wirtschaftlichen Realität unterscheidet. Es ist ein Begründungszwang des eigenen Tuns im Hinblick auf gute Gründe. Wo die Begründung und der Dialog durch kollektive Glaubensbekenntnisse, Tabus oder unausgesprochene Erlebnisse verhindert werden, wird es für die Funktionsweise eines Unternehmens und einer Gesellschaft gefährlich.

Wie lautet die Formel, Ökonomie und Moral systemisch miteinander zu verknüpfen?
Drei Entscheidungsarten von «Verknüpfungen» lassen sich unterscheiden: Erstens, strategische Entscheidungen: Hier geht es um die Identifikation von «social issues», aus denen man ein Geschäft machen kann. Dazu gehört, dass man entsprechende Orte und Aktivitäten findet bzw. gestaltet. Zweitens, auflösbare ethische Dilemmata: Mir fällt auf, dass viele von Dilemmata derart geschockt sind, dass sie gar nicht mehr nach Alternativen suchen können. Drittens, ethische Dilemmata, die unauflösbar sind: Es geht also nicht mehr um die Frage, ob man jemandem Schaden zufügt. Man tut es in jedem Fall. Die Frage ist bloss, ob man den Schaden ethisch vertretbar verursacht. Das hat viel mit «fordern und fördern» zu tun. Wenn beispielsweise jemand entlassen wird, so wird er gefordert. Man kann ihn aber auch im Prozess der Stellensuche fördern. Genau hier zeigt es sich, ob jemand trotz schädigendem Verhalten verantwortungsbewusst agiert oder nicht.

Welche Chancen haben Non-Profit-Unternehmen, z. B. Ethikbanken? Welche Opportunitätskosten hat ethisches Verhalten?
Wer sich ethischem Geschäftsgebaren verpflichtet, dem entstehen Opportunitätskosten für entgangene kurzfristige Gewinne. Das ist nicht schlecht. Im Gegenteil, das ist meines Erachtens das, was im Markt und in der «civil society» erfolgreiche Unternehmer von weniger erfolgreichen unterscheidet. Genau darin kann man von Non-Profit-Unternehmen lernen. Aufgrund ihrer sozialen Mission sind sie auf langfristige Zielsetzungen ausgerichtet. Trotzdem müssen sie gleichzeitig mehrere Ziele verfolgen, wobei finanzielle Ziele genauso wichtig sind wie ihre Reputation. Erfolgreiche Non-Profit-Unternehmer müssen fähig sein, zwischen teilweise widersprüchlichen Zielen zu balancieren. Je wichtiger «corporate social responsibility» für Profit-Unternehmer wird, desto mehr müssen auch sie die Balance zwischen verschiedenen Zielen halten. Wie das funktioniert, können sie von Non-Profit-Unternehmern lernen.

Mehr Ethik braucht mehr Staat, zu viel Staat wollen wir aber nicht gern. Gibt es andere Wege?
Der dritte Mitspieler zwischen Staat und Markt ist die «civil society». Es gibt zwei Theorien, welche deren Existenz begründen. Die eine These geht davon aus, dass ein Versagen des Staats korrigiert werden muss, und die Marktsversagens-These bezieht sich im selben Sinn auf den Markt. In der «civil society» steckt aber über die Korrekturfunktion hinaus eine gestalterische und innovative Kraft. Bernard Degen, ein Basler Historiker, konnte diesen innovativen Charakter der «civil society» für die Schweiz darstellen. Derzeit werden vergleichbare Thesen auch im Hinblick auf International Affairs diskutiert, z.B ob NGOs eine kulturelle Annäherung der verschiedenen Zivilisationen fördern.

Und zum Schluss die Frage: Was rufen Sie den Studenten zu, damit sie viel richtig und wenig falsch machen?
Es geht darum, dass die Studierenden den beruflichen Lebensweg finden, der zu ihrer Persönlichkeit passt. Das Studium ist eine Zeit des «trial and error». Testen Sie sich aus. Wenn Sie von sich glauben, sie seien sozial orientiert, gehen Sie in Kreise, die sich voll und ganz als gewinn- und karriereorientiert verstehen. Das gilt natürlich auch für den umgekehrten Fall. Lassen Sie sich irritieren. Nutzen Sie die Zeit, um Ihre persönlichen Stärken zu entdecken, und suchen Sie nach Möglichkeiten, diese auszuleben.


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