Kurz eingenickt…

Drei Stunden Tieflschlaf und ein paar Nickerchen zwischendurch: Weshalb das keineswegs verrückt ist, sondern wissenschaftlich fundiert.

Er ist allseits bekannt: der Durchhänger nach dem Mittagessen. Man wird träge, das Hirn streikt und eigentlich möchte man sich einfach nur hinlegen und eine Runde schlafen. Viele erleben dieses Gefühl täglich, doch nur wenige gehen ihm nach. Meist ruft nämlich ein Haufen Arbeit und für ein kleines Schläfchen findet sich schlicht keine Zeit. Wenn die Müdigkeit dann doch überhand nimmt, wird lieber zu Kaffee und Co. gegriffen. Auf Dauer stellt sich dann aber ein unangenehmer Gewöhnungseffekt ein und es werden immer grössere Mengen an Kof-fein für eine stimulierende Wirkung notwendig.

Performance ohne Chemie und Zusatzstoffe

Weniger schädlich auf den Körper wirkt sich hingegen ein kurzes Nickerchen aus. Die NASA befasste sich schon vor knapp 20 Jahren mit den Effekten von Powernaps und liess Probanden zu Versuchszwecken für genau 26 Minuten ruhen. Das Ergebnis der Messungen: Nach dem Schläfchen wurden um 34 Prozent erhöhte körperliche und geistige Leis- tungsfähigkeiten festgestellt, die durchschnittliche Reaktionszeit verkürzte sich um 16 Prozent und das Aufmerksamkeitsvermögen verbesserte sich um 50 Prozent.

Doch damit nicht genug: Auf lange Frist mindern regelmässige Powernaps das Herzinfarktrisiko sogar um 34 Prozent und die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses steigt. Powernaps sorgen somit auf natürliche Weise für Energieschübe, mit denen Red Bull und Kaffee lange nicht mithalten können. Und sie sind obendrein noch überaus entspannend. Wer auf den pushenden Effekt von Koffein dennoch nicht verzichten will, nehme direkt vor dem Powernap eine Tasse Kaffee zu sich. Die Wirkung des Koffeins entfaltet sich nach 30 Minuten, setzt ein, sobald man das Schläfchen beendet haben sollte, und addiert sich zu den Wirkungen des Naps.

Warum nur 30 Minuten und nicht länger?

Die Faustregel bei Powernaps lautet: keinesfalls länger schlafen als 30 Minuten. Die Erklärung dazu liefert uns die neurobiologische Schlafforschung. Allgemein gliedert sich der Schlafverlauf nämlich in vier Phasen, die der Körper im Laufe des gewöhnlichen Nachtschlafs zyklisch durchläuft. Das erste Stadium, das Einschlafen, beschreibt den ambivalenten Zustand zwischen Wachsein und Schlafen. Die Gedanken beginnen zu schwelgen, der Körper entspannt sich und fährt allmählich herunter. Dieser Prozess zieht sich bestenfalls nur über wenige Minuten hin und endet in Phase zwei, dem oberflächlichen Schlaf. In diesem Leichtschlafstadium schaltet der Organismus auf Standby und äusserliche Reize werden nicht mehr wahrgenommen. Beide Phasen dauern zusammen zwischen 20 und 30 Minuten. Nun folgen Phase drei und vier, beides Tiefschlafphasen, wobei Atmung und Körper maximal entspannen, der Blutdruck abfällt und die Glieder in einen lähmungsähnlichen Zustand verfallen.

Kritisch für den Erfolg eines Powernaps ist die Grenze zwischen dem zweiten und dritten Stadium. Wer das Nickerchen nicht vor dem Übergang in den Tiefschlaf abbricht, riskiert den gegenteiligen Effekt. Müdigkeit und Niedergeschlagenheit sind die Folge. Da der Organismus seine Systeme wieder aufwändig hochfahren muss, vergeudet man die nächsten Stunden dann damit, sich von seinem Powernap zu erholen.

Interessantes aus der Wissenschaft

Dass der Mittagsschlaf einen eher verpönten Ruf hat, lässt sich auf das hektische Wesen unserer heutigen Zeit zurückführen. Denkt man an den Tagesablauf der Grosseltern zurück, so war ein Nickerchen um die Mittagszeit durchaus keine Seltenheit. Wer sich aber heutzutage nach dem Mittagessen hinlegt, wird schnell als Schlendrian abgestempelt.

