Josef Ackermann – barmherziger Samariter oder erster HSG-Aktionär?

Nach einer Bilderbuchkarriere kehrt Josef Ackermann an die HSG zurück – er sponsert einen Lehrstuhl für 2.5 Millionen Franken.

Die Fakten

11977 legte er seine Dissertation am Lehrstuhl für Wirtschaftsethik ab und zog sogleich in die grosse weite Welt hinaus. Der Weg war steil, mit Buhrufen und Prozessen gepflastert, aber nach Massstäben von ihm und seiner Alma Mater so erfolgreich, wie man sich eine Karriere vorstellen kann. Als langjähriger Vorstandsvorsitzender war er nicht nur oberster Chef einer riesigen Bank, sondern mischte als wichtiger Akteur der Finanzkrise auch auf dem politischen Parkett kräftig mit – Geburtstagspartys im Deutschen Kanzleramt inklusive. Er verkörpert den Mainstream dieser Uni wie kein anderer: Josef Ackermann ist die HSG. Und jetzt wird die HSG auch Josef Ackermann.

«Wenn man etwas Geld verdient hat, finde ich, sollte man etwas zurückgeben und für die Ausbildung etwas tun», liess Ackermann wie immer gelassen und zart lächelnd kurz vor Weihnachten im Schweizer Fernsehen die Bombe platzen. Der anzustellende Professor – der, wie Ackermann betont, nicht er selbst sein werde – wird sich mit «Business Economics and Public Policy» beschäftigen. Was das ist? Diese Frage muss vorerst offen bleiben, denn die Suche nach dem Lehrstuhlinhaber ist noch im Gang.

Das Engagement läuft über fünf Jahre und umfasst eine halbe Million Franken pro Jahr. Es wird der «Executive School of Management, Technology and Law» angegliedert – dies unter anderem deswegen, weil die HSG in diesem Bereich den grössten Handlungsbedarf ausmacht und die Stelle nach Auslauf von Ackermanns Sponsoringvertrag durch Erträge aus der Weiterbildung finanziert werden kann.

Dass Lehrstühle von privaten Firmen finanziert werden, ist kein Novum. Fünf der St. Galler Professuren sind bereits heute privat getragen – die Migros, KPMG und Ernst & Young gehören unter anderem zu den Förderern. Den weitaus grösseren Fisch hat allerdings die Universität Zürich an Land gezogen: Auf Initiative des Verhaltsökonoms Ernst Fehr schloss die UZH mit der UBS einen Vertrag über 100 Millionen Franken ab. Heikle Vertragspassagen wurden erst nach massiven Protesten bekannt. Gerade deswegen legen Ackermann und die HSG Wert darauf, dass die berufene Person die gewöhnliche akademische Unabhängigkeit innehabe und nicht «gekauft» sei.

In Zürich zeigt sich Fehr derweil überzeugt, dass hiesige Universitäten im Schatten privat finanzierter amerikanischer Elite-Unis nur mithalten können, wenn sie diesen «nicht aufhaltbaren Kulturwandel» nachvollziehen. Angesichts immer knapper werdender Bildungsmittel des Kantons wird es wohl nicht das letzte Engagement eines Mäzens an der HSG bleiben – egal, ob wir Ackermanns Sponsoring für eine dankbare Geste gegenüber seiner Alma Mater halten, für einen harmlosen Versuch, die eigene Weste reinzuwaschen, oder für einen weiteren Schritt in Richtung gekaufte Wissenschaft.

Pro: Gütiger Himmel

Matthias Müller

Hier will ein ökonomisches Schwergewicht an seine Alma Mater zurückkehren, in die Lehre und Forschung investieren und sieht sich dann von einigen Leuten öffentlich an den Pranger gestellt. Eine Heimkehr stelle ich mir anders vor.

Die ersten, die ob der Nachricht über Ackermanns Investition in den Zustand moralischer Erregung verfielen, waren die Sozialdemokraten dieses Kantons. Wie könnte es auch anders sein? Diese Leute versuchen, Joe Ackermann mit sonderbaren Begriffen wie «Raubtierkapitalist» oder «Abzocker» in die Schmuddelecke zu drängen. Weiter sehen sie die Unabhängigkeit der Lehre und Forschung gefährdet.

