Hinter dera Maska isches dunkel

Der Rapper und Buchautor Gimma über seine Vergangenheit, deren literarische Aufarbeitung und die Angst vor dem Tod.

Obwohl es an der Uni immer wieder heisst, man solle Wikipedia nicht als Quelle verwenden, hat sich prisma als Vorbereitung für dieses Interview vor allem auf Wikipedia schlau gemacht. Gian-Marco Schmid alias Gimma – ein Fünfundreissigjähriger mit vielen unverarbeiteten Komplexen, so schien aus dem Artikel hervorzugehen. In der Beer Box in Chur sass dann aber ein ganz anderer Gimma. Völlig natürlich und bodenständig sagt er: «Am Anfang freut man sich darüber, dass man überhaupt einen eigenen Artikel in Wikipedia hat, doch über die Jahre werden die Fehlangaben einfach nur mühsam.» Er habe den Eintrag auch etliche Male korrigiert, doch sei es so, dass Wikipedia diese Überarbeitungen nicht annehme, und das obwohl nicht einmal die Jahresangaben der Alben stimmten. Zum Glück hatte prisma nun die Gelegenheit, Gimma zu interviewen und die Tatsachen unverfälscht weiterzugeben.

Vor dem Nichts gestanden, alles erreicht

«Gleichzeitig total ernüchternd und trotzdem befreiend», beschreibt Gimma das Gefühl, vor dem Nichts zu stehen. Gewiss hatte er es verglichen zu anderen nie leicht: Missbrauch durch Vertreter der Kirche, Aufenthalte in der psychiatrischen Klinik und die Trennung seiner Eltern. Trotzdem schaut er heute zurück und sagt: «Ich bin nicht gestorben, obwohl ich es probiert habe, und so ging es auch immer wieder weiter bergauf.» Irgendwann sei man eben ganz unten angekommen, und dann gäbe es zwei Möglichkeiten: Entweder man gibt auf, oder man stösst sich von diesem neuen Boden unter den Füssen ab und steigt empor. «Schlussendlich gibt es keine ultimativen Krisen, und man muss einfach akzeptieren, dass auch diese nicht die letzte gewesen sein wird. Seien wir mal ehrlich, was ist eine solche Krise eigentlich verglichen zu Kindern, die Krebs haben – das ist tragisch, das ist hart und traurig.»

Der einst noch lukrativ scheinende Wirtschaftszweig Schweizerrap und die gesamte damit verbundene Szene gibt es heute nicht mehr wirklich. Trotzdem steht Gimma nun auf der schönen Seite des Lebens. Das ganze Drumherum nimmt er nicht so ernst: «Die Schweiz ist ein Furz im Weltall und interessiert niemanden, deswegen muss man sich und seine Texte auch nicht zu ernst nehmen.» Natürlich sei es toll gewesen, für andere Ghostwriting zu machen oder mit seiner Stimme tolle neue Phrases aufzunehmen. Trotzdem zählt für ihn jetzt vor allem sein kürzlich veröffentlichtes Buch mit dem Titel «Hinter dera Maska isches dunkel».

Leben im Moment

Seit November dieses Jahres geht Gimma auf Lesungstouren, erzählt seine Erlebnisse, seine eigene Geschichte. «Wenn ich zurück schaue auf mein Leben und meine Erfahrungen, dann ist es Balsam für die Seele, diese Geschichten heute erzählen zu können und darin bestätigt zu werden, dass sie doch sehr speziell sind.» Wahrscheinlich werde es auch Leute geben, die das Buch nicht gut finden werden, meint er weiter, jedoch könne er daran nichts ändern – es sei schliesslich sein Leben. Es sei kein heroischer Moment, über das eigene Leben zu sprechen, doch falle auch nicht jeder gleich in Ohnmacht beim Zuhören. Schlussendlich will er seinen Lesern etwas auf den Weg mitgeben, das viele im Laufe des Lebens verloren haben, nämlich den Bezug zur Realität. «Mich bewegen meine Texte nicht mehr, die Menschen, die sie lesen, aber schon», sagt Gimma. An seinem Leben kann er im Nachhinein nichts mehr ändern, jedoch kann er mit seinem Buch der breiten Masse wieder vor Augen führen, dass auch in der Schweiz nicht alles nur schön ist. Oftmals trügt der Schein und so sagt Gimma: «Die Schweizer würden sich wahrscheinlich erschiessen, wenn alle ihre Maske ablegen würden und ehrlich und direkt wären.»

Er habe mit dem Erzählen seiner Geschichte nichts zu verlieren, wohingegen ein Student sich vielleicht zweimal überlegen sollte, ein solches Buch zu veröffentlichen. Stefanie Heinzmann habe ihm einmal gesagt, sie lebe nicht nach Zeit sondern im Moment, und dies habe er auch gemacht. Gimma hatte nicht das Ziel vor Augen, ein Buch zu schreiben oder gross heraus zu kommen, sondern liess sich einfach vom Leben treiben und nun, so sagt er, sei er dort, wo er sein wollte.

Wenn es dem Nichts entgegen geht

«Vor diesem Moment habe ich massive Angst», gibt Gimma zu. Er kann sich nicht vorstellen, was nach dem Tod sein wird und das Schlimmste daran sei, dass man es eben nicht beeinflussen könne. Wenn wir sterben, findet Gimma, geben wir alle Kontrolle über uns selbst ab, ohne zu wissen, was dann wirklich ist. Dies sei eine unglaubliche Belastung. Er wolle deshalb nie sterben. «Für mich wäre es viel einfacher, mit dem Gedanken zu leben, dass nach dem Tod noch etwas kommt. Aber bisher hat es noch niemand geschafft, mir das Nichts plausibel zu erklären.»

Bilder: Stephanie Rüegger


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