Lifting für die «HSG-Gewerkschaft»

Im Mittelbau der Universität St. Gallen ist an der einen oder anderen Stelle der Wurm drin. Die anstehende Reform soll der grössten Gruppe von Angestellten an der HSG endlich zu (besser) funktionierenden Strukturen verhelfen.

1500. Das ist nicht etwa die Postleitzahl eines hinterwäldlerischen Bauerndorfes, sondern vielmehr die Mitgliederanzahl des Mittelbaus der HSG. Darunter werden angestellte Doktoranden, Lehrbeauftragte, Assistenz- und Titularprofessoren, ständige Dozenten und je nach Auffassung auch emeritierte Professoren subsumiert. «Der Mittelbau als Organisation ist sowohl bei den Mitgliedern, als auch ausserhalb kaum bekannt.» In Anbetracht der frappanten Heterogenität der Mitglieder kommt diese Aussage von Benjamin Märkli, Vorstandsmitglied des Mittelbaus, lediglich einer mittleren Sensation gleich.
Kuno Schedler, Prorektor Forschung & Faculty, ist dennoch überzeugt, dass die Bedeutung des Mittelbaus nicht unterschätzt wird. Denn der Mittelbau hat in allen Gremien der HSG seine Vertretungen und damit ein Mitspracherecht. «Es ist eher so, dass der Mittelbau schwer fassbar ist», erklärt Schedler. Auf die Wichtigkeit des Mittelbaus angesprochen, betont Benjamin Märkli, dass der Mittelbau aufgrund der zahlenmässigen Aufstellung einen grossen Teil der Arbeit an der HSG leistet. Das ist nicht nur im Lehrbetrieb, sondern auch in der Forschung der Fall.
Im zehnköpfigen Vorstand des Mittelbaus werden die meisten Aufgaben als Gremium bearbeitet. Einzig der Präsident kann gewisse Geschäfte alleine erledigen. Eigentliche Ressorts gibt es nicht, und die spezifischen Aufgaben werden ad hoc zugeteilt. Dreimal pro Semester findet eine ordentliche Sitzung statt. In hohem Grade problematisch ist, dass manchmal nur schwer Informationen zwischen Vorstand und Gremienvertretern fliessen können. Nun soll die Organisation so reformiert werden, dass der Mittelbau seine Vertretungsfunktion effektiver wahrnehmen kann.

Unstrukturierte Strukturen

Die weiteren Gründe, weshalb die anstehende Reform von grosser Dringlichkeit ist, sind vielfältig. Einerseits gibt es kein institutionalisiertes Verfahren, mithilfe dessen auf strukturierte Art und Weise von allen betroffenen Gruppen des Mittelbaus Stellungnahmen eingeholt werden können. Andererseits liegen der Uni die administrativen Daten des Mittelbaus nicht in aggregierter Form vor. Eine Stelle hat alle Mail-Adressen, eine zweite weiss, welchen Personen Lohn bezahlt wird, und eine dritte Stelle hat Kenntnis darüber, wer wo forschungsmässig angegliedert ist. Mehr Dezentralisation geht nicht.
Zusätzlich gibt es personelle Hürden: Die Assistenten verfügen über eine sehr hohe Fluktuation; externe Lehrbeauftrage haben ein stark beschränktes Interesse daran, sich angesichts des Zusatzaufwandes und des überschaubaren Mehrwerts im Mittelbau einzubringen. Wenig förderlich ist, dass Selbstverwaltungsaufgaben des Mittelbaus im Wesentlichen ehrenamtlich erfolgen. Augenscheinlich ist es lukrativer, in dieser Zeit etwas zu publizieren, als sich in ebendieser Selbstverwaltung zu engagieren.
Ein äusserst verführerischer Ansporn wäre, das Engagement von Mittelbau-Vertretern mit einer Reduktion der Lehrverpflichtungen zu honorieren – sowie das an anderen Universitäten bereits der Fall ist. Konkret zur Diskussion gestanden ist eine solche Entlastung gemäss des Vorstandsmitglieds Benjamin Märkli allerdings (noch) nicht. Prorektor Kuno Schedler stellt klar: «Das Engagement der Faculty in akademischen Kommissionen wird an der HSG generell nicht mit einer Reduktion der Lehrverpflichtungen honoriert. Das ist Teil des Jobs.» Nur in Ausnahmefällen ist eine Reduktion möglich. Ob dies für das Präsidium des Mittelbaus der Fall ist, wird von der Universitätsleitung im Rahmen des Projekts zu beurteilen sein.