Die für die westliche Kulturtypische Verteilung des Schlafs auf den nächtlichen Zeitraum nennt sich monophasischer Schlaf. Jüngste Schlafforschungen rücken diese Konvention allerdings immer mehr ins kritische Licht. Sie deklarieren nicht den einphasigen Nachtschlaf, sondern das biphasische Schlafmuster früherer Generationen zum natürlichen Schlafverhalten des menschlichen Organismus. Anlass zu dieser Vermutung war ein Experiment, bei dem man Probanden für einige Wochen in einen fensterlosen Bunker sperrte und diesen keinerlei zeitliche Orientierungsmöglichkeiten zur Verfügung stellte. Jeglichen Zeitgefühls beraubt, durften sich die Versuchspersonen schlafen legen, wann und wie lange es ihnen passte. Das Resultat: Jeder hielt neben einer längeren Hauptschlafphase ein halbstündiges Nickerchen. Keiner nahm dabei allerdings wahr, lediglich eine halbe Stunde geschlafen zu haben. Alle gaben an, sich bei beiden Schlafphasen zur Nachtruhe legen zu wollen.

Powernapping, Level: Experte

Auf die Spitze getriebenes Powernapping lässt sich unter dem Begriff «Polyphasisches Schlafen» zusammenfassen und hat mit einem gemütlichen Mittagsschläfchen nur noch wenig zu tun. Für Extremsituationen konzipiert soll das Schlafverlangen dabei ohne körperliche Leistungseinbussen auf ein Minimum herabgeschraubt werden können. Auch einigen prominenten Persönlichkeiten wie etwa Leonardo Da Vinci, John F. Kennedy oder Nikola Tesla wird nachgesagt, diese Methode genutzt zu haben – stichhaltige Beweise dafür gibt es allerdings keine.

Durch Aufteilen des Nachtschlafs auf eine kürzere Hauptschlafphase und drei oder mehrere über den Tag eingestreuten Powernaps à 20 Minuten sollen diese Techniken die Batterien des Körpers innerhalb kürzester Zeit wieder aufladen können (siehe Grafik). Auf den ersten Blick machen diese Schlafmuster einen lebensfremden Eindruck, weswegen Skepsis keinesfalls unangebracht ist, doch wagte ich letztes Semester (ungewollt) das Selbstexperiment…

Polyphasischer Schlaf, ein Erfahrungsbericht

Sie ist gefürchtet, die Lernphase an der HSG. Die Prüfungen rücken unaufhaltsam näher und die Zeit reicht nicht einmal mehr aus, um sich zu duschen. Rationalisierungsmassnahmen müssen her, Zeit gewinnen ist die Devise. Schneller lernen bringt nichts, also muss der Schlaf gedrosselt werden.

So geschah es mir letztes Semester und der Zeitmangel zwang mich, für drei Wochen mein Schlafpensum auf das Minimum zu reduzieren: eine dreistündige Hauptschlafphase von 3 bis 6 Uhr morgens und je nach Bedarf eingestreute Powernaps über den Tag verteilt. Auf diese Weise gewann ich fünf Stunden pro Tag und ich verspürte weiss Gott keine Erschöpfung. Ganz im Gegenteil: Ich fühlte mich so fit und erholt, dass ich mir selber nicht mehr ganz geheuer war.

Auf Anraten der besorgten Familie kehrte ich nach der Prüfungszeit auch schnell wieder zum konventionellen Schlafmuster zurück. Nichtsdestotrotz bleibt die Prüfungsphase eine interessante Erfahrung, und auf begrenzte Zeit scheint diese Methodik durchaus zu funktionieren. Ob die ganze Angelegenheit aber auf Dauer wirklich gesund ist, sei dahingestellt.

So viel zum studentischen Wahnsinn. Nicht gerüttelt wird dadurch aber an der Tatsache, dass man sich mit einer kleinen Siesta nach dem Mittagessen selber einen grossen Gefallen tut. In diesem Sinne: Geniesst die Pause!

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