Nun, es offenbart sich bei ihnen fürwahr ein völlig verkehrtes Verständnis von Lehre und Forschung. Statt den von der Uni aufgelegten Tunnelblick kritisch zu hinterfragen sowie den Draht zur Praxis zu verstärken, wiegen sich die Kritiker lieber in geistiger Abschottung. Mit Verlaub: Was der Schweiz seit Jahren einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil beschert, ist einzigartiges Wissen im Verbund mit bestechender Qualität.

Dieses Wissen verdanken wir primär nicht unseren geistigen Würdeträgern Herren und Frauen Professoren, von denen die meisten – auch an dieser Schule – weder wirklich den Geruch des Marktes gerochen noch den unsicheren Boden des Wettbewerbs unter ihren Füssen gespürt haben. Im Gegenteil: Wir verdanken es Menschen wie Joe, welche den gemütlichen Elfenbeinturm verlassen haben, in einem von Neid und Missgunst geprägten Umfeld ihr täglich Brot hart verdient und es mit Ehrgeiz und knallharter Arbeit nach ganz oben geschafft haben.

Im Grunde genommen müssten wir Josef Ackermann mit Handkuss begrüssen – ist es doch ein Segen, dass ein Mann wie er, der in der «Champions League» der Weltwirtschaft spielte, den Weg in seine Heimat zurückfindet und unsere Universität mit einem weiteren Lehrstuhl bereichern will.

Um mit den Worten der Kritiker zu schliessen: Im Fall Ackermann muss für einmal nicht das Raubtier gebändigt werden, sondern die selbsternannten Kenner der wahren Lehre und Forschung.

Contra: Winterschlussverkauf! Lehrstuhl im Angebot

Gabriel Züllig

SALE! Winterschlussverkauf, die Preise purzeln. Alles muss raus! Zum Beispiel dieser wunderschöne Lehrstuhl, auf dem es sich bequem sitzt und der zudem ein echter Hingucker ist! Wer bietet am meisten? – wir hören 2.5 Millionen – zum ersten, zum zweiten, verkauft an einen gewissen Josef Ackermann! Die HSG war schon immer für ihre Geschäftstüchtigkeit bekannt, aber wenn wir jetzt nicht aufpassen und rechtzeitig klare Regeln definieren, werden Lehrstühle in Zukunft tatsächlich an den Meistbietenden verhökert.

Ich will nicht leugnen, dass ich eine gewisse Sympathie für Ackermanns «Geschenk» habe. Wenn das Lehrangebot ohne Mehrkosten für Steuer- und Studiengebührenzahler ausgebaut wird, freue ich mich darüber. Das geplante Forschungsfeld klingt zwar fürchterlich allgemein, könnte allerdings endlich mal wieder eine Möglichkeit sein, die wirklich grossen Probleme dieser Welt zu diskutieren, anstatt sich im stillen Kämmerlein um Datensätze und Regressionen zu kümmern.

Trotzdem läuten bei mir alle Alarmglocken, wenn einer wie Ackermann plötzlich seine philan-thropische Ader entdeckt und Geld «verschenkt» – schliesslich ist er nicht wegen seiner Barmherzigkeit an die Spitze dreier Weltkonzerne gekommen. Universitäten sollen Brutstätten von Ideen sein, nicht abhängige Institute am Tropf von Mäzenen. Ich will nicht, dass die Zukunft meiner Universität von der Güte ihrer Alumni abhängt. Mit einer guten tertiären Bildung junge Leute auf berufliche Herausforderungen vorzubereiten, halte ich für eine ureigene Aufgabe meines Staates. Sie kann unmöglich an einige Superreiche delegiert werden, welche ihr lädiertes Image aufpolieren möchten.

Wenn dann doch Kooperationen zwischen Unis und Firmen oder Privatpersonen stattfinden, sollten die «Geschenke» strengen Kriterien genügen. Denn alleine der Anschein, dass sich Forschung und Lehre kaufen lassen, macht eine Akademie im ursprünglichen Sinne obsolet. Bereits heute ist (zu) vieles, was an dieser Uni unter «Praxisbezug» und «Netzwerk» verkauft wird, in Tat und Wahrheit nichts anderes als ein Pakt, mit dem sich die Wissenschaft in eine gefährliche Abhängigkeit der Wirtschaft begibt.


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