Stupa 2.0?

Anhand der Reform soll die Vertretung aller Teilbereiche und Schools institutionalisiert werden. Es soll sichergestellt werden, dass alle Anspruchsgruppen repräsentiert sind. Dies wird gemäss Märkli, Vertreter der Law School, aller Voraussicht nach über eine Statutenänderung angestrebt. Die Zusammenführung der administrativen Daten der Mittelbau-Angehörigen befindet sich ebenfalls auf vielversprechendem Weg. Im Vorstand zirkuliert auch die eine oder andere revolutionäre Idee: «Es gibt Überlegungen, ein Mittelbau-Parlament im Stile des Studentenparlaments zu gründen», berichtet Benjamin Märkli.
«Da der Mittelbau eine Interessenvertretung ist, gibt es zwischen uns und der Universitätsleitung bisweilen Diskussionspunkte. Die Kommunikation funktioniert aber gut», stellt Märkli klar. Die Organisation verfügt über evidente Parallelen mit einer Gewerkschaft im Arbeitsmarkt. Zwischen dem Arbeitgeber (Universitätsleitung) und der Gewerkschaft (Mittelbau) gibt es gewisse Spannungen. Das liegt in der Natur der Sache und ist unvermeidlich. Diesbezüglich liess Erik Hofmann, Präsident des Mittelbau-Vorstandes, gegenüber dem St. Galler Tagblatt verlauten, dass er die Diskussionskultur an der HSG sehr schätze. «Wenn man gut argumentiert, kann man viel erreichen.» Für die anstehende Reform kann der Mittelbau fürwahr auf tatkräftige Unterstützung vonseiten der Universitätsleitung zählen. «Das Rektorat sieht die Notwendigkeit einer solchen Reform und hat daher das Projekt von Anfang an aktiv unterstützt», betont Schedler. Das gipfelt darin, dass die Uni eine befristete 50-Prozent-Stelle für das Reformprojekt gesprochen hat.

Kooperationskiller Fluktuation

Benjamin Märkli betont das reichlich vorhandene Interesse des Mittelbaus an einer verstärkten Zusammenarbeit mit der Studentenschaft (SHSG). Diesen Plänen steht regelmässig das Problem der noch höheren Fluktuation im Vorstand der SHSG (jährliche Neuwahl) im Weg. Das letzte gemeinsame Projekt, an dem Märkli beteiligt wahr, nahm längere Zeit in Anspruch und schliesslich wurde der Vorstand der Studentenschaft ausgewechselt. Beim neuen Vorstand war das ganze Projekt dann nicht mehr auf dem Radar. Doch auch die SHSG strebt nach intensiverer Zusammenarbeit mit dem Mittelbau. «Wir werden uns demnächst mit dem Vorstand des Mittelbaus treffen, um mögliche Synergiepotenziale zu besprechen», gibt Mario Imsand, Präsident der SHSG, zu Protokoll. Das Prorektorat Forschung & Faculty wurde erst im Sommer 2016 in dieser Form geschaffen und befindet sich noch im Aufbau. Prorektor Kuno Schedler kann trotzdem von intakten Kommunikationflüssen berichten: «Der Präsident des Mittelbaus und ich stehen in regelmässigem Kontakt und haben ein sehr gutes Einvernehmen.»

Die Reform ist nicht alles

Darüber hinaus wird auf das kommende Herbstsemester hin ein neues Konzept für Karrierewege im Mittelbau in Kraft treten. Mithilfe dieses Konzepts können vielversprechende Nachwuchswissenschaftler auf einem Karrierepfad zum assoziierten Professor befördert werden. Ausserdem können junge Akademiker dank eines seit einem Jahr existierenden Programms ihre Karrierechancen rechtzeitig abklären. Es tut sich also auch neben der eigentlichen Reform so einiges.
Benjamin Märkli und mit ihm der gesamte Mittelbau-Vorstand blickt guten Mutes in die nahe Zukunft: «Das aktuelle Reformprojekt ist gut aufgestellt und ich bin überzeugt davon, dass dieses Projekt ein erfreuliches Ende finden wird.» Bis Ende Oktober soll die Neuordnung fertig ausgearbeitet sein. Möge das anstehende radikale und ganzheitliche Lifting die gewünschte Wirkung entfalten.

Bild: Nina Amann


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