«Ich bin froh, dass mir die HSG diese Chance gegeben hat»

Trotz seines vollen Terminkalenders nimmt Professor Müller-Chen sich Zeit für ein Interview. Wir treffen uns mit dem Dekan der Law School auf einen Kaffee bei Starbucks – und diskutieren über Twitter, Golf und die Kollegialität unter den Mitarbeitenden der Universität.

Wer Markus Müller-Chen googelt, der stösst bald auf seinen Twitter-Account. Drei Dinge stechen ins Auge: Golf, der FC Basel, und die Serie Parks and Recreation. «Golfen ist meine Passion», sagt der Professor. Auf der einen Seite sei es ein sehr kompetitiver Sport, auf der anderen Seite aber auch kollegial – denn man kämpfe gegen den Platz, nicht gegeneinander, und der eine sei nicht schlechter, wenn der andere besser ist, erklärt er. Der FC Basel sei ihm sozusagen angeboren: «Ich bin Fan des FC Basels, seitdem ich denken kann. Für mich ist das ein Stück Heimatverbundenheit.» Müller-Chen ist in der Region Basel aufgewachsen und hat an der Universität in Basel studiert. Und Parks and Recreation sei nun mal seine Lieblingsserie, erklärt er lachend. Den Twitter-Account pflegt er selbst. «Der Account ist eine Mischung aus beruflich und privat. Ich weiss, eigentlich sollte man das nicht so machen. Aber so sieht man eben alle Facetten.»

Die Bibel immer auf dem Nachttisch

Professor Müller-Chen ist gläubiger Christ, die Bibel liegt immer auf seinem Nachttisch. Mit seiner Frau zusammen gibt er ausserdem in Zürich, wo sie wohnen, Sonntagsschule für Kinder. «Für mich ist der Glaube ein guter Leitfaden, das Leben zu führen – nicht nur gegenüber Gott, sondern gerade auch gegenüber den Mitmenschen.» Er habe sich sogar überlegt, Theologie zu studieren, sich dann aber doch für Jus entschieden. «Ich hatte einfach schon als Kind immer gerne Recht», lacht er. Tatsächlich habe ihn an Jus gereizt, dass es so viele verschiedene Optionen und Karrierewege bietet: «Ich konnte mich damals noch nicht in einer bestimmen Rolle sehen. Deshalb hat das den Reiz ausgemacht, sich noch nicht entscheiden zu müssen.»

Verbundenheit mit den USA

Weil sich sein Vater beruflich für zwei Jahre in den USA aufhielt, verbrachte Markus Müller-Chen Teile seiner Kindergarten- und Grundschulzeit in Bernardsville, New Jersey. «Mitte der Siebzigerjahre war Amerika anders, als es heute ist. Es war weltoffen, man wurde mit offenen Armen empfangen, die Menschen hatten keine Berührungsängste.» Eine starke Verbundenheit ist ihm dennoch geblieben. Im Rahmen seines Studiums an der University of California in Berkeley, wo er auch seine Frau kennen lernte, und als Gastprofessor an der Santa Clara University, verbrachte er immer wieder Zeit in Kalifornien. Die Antwort auf die Frage, welche Küste ihm besser gefalle, fällt dem Professor schwer. «Da ich jetzt aber eine Kalifornierin geheiratet habe, muss ich ja fast sagen, die Westküste», lacht er. Bis heute verbringt er regelmässig Zeit in Amerika. «Wir haben eine grosse Familie in und um Los Angeles und verbringen über die Jahreswechsel oft längere Zeit dort.»

Selbstständig studieren?

Bei den grossen Assessment-Rechtsvorlesungen bemüht sich der Professor, auf die Studierenden einzugehen. «Ich muss oft über die informelle Sitzordnung schmunzeln. Die Studenten sind in dieser Hinsicht sehr unflexibel», sagt er amüsiert. Das Assessment heute unterscheide sich diametral vom Beginn seines Studiums, als nur einige Kurse empfohlen waren und die Studierenden ihr Curriculum und den Zeitpunkt ihres Vorlizenziats selbst festlegen konnten. «Die Einstellung der Studentinnen und Studenten war ganz anders. Das Studiensystem machte diese ein stückweit selbstständiger als heute.» Die jetzige Studienstruktur, vor allem im Assessment, verleite teilweise zur Unselbstständigkeit, da alle Kurse, Prüfungsvorbereitungen und Lehrbücher aufbereitet würden. «Es wird nicht verlangt, dass der Stoff selbstständig erarbeitet wird. Sicher, die Studierenden müssen den Stoff lernen.» Aber die Lernziele und Übungsmaterialen seien nun mal schon vorgegeben. «Dieses Spoonfeeding führt zu einer gewissen Verarmung des universitären Geists.»

Vision für die HSG

Markus Müller-Chen verfolgt die Entwicklung der Vision 2025 der HSG aufmerksam. «Mir ist es wichtig, dass die Lehre nicht vernachlässigt wird und wir hier Innovationen vorantreiben.» Er erlebe es als sehr positiv, dass Academia, Administratia und Studentenschaft am gleichen Ende des Strickes ziehen, um die HSG vorwärts zu bringen. Der einfache Grund, warum er nach der Habilitation in Basel nach St.Gallen gekommen sei, war eine Stelle an der HSG, erklärt der Programmleiter des Masters in International Law. «Wenn sie mich 1998 gefragt hätten, ob ich in Basel bleiben, oder nach Zürich, St.Gallen oder Bern gehen will, hätte ich mich sicher für Ersteres entschieden.» Heute sei er froh, dass damals alles anders kam: «St.Gallen hat mir als relativ jungen Professor eine Chance gegeben. Obwohl es sicher Kandidaten mit mehr Erfahrung gegeben hätte, hat die HSG an mich geglaubt. Ich finde es hervorragend, dass die HSG auch heute noch vielen jungen Professorinnen und Professoren das Vertrauen schenkt.» Begeistert sei er auch von der ausgesprochen starken Kollegialität, so Müller-Chen. «Dieses Zusammenwirken von allen Beteiligten, unabhängig von ihrer Position und Stellung, schätze ich sehr. Die HSG ist mir akademische Heimat geworden.»

Steckbrief

Geburtstag

2. März 1967 in Basel

Hobbys

Joggen (gelegentlich mit Prof. Frei zusammen), Golf, Ski fahren

Lieblingsmusik

Jazz, Klavierstücke eingespielt von Vladimir Horowitz, Charts

Lieblingsbücher

viele, zum Beispiel The Bonfire of the Vanities von Tom Wolfe («sollte jeder HSGler lesen»), Sternstunden der Menschheit von Stefan Zweig, 23 Things They Don’t Tell You About Capitalism von Ha-Joon Chang

Bilder: Alexandra Furio


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