«Kacke ist auch schön»

Der Kulturaustausch zwischen den Studenten einzelner Studienrichtungen sollte gefördert werden. Zu diesem Zweck wurde das Gespräch mit Bernhard Hegglin, einem Kunststudenten an der Kunsthochschule Bern, gesucht. Der Nachwuchskünstler ist so gar nicht HSG-like.

Wie sieht ein normaler Arbeitstag von dir aus?

Wir haben relativ selten Vorlesung. Gut ausgeschlafen gehe ich so um 10.00 Uhr aus dem Haus. Gegen Mittag kreuze ich dann im Atelier auf. Nach dem Mittagessen arbeite ich bis zirka 21.00 Uhr abends an meinen Projekten.

Hast du ein eigenes Atelier?

Wir arbeiten in einem Gemeinschaftsatelier. Die Arbeit lebt so auch vom Austausch unter meinen Kollegen. Es herrscht überall Chaos: in der Küche, am Arbeitsplatz. Es ist nicht klar, für was dies und jenes gebraucht werden sollte – was man nicht braucht, das hat es im Überfluss und umgekehrt.

Wie viele Vorlesungen hast du?

Gesamthaft einen Tag. Dazu kommen noch praktische Kurse, wie Werkstatt, oder was man eben will. Einen weiteren Tag verbringe ich mit Gesprächen mit externen Experten und Mentoren.

Was wird in den Vorlesungen behandelt? Wie man Kunst macht?

Nein, es geht um zeitgenössische Kunst, mal dies, mal das, eigentlich recht unakademisch.

Also muss man sich das wie im Handarbeitsunterricht an der Primarschule vorstellen?

Nein, nein, es sind schon richtige Vorlesungen, mit Referaten und anschliessender Diskussion. Wenn es allerdings um technische Aspekte wie Zeichnen geht, bin ich mehr ein Autodidakt.

Wie ist es, ohne Auftraggeber, Klienten oder Chef zu arbeiten?

Grundsätzlich stellen sich Künstler ihre Probleme selber. Das ist vielleicht auch ein Hauptunterschied zu den Nichtkünstlern. Also, wenn du angeschissen bist, machst du einfach nichts, es ist allen egal. Das ist eigentlich super.

Kämpfst du mit irgendwelchen Vorurteilen?

Die Frage ist irgendwie ein bisschen schwierig, also, nicht schwierig. Eigentlich alle – das heisst, der grösste Teil – aus meinem Umfeld sind selbst praktizierende Künstler oder setzen sich zumindest intensiv mit der Materie auseinander.

Praktizierend? Das klingt nach Sekte, verdammte Künstlermafia!

Also der Klassiker; du triffst alte Schulkameraden und die fragen: «Was machst du so, ein bisschen malen?» Anfangs hat mich das gestört, jetzt sage ich einfach, ja, ich male Bildli.

Aber mal im Ernst, was machst du wirklich?

Ach hör auf, das weiss ich doch nicht, ich bin noch am Suchen. Ich hoffe trotzdem, irgendwann so etwas wie ein Thema zu finden. Aber im Moment mache ich Skulptur.

Wie bist du auf die Idee gekommen, Kunst zu studieren?

Das war das Einzige, was ich konnte (lacht). Es ist wirklich so. Alle sagten, dass ich das machen sollte.

Ich dachte immer, Künstler wären die letzten Freigeister, denen es egal ist, was die Gesellschaft sagt.

Ich mache schon das, worauf ich Lust habe; es ist mehr ein Idealfall, denn mein Umfeld unterstützt mich in meinen Vorhaben. Es gibt keinen Grund, «nein» zu sagen.

Was sind deine Motivationen im Studium: eher im materiellen Sinne erfolgreich zu werden oder dich selbst zu finden?

Es geht primär um Selbstverwirklichung. Das heisst allerdings nicht, dass Materielles nicht auch erstrebenswert ist. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich beides erreichen kann.

Du willst also auch finanziell erfolgreich sein?

Ja, sicherlich. Es wäre zu romantisch, zu sagen, es ginge nur um die künstlerische Entwicklung.

Ab wann ist man denn finanziell erfolgreich?

Wenn man genug zum Leben hat. Nein, das ist noch nicht erfolgreich, oder schon? Ich glaube schon.

Du machst gerade deinen Bachelor. Wie viele Studenten sind in deinem Lehrgang?

Ich schätze mal 40 Studenten. Dabei muss man aber noch wissen, dass viele irgendwo sonst ihr Atelier haben und vielleicht einmal im Semester an die Uni kommen.

Wieso studierst du ausgerechnet in Bern? Ist das nicht ein wenig langsam?

Es macht Sinn für die künstlerische Entwicklung, nicht «zuhause» zu studieren. Bern ist perfekt, gerade weil es ruhig und langsamer als beispielsweise Zürich ist, das gefällt mir.

Wie stellst du dir den HSG-Alltag vor?

Da fallen mir nur Klischees ein. Ich glaube, ihr müsst viel zuhören, viel lesen und Probleme lösen. Ich habe mir nicht wirklich jemals über den durchschnittlichen HSG-Studenten Gedanken gemacht. Desinteresse ist ja nicht zwingend negativ. Ich glaube, ihr wollt den ganzen Tag die Welt retten, weil ich das nicht mache.

Interessierst du dich für den Kunstmarkt?

Bedingt schon. Es ist spannend, weil es mich tangiert, aber es ist jetzt nicht das Superthema. Ich habe noch nie eine Arbeit verkauft. Doch, meine Abschlussarbeit, das waren viele kleine Zeichnungen, die habe ich für CHF 2.50 im 6er-Set verkauft.

Würdest du ausstellen, wenn du könntest?

Jetzt gerade nicht. Die Arbeit, die mich momentan beschäftigt, erscheint mir noch zu wenig ausgereift. Ältere Werke würde ich schon ausstellen.

Was ist für dich ultimativ hässlich?

Alles ist auf seine Art schön. Kacke ist auch schön. Wenn etwas nicht schön ist, dann fehlt etwas, obwohl, es ist sehr schwierig, bewusst Hässliches zu produzieren. Ich finde beispielsweise den Hummer H2 extrem hässlich. Und diese Lego Bionic Spielzeuge, grauenhaft.

Hast du ein Lieblingsmuseum?

Das Helmhaus gefällt mir gut. Die Kunsthalle Bern ist toll und letztens war ich in München im Haus der Kunst, welches beeindruckend riesig ist. Inhaltlich ist die Kunsthalle Bern mein Favorit.

Gehst du abstimmen?

Ja, aber unter Anleitung meines Vaters (lacht).

Was machst du am liebsten?

Ich mache nichts am liebsten. Aber sehr gerne rede ich über Kunst.

Was wolltest du der Welt schon immer einmal mitteilen?

Seid nett zueinander. Das ist mir sehr wichtig, das ist das Letzte, was ich sagen werde.

Noch sonst etwas?

Danke, danke, danke!

Nein, nein, ich sage danke.

Bitte.


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