Pflanzenpolitik

Gehören Tiere auf den Teller? Nicht nur an Uni-Mensen wird hitzig über Menüpläne diskutiert. Die Frage wird immer mehr zur politischen Kontroverse.

Letzten Herbst geisterte die Idee eines Vegi-Tags für die Schweizer Armee durch die Medien, nachdem die norwegische Armee im Kampf gegen den Klimawandel den fleischlosen Montag eingeführt hatte. Anfang April dieses Jahres machte der Verein Sentience Politics mit zwei kantonalen Volksinitiativen von sich reden, welche die Verwaltungen in Basel und Bern dazu verpflichten sollen, das vegetarische und vegane Ernährungsangebot in öffentlichen Kantinen auszuweiten. Die Argumentation der Initianten und anderer Befürworter von mehr pflanzlichem Essen umfasst im Wesentlichen drei Bereiche: Umweltschutz, Gesundheit und Tierwohl.

Doch diese Ideen polarisieren: So argumentieren die Gegner, durch solche Vorhaben würde die individuelle Wahlfreiheit der Mehrheit eingeschränkt. Bastien Girod, Nationalrat der Grünen Partei und Unterstützer der Sentience-Initiativen, widerspricht: «Im Gegenteil. Solche Initiativen zielen darauf ab, die Wahlfreiheit der Konsumierenden zu erhöhen. Wir bleiben aus Trägheit oft beim Alten, auch wenn Neues objektiv betrachtet besser – in diesem Fall klima-, tier- und umweltfreundlicher – wäre. Hier sind Nudges nötig, um unsere Standards im Alltag zu hinterfragen.» Der «Nudge», übersetzt «Schubser», basiere auf Erkenntnissen der Verhaltensökonomie. Ein Beispiel dafür ist ein Elektrizitätswerk, das als Standard Ökostrom liefert. Wer dies nicht will, muss sich bewusst dagegen entscheiden anstatt umgekehrt. Heute würden wir zugunsten der Tierprodukte beeinflusst, so Girod. Konkret geht es den Initianten also darum, der vegetarischen und der veganen Küche durch ein breiteres und attraktiveres Angebot mehr Selbstverständlichkeit zu verschaffen, sodass der Griff zu solchen Menüs häufiger geschieht und der Entscheid für ein Fleischgericht bewusster gefällt werden muss.

Nicht einverstanden mit Girods Sichtweise ist Andrea Caroni. Der FDP-Nationalrat findet es zwar selbstverständlich, dass Restaurants auch vegetarische Optionen anbieten: «Die private Gastronomie muss man dazu nicht zwingen, die öffentliche kann man als Eigentümer, sprich als Staat, durchaus dazu verpflichten. Aber das vegane Angebot sehe ich nicht als zusätzlich förderungswürdig an, die Forderung scheint mir mehr ideologisch als tierschützerisch oder kulinarisch begründet.» Ein Freilandhuhn, so Caroni weiter, dessen Ei man esse, komme ja nicht zu Schaden.

Tierprodukt essen, Tierfreund sein?

Andrea Caroni, der eigene Hühner hält (die er nicht essen würde), gibt ausserdem zu bedenken, dass die Menschheit seit Urzeiten zwischen Haus- und Nutztieren unterscheide: «Ein Bauer, der seine Kälber metzgen lässt, würde ja auch nicht seinen Appenzeller Sennenhund essen. Zu diesem hat er eine Beziehung aufgebaut, so wie ich zu meinen Hühnern.» Wenn er Poulet esse, denke er nicht an seine Hühner, das seien zwei Dinge. Unsere Zuneigung sei eben differenziert.

Hat also das tierschützerische Argument seitens der Veganer kein Fleisch am Knochen? Adriano Mannino, Initiant der Sentience-Initiativen, argumentiert, auch Freilandhühner würden nach einem Bruchteil ihrer Lebenserwartung getötet, wenn ihre Produktivität abnehme. Zudem würden männliche Küken der Legehennen-Zuchtlinie gleich nach dem Schlüpfen zu Tausenden vergast, da sie wenig Fleisch ansetzten und ihre Aufzucht somit nicht lukrativ sei. Das gelte auch bei Freilandhaltung.

Klimaschutz am Tisch

Dass Tierprodukte zum Klimawandel beitragen, wird weitgehend anerkannt, so auch von der UNO. Als Hauptfaktoren des Klimawandels werden meist nur die Bereiche Verkehr und Wohnen genannt. Gemäss der UNO-Welternährungsorganisation FAO verursacht die Nutztierhaltung jedoch 14.5 Prozent der Treibhausgasemissionen und sei damit ebenso klimaschädlich wie der Verkehr mit 15 Prozent. Bei der Frage ob dies die Ernährung zum geeigneten Ansatzpunkt für Klimaschutz macht, scheiden sich aber offensichtlich die Geister.

Durch eine Anpassung des Menüplans den ökologischen Fussabdruck der HSG-Mensagänger zu reduzieren, war das erklärte Ziel von oikos im Zusammenhang mit dem Lifestyle-Menü. Dieses ist abgesehen von einer gelegentlichen Fischoption vegetarisch. In der Regel offeriert die Mensa also täglich eine fleischlose Option in Form dieses Menüs; explizit vegane Optionen gibt es keine. Wie steht die HSG mit diesem Angebot im Vergleich zu anderen Unis da?

An der Uni Basel erfolgte Anfang 2013 eine Umstellung auf ein nachhaltigeres Verpflegungskonzept. Eine konkrete Massnahme ist beispielsweise die Erweiterung des vegetarischen Angebots auf 50 Prozent des Gesamtangebots. Pro Woche werden ein bis zwei vegane Menüs serviert. In Bern können in der Regel neben einem täglichen, vegetarischen Menü zwei vegane Menüs pro Woche und jeden Tag ein veganes Sandwich gegessen werden.

In Zürich, wo die Mensa vom gleichen Anbieter wie in Bern betrieben wird, soll 2015 neben den diversen bestehenden ein rein vegetarisch-veganer Standort eröffnet werden.

Überzeugung geht durch den Magen

Wenn es ums Essen geht, führt wohl kein Weg an den Geschmacksknospen vorbei. Neben all den rationalen Diskussionen über Umwelt, Tierwohl und Gesundheit bleibt somit noch die Genussfrage. Dass fleischhaltige Gerichte als lecker empfunden werden, ist in Anbetracht der Verkaufszahlen der grossen Mensen-Betreiber in der Schweiz gegeben. Stehen fleischfreie beziehungsweise tierproduktfreie Menüs aber tatsächlich hinten an, oder wirkt die Macht der Gewohnheit? In einem Experiment hat der deutsche ZDF-Fernsehkoch Christian Rach Bundeswehr-Soldaten vegetarische Currywurst zur Degustation serviert, ohne dass diese um die pflanzliche Herkunft des Essens wussten. Anschliessend wurden die Soldaten um eine Bewertung gebeten – niemand hat etwas bemerkt. Ob ein St. Galler eine Olma-Bratwurst (ohne Senf natürlich) wohl von einer vegetarischen Bratwurst unterscheiden könnte? Eine interessante Frage, die am besten bei einem Degustierexperiment in der Praxis beantwortet werden würde!


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