Nichts dem Zufall überlassen

Casinos und andere Glücksspielanbieter machen sich die Wahrscheinlichkeitsrechnung auf Kosten der Spieler zunutze. Der Staat schaut zu und kassiert.

Die Quote ist ein essentieller Bestandteil der stochastischen beziehungsweise statistischen Terminologie und als solche Teil einer Wissenschaft, deren erklärtes Ziel es ist, der Ungewissheit des Lebens Herr zu werden. Der Willkür und Unerklärbarkeit trotzend, fügte die Statistik seit ihrer Entstehung den Einzelfall in eine Ordnung ein, der zumindest in ihrer Gesamtheit etwas Sinnhaftes oder zumindest Erklärbares zukommt. Das gottgewollte Schicksal oder Glück wurde dadurch vom Konzept des statistisch erklärbaren Zufalls abgelöst. Beginnend im 17. Jahrhundert, war der Siegeszug der Statistik absehbar: Ausgehend von den staatlichen statistischen Büros der Finanzministerien zur Zeit des Merkantilismus, die durch ihren Anspruch, die Wirtschaft zentralistisch zu steuern, auf eine grosse Menge an Daten angewiesen waren, erfasste diese Wissenschaft nach und nach verschiedene Bereiche des menschlichen Lebens und revolutionierte so unser Verständnis der Umwelt. Dieses basierte fortan unter anderem auf mathematischer Vernunft.

Fortuna im Casino suchen

Doch scheint es auch hierzulande weiterhin Tempel des irrationalen Schicksalsglaubens zu geben, in welche wöchentlich zehntausende Gläubige pilgern, um der Glücksgöttin Fortuna zu huldigen. Die 21 Casinos in der Schweiz erwirtschafteten im Jahr 2013 einen Bruttospielertrag von 746 Millionen Franken. Daneben existieren unzählige Online-Spielbanken und Wettbüros, welche mit scheinbar attraktiven, auf Wahrscheinlichkeitsrechnung basierenden Gewinnquoten um Kundschaft werben. Obwohl das Glücksspiel schon in der Antike und später die Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung, Blaise Pascal und Pierre de Fermat, zu stochastischen Überlegungen anregte, konnte sein Reiz nicht gebändigt werden. Dieser ist vielmehr der menschlichen Psyche als der mathematischen Forschung geschuldet. Da man Leuten Schicksalsglauben zugesteht, läge darin auch kein Problem, würden auf der anderen Seite der Roulettetische und Wettbürotresen nicht mathematisch versierte Geschäftsleute stehen, die nichts dem Zufall überlassen. Diese wissen genau, dass Glücksspiel nur beschränkt mit Glück zu tun hat, und so werden Gewinnquoten so angesetzt, dass langfristig nur die Betreiber gemäss des wahrscheinlichkeitsrechnerischen Kalküls Gewinn erzielen. Beim Roulette zum Beispiel wird genau ein Siebenunddreissigstel nicht an die Spieler zurückgezahlt – langfristig eine grosse Summe.

Der Staat als Nutzniesser

Wie kann ein solch offensichtliches Ausnutzen, das schon fast an legalen Diebstahl grenzt, vonseiten des Staates in der Form der Duldung goutiert werden? Das Argument, dem Glücksspiel würde im Falle fehlenden inländischen Angebots sowieso im Ausland nachgegangen, scheint wenig stichhaltig. Vielmehr haben die Finanzministerien seit dem 17. Jahrhundert das Rechnen nicht verlernt. Knapp die Hälfte des erzielten Spielertrags der Casinos ging in Form von Steuern an den Fiskus. Dazu kommen Kulturfonds, die mehrheitlich durch Lotto finanziert werden. Dass wir ein gutes Kulturprogramm haben, hat also nichts mit Glück, Schicksal oder Zufall zu tun, sondern mit tüchtigen Spielcasinos und schlauen Steuerbeamten.

Foto Depositphotos


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