Grünes Blut

Das Studium an der HSG bringt neue Bekanntschaften und verbindet. Manchmal sogar so stark, dass daraus eine Beziehung und eine Familie entsteht.

Das Studium an der Universität St. Gallen hinterlässt wohl Spuren in jedem von uns. Das kompetitive Umfeld, die Fokussierung der Uni auf die wenigen Studiengänge, das Vereinsleben, die Freundschaften, die (fast) allen bekannten schlaflosen Nächte vor den ersten Assessment-Prüfungen: All dies und noch mehr verbindet uns, macht uns zu HSGlern – nach der Graduation fliessen im übertragenen Sinne in den Adern jedes Alumnus ein paar Tropfen grünes HSG-Blut. Was geschieht, wenn zwei HSGler zusammenfinden, schluss-endlich heiraten und eine Familie gründen? Kann man zwei HSG-Alumni-Karrieren in einer Familie unterbringen? Wird es den Nachwuchs auch an die HSG ziehen? Und worin manifestiert sich denn nun dieses «grüne Blut»? Mit dem Ziel, Antworten auf diese Fragen zu finden, sprachen wir mit den Familien Lengwiler und Burkard-Frick.

Famile Lengwiler

Brigitte und Yvan Lengwiler begrüssen uns freundlich in ihrem schön renovierten Stadthaus im Zentrum Basels nahe des Bahnhofs. Kaum haben wir im hellen und modernen Wohnzimmer Platz genommen, überreichen sie uns das Jahrbuch des HSG-Jahrgangs 1988 – «ein historisches Dokument!», lachen sie. Aus den Seiten des Jahrbuchs schauen uns Passfotos von HSG-Absolventen entgegen, nach Studienrichtung unterteilt. Auf den Seiten der VWLer finden wir dann auch unser Paar.

«Mir war schon vor der Matura klar, dass ich VWL studieren wollte. Ausserdem wollte ich von Zuhause in Zürich ausziehen», meint sie, während er sich noch bewusster für die HSG entschieden hatte, aufgrund des guten Rufs der Uni für Wirtschaftsstudiengänge. Während des Gesprächs stellt sich heraus, dass das Leben als HSG-Studierende vor 25 Jahren nicht so viel anders war als heute: Man lebte in WGs, feierte Partys, lernte. Es gab aber weniger Studierende – und eine noch kleinere Frauenquote, als wir sie heute kennen. Brigitte erklärt uns verschmitzt, dass sie das eher als Vorteil empfand – «die Leute kannten einen, man wurde sehr oft auf Partys eingeladen.»

«Wir sassen immer öfter in der Vorlesung nebeneinander»

In der Volkswirtschaftsklasse, die ohnehin nicht sehr gross war, fielen die wenigen Frauen noch mehr auf. Yvan und Brigitte lernten sich im Hauptstudium der Studienrichtung VWL kennen. «Wir sassen dann oft in der Vorlesung nebeneinander.» Aus oft wurde öfter und ein HSG-Pärchen entstand. Aus der Vorlesungsromanze wurde eine Beziehung, daraus eine Hochzeit und eine bis heute fast zwanzig Jahre andauernde Ehe. 1994 und 1997 machten zwei Söhne die HSG-Familie komplett. Ob diese allerdings später einmal in die Fussstapfen der Eltern in St. Gallen treten werden, ist ungewiss – «Also der Ältere sicher nicht, er interessiert sich eher für die Naturwissenschaften. Aber vielleicht der Jüngere, wer weiss.»

