Probleme lösen, nicht ständig vertagen

Was wäre ein Boulevardblatt ohne Meinungsartikel? prisma möchte allerdings einen konstruktiven Weg einschlagen.

Die Chance, Mut und Selbstbewusstsein zu zeigen, verpasst

Als Studierender enttäuscht mich das Verhalten meiner Universität in der Affäre Thielemann sehr. Gerade ein Wirtschaftsethiker sollte jederzeit und überall seine Meinung sagen können. Dass die Führung der Universität bei einer unbequemen Meinung eines Mitarbeiters sich nicht entschieden hinter diesen stellt, finde ich höchst bedauerlich. Loyalität geht nämlich immer in zwei Richtungen. Hier hätte sich eine gute Gelegenheit ergeben, Mut und Selbstsicherheit gegenüber Wirtschaftskreisen und polternden Hexenjaegern zu demonstrieren und für seine eigenen Mitarbeiter einzustehen. Diese Chance wurde leider vertan. Durch das halbherzige und zögerliche Handeln der Universität bekommen Leute wie Christoph Mörgeli leider Recht: Wirtschaftsethik an der HSG verkommt zur Farce. Gerade einer Universität, die sich selber immer als Elite bezeichnet, hätte es gut angestanden, wenn sie für Werte wie Wissenschaftsfreiheit und Loyalität gegenüber ihren Mitarbeitern eingestanden wäre. Stattdessen ist die Uni in den Augen vieler Bürger und HSG-Studierender eingeknickt.

Die Chance, eine Diskussion in Gang zu setzen, verpasst

Der Anlass hätte eine gute Gelegenheit sein können, eine Debatte in Gang zu setzen, die seit mehr als einem Jahrzehnt hätte geführt werden müssen. Können wir unsere Art, wie wir in Steuerfragen mit dem Ausland umgehen, noch moralisch vertreten? Können wir es uns überhaupt leisten, die gängige Praxis zu ändern? Was würde sich ändern? Was für Auswirkungen hat unsere Politik in dieser Sache auf unser Ansehen in der Welt und auf das Verhältnis zu unseren Nachbarn? Anstatt sachlich zu diskutieren, wurden diejenigen, welche sich getrauten, solche Fragen zu stellen, entweder als Einfaltspinsel oder Landesverräter hingestellt.

Die HSG hätte in diesem Frühling aus diesem nationalen Verdrängungsmechanismus ausbrechen und ihr akademisches Gewicht auf die Waagschale legen können. Damit hätte sich die Universität St. Gallen weiteres Renommee als seriöse Wissenschaftsorganisation gesichert. Denn was wäre nobler gewesen, als die erste Wirtschafts-Elite-Universität zu sein, welche problematische Punkte bei der Steuerpolitik anspricht, anstatt brav mit der Herde zu laufen?

Die «Moral» von der Geschichte

Ich bin mit folgendem Grundsatz aufgewachsen: Bevor man einen anderen für ein Missgeschick verantwortlich macht, sollte man erst einmal vor der eigenen Türe kehren und sich fragen, was man selber verbessern kann. Auch in der Schweiz sollte man sich fragen, was eigentlich genau passiert ist, was falsch gelaufen ist und wie man nun das Beste aus der Situation machen kann. Eine Hetzjagd auf Steinbrücks und Thielemänner lenkt dabei vom Thema ab. Es wird Zeit, dass wir uns fragen, ob wir mit solchen Steuertricks in der heutigen Welt bestehen können und wollen.

Viele Menschen arbeiten und leben gerne in der Schweiz. Nicht nur Steuervorteile, sondern auch die hohe Lebensqualität der Mitarbeiter und das erstklassige Know-how von uns Schweizern machen die Schweiz für Unternehmen attraktiv. Wir haben es nicht nötig, auf faule Tricks zurückzugreifen. Fragen wir uns lieber, wie wir unsere übrigen Vorteile noch besser ausspielen können. Für diesen Weg bräuchte es jedoch Mut und Standhaftigkeit gegen jene, welche Angst vor Veränderungen haben oder sich ihre persönlichen Vorteile sichern wollen. Ich hoffe, dass wir sowohl in der Schweiz als auch an unserer Universität diesen Mut in Zukunft vermehrt aufbringen.


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