prisma-Kochwettbewerb

Nach dem perfekten Mittagessen der letzten Teilnehmer war prisma diesmal wieder zu einem klassischen Dinner eingeladen: Filet an der Rötelistrasse

Nach einem appetitanregenden Spaziergang auf den Rosenberg wurde ich von den vier Bewohnern willkommen geheissen. Schön ruhig ist es dort oben, wo viele Bäume zwischen den Häusern stehen und man – wüsste man es nicht – vergessen könnte, dass man in der Grossstadt St. Gallen ist. Leider wird die Ruhe durch die Zöglinge des Instituts auf dem Rosenberg empfindlich gestört. Es scheint, man bringe den Schülern dort nicht bei, dass die Tatsache, dass der Passant kein Russisch versteht, nicht unbedingt ein Grund ist, sich derart laut zu unterhalten. Es ist aber offensichtlich doch ganz lustig, wenn man in der Nähe des Instituts wohnt: Wo sonst kann man beobachten, wie jemand für den nicht mal zweihundert Meter langen Schulweg ein Taxi nimmt, weil die Absätze keine mehr als zwanzig Meter lange Strecke zulassen?

«In dubio pro reo»

Mit solchen Anekdoten und der allgemeinen Vorstellungsrunde ging auch der Apéro mit Bruschetta ganz schnell vorbei und wir wurden zu Tisch gebeten. Schade daran, dass es so schnell ging, bis wir zu Tisch gebeten wurden, ist, dass ich gar keine Gelegenheit hatte, beim Einkauf oder bei den Vorbereitungen dabei zu sein. So bin ich bis heute im Ungewissen darüber, ob nicht doch ein wenig getrickst wurde. Um den Spass an der Sache zu erhalten, müssen wir uns wohl alle auf die Ehrlichkeit der vier Köche verlassen. Es ist auch schwer vorstellbar, dass ein geistig gesunder Mensch betrügen sollte, nur um den Eindruck zu vermitteln, er könne kochen. Dieser Eindruck wurde uns tatsächlich effektvoll vermittelt.

Dies liegt sicherlich daran, dass die Schweizer in dieser WG in der Überzahl sind. Schliesslich ist die Schweiz weltweit das Land mit den meisten Michelin-Sternen pro Kopf. Noel, Robert und Gabriel haben als Bürger dieses Schlaraffenlandes also bestimmt einen guten Einfluss auf Oliver, den einzigen Deutschen in der WG.

Nicht nur sind drei von vier Bewohnern Schweizer, diese sind auch alle auf der Assessment-Stufe. Ich deute es als gutes Zeichen, dass trotzdem regelmässig Zeit für gemeinsame Essen bleibt. Damit ist für mich erwiesen, dass diejenigen, die das Assessmentjahr als zu stressig für soziale Aktivitäten empfinden, irgendetwas falsch machen. Wie mir erklärt wurde, wird jeweils am Montag festgelegt, wer wann kocht. Danach braucht sich jeder nur noch um seinen Tag zu kümmern und kann sich während dem Rest der Woche einfach an den gedeckten Tisch setzen. Am Wochenende findet dann auch in dieser WG der übliche Exodus statt und man geht heim zur Mami, um sich den Bauch gleich noch mal vollzuschlagen.

Bedienung wie im Restaurant

Die Tatsache, dass wir erst spät kamen und beim Kochen nicht dabei waren, gab dem Ganzen ein angenehmes «Restaurantfeeling». Wenn man sich nicht mit der harten Arbeit auseinandersetzen muss, die hinter jedem Gericht steht, isst es sich viel unbeschwerter. Man hat dann auch nicht den Eindruck, man müsse die Mühe mitbewerten, sondern kann sich ganz auf den Geschmack konzentrieren. Bei der Vorspeise war der ausgezeichnet. Die Tomaten hatten ihren Eigengeschmack gut behalten und die Suppe war auch nicht zu aufdringlich gewürzt. Den Minzpesto dazu halte ich für eine gute Idee. Vielleicht aber wäre eine Warnung angebracht gewesen, dass schon eine Messerspitze von dem Zeug der Suppe nicht nur eine Note, sondern einen komplett anderen Geschmack verleiht. Weiterhin wäre es zu empfehlen gewesen, die Teller vorzuwärmen oder bereits auf dem Menuplan anzukündigen, dass die Suppe eine lauwarme ist.