Internationale Karrieren und kleine Kompromisse

Auf die Frage, was ihm sein Studium an der HSG gebracht habe, antwortet Yvan sogleich neckisch: «Meine Frau, natürlich!» Doch selbstverständlich war das Studium für das Ehepaar auch der Anfang ihrer beiden Karrieren. Brigitte machte noch während des Studiums ein Praktikum bei der Schweizer Nationalbank und arbeitete nach dem Abschluss an der HSG bei der Credit Suisse. Dort war sie die ersten Jahre im Research tätig und nach der Geburt des ersten Kindes für interne Weiterbildungskurse in Volkswirtschaftslehre zuständig. Yvan zog es auch zur SNB – nach dem Doktorat arbeitete er dort in der Forschungsabteilung. «Ich wurde dann auch mal an die FED ausgeliehen», erzählt er. Ehepaar Lengwiler zog dafür also mit Sack und Pack nach Washington, D.C., für ein Jahr. Brigitte nutzte die Gelegenheit, an einer amerikanischen Uni einen Finance-Kurs zu belegen. Heute arbeitet sie in der Finanzverwaltung des Kantons Zürich; Yvan ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Basel. «Ich mag die Arbeit dort – man hat keinen Chef!», schmunzelt er. Familie Lengwiler wohnt jetzt in Basel, Brigitte pendelt zur Arbeit. Das sei aber erst seit Kurzem so – «vorher ist Yvan von Zürich nach Basel gependelt.» Ein Kompromiss, der offenbar vortrefflich funktioniert.

Jemand, der studiert hat, muss nachher auch arbeiten

Kann man denn zwei solche Karrieren mit Familienleben und zwei Kindern unter einen Hut bringen? Darauf antworten beide mit einem nachdrücklichen «Ja». Es sei nie zur Debatte gestanden, dass einer der beiden wegen der Kinder nicht mehr arbeiten würde oder für die Familie die Karriere aufgeben müsste. Laut dem HSG-Ehepaar ist das sogar der Grund, weshalb sie heute noch glücklich verheiratet sind. «Wenn nur einer arbeitet und der andere zu Hause rumsitzt, hat man sich irgendwann nichts mehr zu sagen», ist Yvan überzeugt. Ausserdem werden Kinder irgendwann erwachsen – «da fällt man doch in ein Loch als Mutter, wenn man nicht mehr gebraucht wird und nicht arbeiten kann», fügt Brigitte hinzu. Sie habe es auf dem Arbeitsmarkt auch nicht als Nachteil empfunden, oft nur Teilzeit arbeiten zu können. Wenn man der beste Bewerber für eine Stelle sei, käme einem der Arbeitgeber hinsichtlich Arbeitspensum schon entgegen. Schwierig wäre es aber wohl, hätte sie längere Zeit ausgesetzt und müsste nun den Wiedereinstieg in die Berufswelt versuchen. «Technologische Entwicklungen beispielsweise gehen an einem vorbei, wenn man nicht arbeitet. Ausserdem bilden sich die intellektuellen Fähigkeiten zurück, wenn man die- se nicht mehr täglich bei der Arbeit benutzt», ist Brigitte überzeugt, und Yvan doppelt nach: «Jemand, der studiert hat, muss doch nachher auch arbeiten. Alles andere ist eine volkswirtschaftliche Verschwendung sondergleichen!» Er appelliert damit auch an die heutigen Studierenden. Es sei möglich, alles unter einen Hut zu bringen – mit guter Organisation.

Familie Burkard-Frick

In der liechtensteinischen Botschaft, die sich im wunderschönen Botschaftsviertel Berns befindet, empfangen uns Doris Frick und Pascal Burkard mit ihren beiden Kindern Elias und Livia. Seit 20 Jahren arbeitet Doris nun schon für das Land Liechtenstein. «Meine Dissertation schrieb ich zum Thema EWR. Gerade als ich damit fertig war, wurde eine Stelle im Amt für Auswärtige Angelegenheiten in Vaduz zu diesem Bereich ausgeschrieben und seither arbeite ich in der Diplomatie.» Ihr Studium an der HSG war eigentlich als Übergangslösung konzipiert. Sie wollte die Hotelfachschule in Lausanne absolvieren, die Wartefrist betrug aber acht Jahre. Als Zwischenstation begann sie dann ein Studium in St. Gallen, mit dem Ziel, Tourismus zu studieren. Bereits nach dem Grundstudium merkte sie aber, dass dies nicht das Richtige für sie war, und entschied sich für die Studienrichtung Volkswirtschaft. Für Pascal war immer klar, dass er zwar in der Privatwirtschaft arbeiten, aber nicht BWL studieren wollte – da bot sich VWL an. So haben sich die beiden denn auch kennengelernt: «Ab 1986 studierten wir zusammen, wir sind ja beide Volkswirte. Da bildete sich eine Clique von sieben bis acht Leuten, man lernt sich näher kennen, wie das halt passiert.»

