Interview mit Frank Dassler

Frank Dassler gehört zur dritten Generation der Gründerfamilie Dassler und ist heute Chefjurist bei der adidas-Gruppe.

Die adidas-Gruppe ist einer der grössten Sportartikelhersteller weltweit mit einem Umsatz im Jahr 2007 von 10.3 Mrd. Euro. Gegründet wurde die Firma 1949 durch Adolf «Adi» Dassler in Herzogenaurach. Adi hatte bereits zuvor mit seinem Bruder Schuhe produziert. Nach dem 2. Weltkrieg trennten sich die beiden Brüder aufgrund schwerer persönlicher Differenzen und gründeten jeweils ihre eigene Firma, PUMA und adidas, was dazu führte, dass Herzogenaurach heute Sitz zweier weltweit tätigen Sportartikelhersteller ist. Die beiden Firmen, wie auch die Söhne der beiden Brüder, hatten sich über die Jahre einen erbitterten Wirtschaftskrieg geboten. Heute lebt keiner der Brüder und Söhne mehr. Frank Dassler gehört zur dritten Generation der Dassler-Familie des PUMA-Zweiges, heute arbeitet er als Chefjurist bei der adidas-Gruppe.

adidas unterstützt ein Mentoring-Programm für den MBA in St. Gallen. Dabei suchen verschiedene Executives den Kontakt mit den Studenten. Von Interesse ist dabei sowohl der Austausch zwischen Privatwirtschaft und Universität als auch die Suche nach neuen Talenten. Frank Dassler hatte sich im Rahmen seines Besuches an der Universität St. Gallen zu einem Interview mit prisma bereit erklärt und mit uns über verschiedene Aspekte der adidas-Gruppe gesprochen.

prisma: Wie wichtig ist Ihnen die Beziehung zwischen Privatwirtschaft und Forschung (Universitäten)? Welche Vorteile können sich für eine Unternehmung ergeben, die im ständigen Kontakt mit Universitäten steht?

Frank Dassler: Dieser Austausch ist sehr wichtig. Ich habe ja früher auch einmal bei PUMA gearbeitet und war da in den 80er-Jahren ebenfalls in der Forschung tätig. Zwar werden wir den Sportschuh nicht vollkommen neu erfinden, dennoch forschen wir nach Innovationen, nach neuen Materialien oder der Integration von Technik, wie z. B. Mikroelektronik im Schuh zur Dämpfung. Man muss über den Tellerrand hinaussehen können, um erfolgreich zu sein. Es gibt aber auch andere Bereiche, in denen man Fortschritt erzielen kann, wie z. B. Umwelt und Soziales. Wir haben verschiedene Projekte in diesen Gebieten.

Die adidas-Gruppe ist ein Weltkonzern, der mit adidas eine der bekanntesten deutschen Marken besitzt. Angesichts globaler Entwicklungen, wie deutsch ist die Marke adidas heute noch?

Wir freuen uns, als globale Marke wahrgenommen zu werden. Ebenso sind wir stolz, dass wir nächstes Jahr unser 60-jähriges Jubiläum feiern und auf eine lange, erfolgreiche Unternehmensgeschichte zurückblicken können. Man kann deutsche Wurzeln haben, aber trotzdem eine globale Marke sein. Wie man so schön sagt: keine Zukunft ohne Herkunft. Andere neue Marken müssen sich bemühen, eine Geschichte zu finden, die ihre Herkunft erzählt. Wir können da aus dem Vollen schöpfen, Adi Dassler hat ein ziemlich grosses Erbe hinterlassen. Interessanterweise lassen sich auch unsere jungen Designer von den alten Designs und den echten Originalen inspirieren.

Sehen Sie gewisse positive deutsche Eigenschaften als Erfolgsfaktoren für den internationalen Erfolg der Marke adidas?

Zwei Merkmale, auf die wir besonders Wert legen, sind Qualität und Innovation. Diese Merkmale können auch in anderen deutschen Marken, z. B. im Automobilbereich, gefunden werden. Im Besonderen legt adidas grossen Wert auf die Leidenschaft für den Sport. Auch Legenden, wie das Wunder von Bern im Jahre 1954, tragen zu unserem Image bei. Es ist uns wichtig, dass wir authentisch auftreten und uns nicht verbiegen.