Mit der zweiten Vorspeise wurde dann alles ausgeglichen, was an der Suppe zu bemängeln war. Abgesehen davon, dass es grundsätzlich bei jedem Essen mehrere Vorspeisen geben sollte, schmeckten die selbst gemachten Ravioli auch wirklich gut. Die Gastgeber gaben denn auch unumwunden zu, dass Jamie Oliver ihnen ein wenig behilflich gewesen war. Wenn man sich für einen echten Gourmet hält, rümpft man vielleicht die Nase über so einen Fernsehkoch. Für den kulinarisch eher einfach gestrickten prisma-Redaktor war es bei weitem gut genug. Ich nehme das auch als weiteren Beweis, dass es besser ist, ein einfaches Rezept gut umzusetzen, als ein anspruchsvolles zu versauen.

Die Kuh im Saumantel

Glücklicherweise haben die zwei Chefköche Noel und Oliver aber auch den (etwas anspruchsvolleren) Hauptgang nicht versaut. Im Gegenteil, jeder am Tisch hat sein Filet so bekommen, wie er es sich gewünscht hatte. Dieses Filet hat mich aber auch darauf gebracht, dass wir bei der Bestimmung des Budgets die abnehmenden Grenzkosten ausser Acht gelassen haben. Wie sonst wäre es möglich, dass sich alle bisherigen Teilnehmer über zu wenig Geld beschwert und Schwein serviert haben. Wir möchten uns an dieser Stelle für diesen Berechnungsfehler entschuldigen. Begabte Studenten sind eingeladen, ihre Berechnungen zum Thema Grenzkosten bei viergängigen Menus an die Redaktion zu schicken. Sollten wir Verwendung für die erwarteten bahnbrechenden Erkenntnisse haben, werden diese mit Eintrittskarten zur nächsten prisma-Party belohnt.

Aber zurück zum Hauptgang. Da schmeckte wirklich alles ausgezeichnet. Mein Problem war, ähnlich wie schon bei der Suppe, dass manche Zutaten mehr Geschmack entfalteten als andere. Deshalb schmeckte das Filet halt etwas mehr nach dem Speckmantel als nach der Kuh.

Die Nemesis

Und dann kam die Nemesis. Oder zumindest wurde sie auf der Karte angekündigt. Meine Gedanken überschlugen sich, während ich darüber nachdachte, welches Dessert dieses Prädikat verdienen würde. Vor meinem inneren Auge sah ich eine Torte, die man nicht durch die Tür kriegt und die so viele Kalorien hat, dass man in manchen Ländern ein ganzes Dorf versorgen könnte (siehe Thema).

Mit den Kalorien lag ich richtig, mit dem Umfang nicht. Was ich bekam, war die angeblich «schoggigste Schoggitorte der Welt», serviert mit Erdbeercoulis und Vanilleeis. Auch wenn die Ankündigung vielleicht etwas vollmundig gewesen war, habe ich einen Nachschlag nicht ausgeschlagen. Wie schon bei der Suppe ist es den Köchen sehr gut gelungen, den Geschmack der wichtigsten Zutat zu erhalten. Weder war die Beilage zu dominant, noch war die Sache zu süss. Das wäre allerdings auch nicht so tragisch gewesen. Gerade an dem Punkt, wo normale Menschen eigentlich nicht mehr weiteressen, wurde eine kleine Käseplatte aufgetragen. Diese, im Verbund mit einem Dessertwein, gab allen so schön den Rest, dass sich die Runde bald auflöste.

Unvergleichlich …

Die schwierigste Aufgabe des prisma-Genussredaktors ist es, die bisherigen zwei Konkurrenz-WGs zu vergleichen und zu bewerten. Wie kann man das perfekte Mittagessen mit einem klassischen Abendessen vergleichen? Beide waren, was das Handwerkliche betrifft, nahe an der Perfektion. Zwar hatte ich in der letzten Ausgabe einen Gang weniger und nur ein Getränk. Dafür bin ich aber heute noch beeindruckt von der Energie, mit der die Schnitzel angegangen wurden. Am Ende bleibt nur, die Reminiszenzen an die guten alten Tage, ebenso wie die Freude über die schoggigste Schoggitorte, hintanzustellen und sich streng an die vier Punktekategorien zu halten.

Das Rating
Organisation 8
Dekoration 9
Komposition 8
Ausführung 7

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