«Wir haben uns die Arbeit immer aufgeteilt»

Während Doris ihre berufliche Basis in Bern hat, arbeitet Pascal in Siders (VS) und pendelt vier Mal die Woche. Trotz ihrer zwei Kinder hat Doris, abgesehen vom Mutterschaftsurlaub, immer mindestens 70 Prozent gearbeitet, ebenso Pascal: «Wir haben uns die Arbeit immer aufgeteilt. Es ist kein fauler Kompromiss, da wir beide in einem Bereich arbeiten, der uns interessiert, auch wenn es manchmal stressig war und ist.» Natürlich ist es als arbeitendes Elternpaar und speziell als arbeitende Mutter nicht immer einfach, insbesondere wenn man wie die Burkard-Fricks in einer ländlichen Gegend lebt, die Tagesmüttern und Kinderhorts kritisch gegenübersteht: «Die damalige Kindergärtnerin von Elias hat dann auch überrascht gemeint, er sei gut herausgekommen – obwohl ich berufstätig war.»

Studentenleben als Highlight

Das Studium an unserer Alma Mater haben beide in positiver Erinnerung. «Ich glaube, egal wo und was man studiert – das Studentenleben ist immer ein Highlight und eine Erfahrung, die man so nur einmal macht», meint Pascal. Zudem bietet der Standort St. Gallen natürlich eine sehr hohe Lebensqualität. «Wir haben beide immer in WGs gewohnt und haben die Zeit damals sehr genossen.» Noch heute treffen sie sich mit ihrer damaligen Clique einmal im Jahr zu einem Wanderevent und feiern gemeinsam Weihnachten. «Obwohl wir nur sieben bis acht Ehemalige sind, waren wir letztes Jahr an Weihnachten dreissig Leute – da kommen dann die Partner, Kinder», sagt Doris. Neben diesem «engen» Kreis profitieren beide auch heute noch immer wieder von dem HSG-Netzwerk. «Ich begegne öfters ehemaligen Kommilitonen oder kann auf jemanden zurückgreifen, wenn ich bei einer Frage anstehe», hebt insbesondere Doris hervor, «das Netzwerk, das sich während des Studiums aufbaut, ist nicht zu unterschätzen».

Nicht nur positives Feedback

Auch Doris Schwester und mehrere Neffen und Nichten von beiden studierten und studieren an der HSG. Sofern ihre Kinder auch einmal in die grünen Fussstapfen ihrer Eltern treten wollen, würden sie dies begrüssen. Auch wenn insbesondere Pascal nicht nur positive Rückmeldungen erhält: «Vor allem im gewerblichen Bereich und im Umfeld von KMUs hört man immer wieder, dass die HSG, besonders geistig, weit von der Praxis entfernt sei. Den HSGlern wird oftmals unterstellt, nur ein Lösungsschema zur Hand zu haben und dieses für jedes Problem durchzuspielen.» Speziell auch bei Kontakt mit St. Gallern, die nicht an der HSG studiert haben, spüre man eine gewisse Abneigung gegenüber der Kaderschmiede auf dem Berg.

Den Studierenden von heute rät vor allem Pascal, sich gute Freunde zu suchen, denn diese wird man ein Leben lang behalten. Ausserdem ist man mit einem Studium an der HSG nicht an fixe Karrierewege gebunden, man soll das studieren, was einem Freude macht. «Dem hab ich nichts mehr hinzuzufügen», lacht Doris.

Doch was macht es nun aus, dieses «grüne Blut»? Sowohl die Lengwilers als auch die Burkard-Fricks strichen während des Gespräches heraus, dass man an der HSG neben dem Fachwissen insbesondere auch lernt, wie man sich organisiert und wie man mit komplexen, stressigen Situationen umgeht. Ganz offensichtlich besitzen beide Familien diese Fähigkeiten und schaffen es, ein schönes, funktionierendes Familienleben mit hochkarätigen Karrieren zu verbinden. Bemerkenswert.


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