Wie stark beeinträchtigen Fälschungen den Markenwert von adidas und wie geht adidas dagegen vor?

Man geht davon aus, dass zwischen acht und fünfzehn Prozent der Sportartikel Fälschungen sind. Heute kommen nicht mehr nur irgendwelche billigen T-Shirts auf den Fälschungsmarkt, sondern auch einige unserer teureren Hightech-Schuhe. Kunden, die diese Produkte unwissentlich erwerben, sind dann zu Recht enttäuscht, wenn die Fälschung nicht der gewohnten Qualität des Originals entspricht – was neben dem wirtschaftlichen Schaden auch Imageschäden nach sich zieht. Effektiv dagegen vorgehen kann man nur am Herstellungsort. Da in Asien am meisten produziert wird, kommen die Fälschungen entsprechend auch von dort; wir müssen also vor Ort schauen, dass diese Fälschungen unterbunden werden. Dies geschieht durch unser firmeninternes Markenschutzteam in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden mittels Razzien und Beschlagnahmungen bei den Fälschern selbst oder bei Zwischenhändlern, was ihnen auch am meisten weh tut. Andere Möglichkeiten sind Sicherheitsetiketten, die die Authentizität der Ware garantieren. Mittlerweile haben wir aber gute Übereinkommen mit China, wo auch schon Verurteilungen stattgefunden haben, die abschrecken. Parallel zu diesen Massnahmen klären wir die Konsumenten auf, dazu nehmen wir bereits an vielen Initiativen teil.

Die Finanzkrise hat auch die Kurse von Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors weltweit in den Keller rutschen lassen. Wie schwer hat die Finanzkrise das Unternehmen adidas getroffen?

Die Finanzkrise wirkt sich deutlich negativ auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sowie die Konsumentenstimmung überall auf der Welt aus. Dies wird auch den Privatkonsum in unserer Branche beeinflussen. Dennoch sind wir sehr gut positioniert, um unser Geschäft weiter voranzutreiben. Dies ist möglich durch unsere starken und begehrenswerten Marken, unsere breite globale Plattform sowie eine überdurchschnittlich starke Präsenz in den schnell wachsenden Schwellenländern.

Momentan machen sich viele Sorgen wegen der Finanzkrise und einer drohenden Rezession. Was können Sie jungen Studenten empfehlen, die sich für die Finanzindustrie interessieren?

Die Finanzindustrie hat derzeit sicher an Attraktivität für Berufseinsteiger eingebüsst. Wen dieses Berufsfeld interessiert, der muss sich aber nicht abschrecken lassen, sondern kann über Alternativen nachdenken, wie z. B. eine Position in der Finanzabteilung eines produzierenden Unternehmens. Grundsätzlich lohnt es sich aber auch in Zukunft, die eigene Ausbildung breiter aufzustellen. Wenn man «top» ist, findet man immer etwas – auch in der Finanzbranche, obwohl es sicher Veränderungen geben wird.

Welche Wegpunkte in Ihrem Werdegang haben Ihnen wichtige Erkenntnisse gebracht, die Sie Studenten mit auf den Weg geben würden?

Ich habe eigentlich einen klassischen Werdegang als Jurist gemacht, war dabei während meines Studiums bei PUMA tätig. Was ich lange bedauert habe, ist, dass ich immer an einem Platz studiert habe – das hatte sich durch die Arbeit bei PUMA halt so ergeben. Später habe ich diesbezüglich aber einiges nachgeholt. Ich empfehle jedem, ein Auslandsemester oder -praktikum zu machen, weil man dabei viele wichtige Erfahrungen macht. In meinem Falle habe ich dies durch ein Postgraduate Studium in den USA realisiert. Es ist enorm wichtig, dass man seinen Horizont durch solche Erfahrungen erweitert. Es kann sich ebenfalls mal lohnen, andere Vorlesungen zum Spass zu besuchen, jedoch sollte man auch schauen, dass man sein Studium so schnell wie möglich abschliesst – dabei aber einen offenen Geist bewahrt. Beim CV ruhig alles reinschreiben, z. B. wenn man mal beim Roten Kreuz geholfen oder einen Viertausender bestiegen hat – dies sind interessante Informationen, die viel über die Persönlichkeit des Bewerbers aussagen.

adidas und PUMA sind seit jeher Rivalen. Sie repräsentieren die dritte Dassler-Generation, wenn auch aus dem PUMA-Familienzweig. Wie sind Sie mit diesem Interessenskonflikt umgegangen?

