Rösti oder Dim Sum?

Philipp Behrends berichtet vom Asian Culture Transfer 2008 mit der Chinese University of Hongkong.

ACT – diese drei Buchstaben stehen für den «Asian Culture Transfer», ein jährlich stattfindendes Austauschprogramm mit einer asiatischen Universität unter der Schirmherrschaft der Studentenschaft. Dieses Jahr konnten wir die Chinese University of Hongkong als Partner gewinnen, eine der renommiertesten Universitäten im ostasiatischen Raum.

Zum ersten Mal in einem Club

ACT – diese drei Buchstaben stehen genauso für zwanzig aufregende Tage voller unvergesslicher Erlebnisse, kleiner kultureller Schocks und neuer Freundschaften. Und so fanden sich an einem regnerischen Montag im Juli zwanzig HSG-Studenten zu morgendlicher Stunde am St. Galler Bahnhof ein, um ihre «Buddies» aus Hongkong willkommen zu heissen. Eine herzliche Begrüssung und ein gutes «z’Morge» machten das schlechte Wetter vergessen und halfen bei den ersten Annäherungsversuchen. Der Besuch des verschneiten (!) «Mount Säntis» und die anschliessende Führung durch die Appenzeller Destillerie mit Degustation trugen ihr Übriges dazu bei, dass am Abend alle Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Hongkong-Chinesen und Schweizern verflogen waren. Während der nächsten neun Tage erkundeten wir gemeinsam die Schweiz – in wirtschaftlicher, politischer, kultureller und kulinarischer Hinsicht. Auf den Besuch der Rheinfälle folgte ein Workshop einer namhaften Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über «Intercultural Understanding». Die Besuche bei «Präsenz Schweiz» und bei der chinesischen Botschaft verbanden wir mit einer Erkundung Berns sowie mit dem obligaten Ausgang am Abend – manche der Chinesen waren tatsächlich noch nie in einem Club gewesen, dürften nun aber auf den Geschmack gekommen sein. Weitere Stationen unserer kurzweiligen Schweizreise waren Genf mit der UNO und einer formidablen Stadtführung, Lausanne mit dem Olympischen Museum und Luzern mit dem Pilatus. Sicher hätte es zum Abschied viele Tränen gegeben, wäre da nicht das Beste an ACT – der Gegenbesuch. Und so machten wir uns fünf Tage nach der Verabschiedung unserer Buddies auf den Weg nach Hongkong.

Hongkong versus St. Gallen

Wahnsinn – der Unterschied zwischen dem beschaulichen St. Gallen und der Metropole Hongkong mit ihren sieben Millionen Einwohnern war erdrückend und faszinierend zugleich. Das feuchtwarme Klima, die Menschenmassen, Taifune und die endlosen Häuserschluchten suchen in der Schweiz ihresgleichen. Für Verschnaufpausen blieb wenig Zeit, auf offizielle Empfänge mit den Botschaftern Roth und Müller folgten ausgedehnte «Dinnernights» und abwechslungsreiche Vorträge von Politikern, Filmregisseuren und dergleichen mehr. Wir besuchten Unternehmen wie Hongkong Electrics und das Management des Hafens und gaben unser hart erspartes Geld beim Shopping aus, dem Lieblingshobby der Hongkong-Chinesen. Die ganze Zeit lang waren wir auf dem Campus der Chinese University einquartiert, hatten aber während des «Buddy Home Stay» die Chance, einen Abend lang mit den Familien unserer Austauschstudenten zu dinieren und deren Alltag auf engstem Raum mitzuerleben.

Kulturschock «Begrüssungs-Küsschen»

Neben all den interessanten Sehenswürdigkeiten und Events waren es aber vor allem wir Teilnehmer und unsere Vertrautheit untereinander, für die sich ACT 2008 das Prädikat «wertvoll» verdient hätte. Zum Projektstart wurde jedem Schweizer Teilnehmer ein asiatischer «Buddy» zugeteilt, den er dann eine Zeit lang bei sich aufnahm, bevor wir alle in ein Pfadiheim zogen. Überraschend viele Unterschiede und Gemeinsamkeiten im alltäglichen Umgang wurden so für uns erst offensichtlich: Die Hongkong-Chinesen waren von unserer «Naturverbundenheit» (wozu selbst der Besuch eines Freiluftcafés zählte) genauso überrascht wie wir von den «Air-Conditioners», die so manches Gebäude in Hongkong auf Eisschranktemperaturen herabkühlten. Unsere chinesischen Freunde waren anfänglich irritiert von den Schweizer Begrüssungs-Küsschen, fanden dann aber zunehmend Gefallen an dieser Tradition. Auch beim Essen konnte jeder Teilnehmer noch dazulernen: Was dem Schweizer seine Rösti, ist dem Chinesen sein Dim Sum – und sowieso wird Essen mit Stäbchen zuweilen zum puren Nervenkitzel. Nachdem wir zwanzig Tage miteinander verbracht hatten, kamen uns all diese Gewohnheiten fast liebenswert vor. Dementsprechend schwer gestaltete sich der Abschied von unseren Freunden in Hongkong. Was bleibt, ist die Erinnerung an ein interkulturelles Erlebnis der besonderen Art, das uns gezeigt hat, wie gut zwei verschiedene Kulturen miteinander harmonieren können.


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