Wie Tag und Nacht: Zwei Blicke in die Zukunft

Prognosen, Blicke in die Zukunft, sind schwierig. Wie geht es weiter mit der Menschheit? Ist es bereits zappenduster, fünf vor zwölf und wir sind dabei, uns selbst zu zerstören? Oder bricht etwa der himmlische Tag auf Erden gerade erst an? Zwei Visionen.

Nacht

Zukunft. Eigentlich ein Begriff, der in jungen Menschen, die noch nicht in den Berufsalltag eingestiegen sind und noch ihr ganzes Leben vor sich haben, ein erwartungsvolles Kribbeln auslösen sollte. Wie wird es sein, wenn der Startschuss zum spannenden, erbarmungslosen, richtigen Leben fällt? Wenn man sich jenseits jeder schützenden, strukturierten Bildungsinstitution befinden wird? Wenn man alle Optionen offen haben wird, sein eigenes Geld verdient, man gehen kann, wohin man will?

Was aber, wenn dieser Startschuss gar nie fallen wird? Was, wenn das ganze «Sich-Schlängeln» durch Bildungsinstitutionen völlig sinnlos war? Diese Frage ist nicht abwegig oder pessimistisch, sie ist vielmehr unangenehm realistisch.

Die Welt, wie es sie für unsere Grosseltern, für unsere Eltern gab, wird es für uns nicht mehr geben. Noch schlimmer: Es gibt sie schon heute nicht mehr. Diese Aussage ist nicht schwarzmalerisch, sondern wissenschaftlich belegt. Die Meinungen, wie viele Erden es genau geben müsste, wenn jeder Mensch einen durchschnittlichen schweizerischen, europäischen oder US-amerikanischen Lebensstandard geniessen möchte, gehen zwar auseinander. Allen gemein ist aber, dass es deutlich mehr als eine sind. Wir haben keine zweite Erde. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung weiter. Es lässt sich zwar argumentieren, dass Chinas Ein-Kind-Politik in ferner Zukunft zu einem Schrumpfen der chinesischen Bevölkerung führen wird, was durch den Überfluss an Männern noch verstärkt wird. Aber es geht nicht nur um China. Es gibt auch noch Indien oder Afrika. Die Gesamtbevölkerung der Erde wird wachsen und die vorhandenen Ressourcen werden sich nicht plötzlich magisch vermehren.

Um die Konsequenzen zu erahnen, muss man kein Prophet sein. Die Erde wird geplündert, die Wirtschaft versucht der steigenden Nachfrage an Gütern gerecht zu werden, ohne Rücksichtnahme auf zukünftige Generationen. Um die Energie für die gesamte Wirtschaftsleistung bereitzustellen, wird der letzte Tropfen Erdöl mühsam aus der Erde gequetscht. Wie viele Chemikalien dabei den Weg in unser Ökosystem finden, ist genauso sekundär, wie die Frage, ob Treibhausgase den Klimawandel nun tatsächlich beschleunigen. Die Wirtschaft wird nicht aufgeben; das Zinssystem ist auf Wachstum ausgerichtet; schon Stagnation bedeutet den Kollaps. Deshalb wird es auch zu dieser letzten Konsequenz kommen. Die nicht-erneuerbaren Ressourcen werden zu Ende gehen und die erneuerbaren Ressourcen in einem zerstörten Ökosystem nicht mehr erneuerbar sein. Mutter Erde gibt dem Menschen die Quittung für sein Handeln auf ihre Art und entzieht ihm seine Lebensgrundlage.

Zukunft. Eigentlich ein Begriff, der ein erwartungsvolles Kribbeln auslöst und auf ein Leben voller Optionen hoffen lässt. Zukunft, leider auch ein Begriff der Unsicherheit, der Frage, ob das, was wir mit ihr verbinden, nicht schon der Vergangenheit angehört. Wer die Augen richtig aufmacht, sieht schwarz.

Tag

«Zukunft ist etwas, das die meisten Menschen erst lieben, wenn es Vergangenheit geworden ist.» So beschrieb der im 20. Jahrhundert lebende englische Schriftsteller William Somerset Maugham unseren Umgang mit der Zukunft einst trefflich. Es scheint fast so, als liege es in der Natur des Menschen, Angst vor dem Unbekannten zu haben. Schon als Kinder lassen wir unsere Eltern nachts nach dem Monster unter dem Bett suchen und das mulmige Gefühl bei Dunkelheit begleitet viele noch bis in ihr Erwachsenenalter. Was wirkt da schon bedrohlicher als die Zukunft – der eigentliche Inbegriff des Unbekannten?

Ein Grund, warum der Zukunftspessimismus sich auf einem scheinbaren Allzeithoch zu befinden scheint, ist sicherlich, dass wir uns heutzutage dank dem Internet und der Globalisierung einer stetig wachsenden Nachrichtenflut ausgesetzt sehen. So steht das nächste Killervirus stets vor der Tür und die Erderwärmung droht die eine Hälfte des Planeten zu überschwemmen und die andere auszutrocknen.

Zweifelsohne: Die Menschheit steht vor grossen Herausforderungen und muss lernen, mit alten und neuen Gefahren umzugehen. Der Welthunger gilt dabei beispielsweise als eine besonders kritische Entwicklung. Schon heute muss weltweit jeder zehnte Mensch hungern. Angesichts der fortwährend wachsenden Weltbevölkerung liegt die Sorge nahe, dass dieses Problem zukünftig neue Dimensionen erreichen könnte. Doch die Wahrheit ist auch, dass seit 1990 die Werte des Welthunger-Index um ganze 34 Prozent gesunken sind. Die globale durchschnittliche Lebenserwartung hat sich in den letzten 20 Jahren um ganze fünf, in einigen Ländern wie Äthiopien sogar um 20 Jahre erhöht.

Ebola oder die Vogelgrippe sind sicherlich schreckliche Krankheiten. Der historische Vergleich zur spanischen Grippe, die vor nicht einmal einem Jahrhundert innerhalb von nur zwei Jahren 25 Millionen Menschen in Europa das Leben gekostet hat, zeigt jedoch die verhältnismässig kleinen Dimensionen auf.

Sollte uns der Blick in die Zukunft nicht anstatt Angst vielmehr Mut machen, wo die Menschheit doch so gut wie noch nie zuvor um ihre künftigen Herausforderungen weiss? Müssten wir nicht vor Zuversicht strotzen, weil wir technologisch immer fortgeschrittenere Mittel zur Verfügung haben, die uns das Leben erleichtern? Ein Beispiel: Mit einem modernen Smartphone steht uns alleine hundertmal mehr Rechenleistung in der Hosentasche zur Verfügung als der NASA für die Mondlandung im Jahre 1969.

Neben der Furcht vor dem Unbekannten scheint noch eine weitere Eigenschaft in der Natur des Menschen zu liegen: Das Streben nach Fortschritt, der ständige Drang zum Erneuern und Überdenken. Genau deshalb bleibe ich dabei: Wir haben das Beste noch vor uns! Schliesslich haben wir auch relativ zeitnah ein probates Mittel gegen die Angst vor der Dunkelheit gefunden, weithin auch bekannt als Taschenlampe.


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