Ich war zuvor zehn Jahre bei PUMA tätig. Später war ich zirka 15 Jahre als selbständiger Rechtsanwalt tätig, zwar auch in der Sportartikelbranche, hatte aber in dieser Zeit wenig mit adidas oder PUMA zu tun. Ich wurde dann von Herbert Hainer, dem Vorstandsvorsitzenden der adidas-Gruppe, angefragt, ob ich bei adidas einsteigen wolle. Ich hatte mir das reiflich überlegt, es hatte auch zu Spannungen in meiner Familie geführt, die sich mittlerweile gelegt haben. Zur Familie von Adi Dassler habe ich heute einen guten Draht. Vielleicht waren ein paar ältere Mitarbeiter zu Beginn etwas skeptisch, doch ich denke, dass ich in den letzten Jahren mein Engagement unter Beweis gestellt habe.

Was sind aktuelle Projekte aus den Sparten Umwelt und Soziales bei adidas? Wie kann adidas zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen?

Wir sind stolz, seit Jahren anerkannter Branchenführer in diesem Gebiet zu sein. Bereits zum neunten Mal in Folge wurde die adidas-Gruppe in den Dow Jones Sustainability Group Index aufgenommen. Ausserdem wurden wir als «Super Sector Leader» 2008/2009 im Bereich «Personal & Household Goods» ausgezeichnet und gehören damit zur Spitze der nachhaltigen Akteure weltweit. Zwar müssen wir uns jedes Jahr aufs Neue anstrengen, um dort zu bleiben, aber es lohnt sich. Schon früh konnten wir Erfolge in der Supply Chain, d. h. in der Beschaffung, realisieren. Das Prinzip der Nachhaltigkeit gilt natürlich auch für unsere Produkte. Besonders sichtbar wird dies bei adidas Grün, einer Kollektion, die Teil von adidas Originals ist. adidas Grün ist eine Schuh- und Bekleidungskollektion im Lifestyle-Bereich, die Rohstoffe für Produktion und Verpackung möglichst effizient einsetzt und dadurch die Umweltauswirkungen minimiert. Sie wurde als Antwort auf das wachsende Nachhaltigkeitsbewusstsein unter Konsumenten geschaffen. adidas Grün unterscheidet sich von anderen «Öko»-Kollektionen durch die klare Auszeichnung, die die Umweltverträglichkeit jedes einzelnen Produkts erläutert. Kurz gesagt: Wir versuchen stets ein «Good Corporate Citizen» zu sein und entwickeln uns permanent weiter.

Wie stehen Sie zur Situation, dass viele Fussballfans verärgert sind, dass an Grossanlässen den Sponsoren immer mehr Exklusivität verkauft wird? Die FIFA hat für die WM 2006 ja sogar in Betracht gezogen, die Fans aufzufordern, nicht im Trikot eines konkurrenzierenden Herstellers zum Spiel zu kommen. Wie steht adidas dazu? Sehen Sie eine Gefahr, dass solche Grossanlässe – durch die teuren Ticketpreise, die komplizierten Ticketverlosungen und immer mehr Vorschriften – immer weniger die breite Käuferschicht ansprechen?

Wir wollen durch das Sponsoring solcher Events möglichst viele Menschen erreichen. Verständlich ist es aber schon, wenn die FIFA die Rechte der Sponsoren schützt und gegen Ambush-Marketing vorgeht, da die Sponsoren für ihre Rechte zahlen und einen solchen Event überhaupt erst möglich machen. Ein viel zitiertes Beispiel war in der letzten Zeit die Aktion einer Biermarke, die während der Fussball-EM Hüte an die holländischen Fans verteilte, obwohl eine andere Biermarke Sponsor war.


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