«Wir müssen nicht die Hallen des Landes füllen»

Lorenz Häberli und Luc Oggier alias «Lo & Leduc» zirkulieren seit 2014 stets in den obersten Rängen der Schweizer Charts. Was hinter ihrem Erfolg und ihrer Gelassenheit steckt.

Nicht alle Menschen sind davon begeistert, Musik in Mundart zu
hören. Wieso habt Ihr euch dazu entschieden, trotz der kleinen
Reichweite eure Texte auf Schweizerdeutsch zu schreiben?

Lo: Für uns ist dies wohl eher ein Sachzwang, da wir keine andere Sprache so gut beherrschen. Unsere Ansprüche bezüglich der Texte sind sehr hoch und diesen können wir nur in Mundart gerecht werden. Wir würden sehr gerne mal ein Lied auf Spanisch schreiben…
Leduc: …es wäre aber wahrscheinlich ziemlich schlecht. Man staunt jedoch oft, wer es sich zutraut, ein Lied beispielsweise auf Englisch zu schreiben – das dürfen sie gerne machen, wir lassen das aber lieber sein.

Ihr habt ja beide studiert. Spielt diese akademische Seite in eurem heutigen, von Musik geprägten Alltag immer noch eine Rolle?

Lo: Durchaus. Vor allem die Sprachaffinität, welche in beiden Bereichen präsent ist – sei dies im Literaturstudium oder beim Texte schreiben.
Leduc: Das lasse ich so im Raum stehen. (schmunzelt)

Euer neues Album Update 4.0 – wie lange dauert es vom Funken einer Idee bis zu dem fertigen Produkt?

Leduc: Es gibt Texte, deren Entstehen mehr als ein Jahr dauerte. Sie sind dabei nicht zwingend die besten, können dies aber werden; manchmal ist ein «Schnellschuss» aber beinahe besser – die Bandbreite bleibt jedoch äusserst verschieden. In Bezug auf Update 4.0 entstanden die meisten Songs in relativ kurzer Zeit. Das ist der Produktion auch anzumerken: Für uns war es eine kurze, intensive Zeit, wobei es sehr zügig voran ging. Es waren auch keine alten Ideen, an denen wir uns über längere Zeit geklammert haben, das meiste kam aus dem Gefühl heraus.
Lo: In einigen Songs kehren Bounce-Cypher-Verses auf, diese waren zum Teil unser Ausgangsmaterial bei der Produktion. Einige unserer Lied-Ideen sind schon zwischen einem und fünf Jahre alt, vielleicht bringen wir diese ja in Update … 5.0?

Ihr sprecht in euren Songs regionale Einflüsse, wie zum Beispiel das «Chileli vo Wasse» oder die Auskunft an. Kommt so etwas bei der jungen Generation an, die doch eigentlich keine Ahnung (mehr) davon hat?

Lo: Wir sind einfach alt! (lacht)
Leduc: Stimmt, doch dies ist ein wichtiger Punkt: Es sollte keineswegs so rüberkommen, als würden wir absichtlich nostalgische, folkloristische, alte Schweizer Geschichten und Symbolbilder in die Texte packen, in der Hoffnung, dass diese dann einen Song zum Hit machen – das wäre ja schrecklich. Das sind einfach Sachen, die wir in unserer Zeit mitbekommen haben – ich fand beim «Chileli vo Wasse» den Emil-Sketch immer sehr amüsant.
Lo: Und bei «079» wird ja genau damit gespielt: Im Text wird erwähnt, dass niemand mehr bei der Auskunft arbeitet.

Wie erklärt ihr den Gebrauch von Retro-Memes in euren Musikvideos und dem Albumcover?

Lo: Die stammen aus der Recherche-Feder von Maximilian Lederer. Ihm und seiner Zusammenarbeit mit Tim Dürig von Zehneinhalb haben wir unsere Grafiken, Bilder und Videos zu verdanken.
Leduc: Bei Update 4.0 hört man den Computer beinahe schon raus; ausserdem gibt es das Album nur als digitalen Download. Die Pixel-Ästhetik passt daher sehr gut ins Gesamtbild. Dies ist auch bei unserem Albumcover zu bemerken: Es gibt keine CD-Version mehr, also wählten wir das Symbol eines digitalen Ordners.

Die Globalisierung und die damit verbundene Digitalisierung vernichtet immer mehr Arbeitsplätze. Ist die Musikbranche davon betroffen?

Lo: Nein. Es wird garantiert noch Arbeitsplätze für Musiker geben, denn etwas haben Musik und Fussball gemeinsam: das Live-Erlebnis. Diesen Moment kann man nicht «wegtechnologisieren» und demzufolge werden Musikerjobs, seien dies eine Band oder ein DJ, weiterhin existieren. So wie die Entwicklung zu beobachten ist, wird es wahrscheinlich bald keine physischen Tonträger mehr geben, doch Musik wird es immer geben – es war schliesslich eine der ersten menschlichen Erfindungen, dies ist viel zu wichtig.

Legt ihr einen grossen Wert auf Live-Musik und physische Musik-
instrumente?

Leduc: Mit Update 4.0 touren wir wieder mal seit langem ausschliesslich mit unserem Produzenten, Dr. Mo, als DJ. Ansonsten sind Live-Musiker ein elementarer Bestandteil von «Lo & Leduc». Wir haben eine zehnköpfige Band, mit welcher wir auch dieses Jahr unterwegs sein werden. Live-Musik ist eine der wichtigsten Zutaten für das Gelingen eines Konzert-Erlebnisses – es sollte ein Moment sein, den man zu Hause vor dem Computer nicht erleben kann. Wenn wir mit zehn Freunden auf der Bühne stehen, fühlt es sich magisch an und ich denke, dass wir dies an unser Publikum weitergeben können.

Update 4.0 – ein kostenloses Album. Trotzdem sind Songs, wie «079» auf Platz 1 in den iTunes-und Spotify-Charts. Wie kann das sein?

Lo: An dieser Stelle sollte man unseren Hörerinnen und Hörer, die sich nun bald seit zehn Jahren unsere Updates anhören, einen riesigen Dank. Es ist sehr schön zu sehen, dass die Menschen diesen Quatsch, den wir uns ausdenken, nicht nur hören wollen, sondern auch bereit sind, einen Beitrag dafür zu zahlen. Wir haben sicher eine Fanbase, von der wir es zwar erwarten konnten, doch das Ausmass ist nie abschätzbar.

Leduc: Einerseits ist es ein Dank an unser Publikum, andererseits war dies zu erwarten. Dies lasse ich jedoch so im Raum stehen.

Was sind eure kurz- und
langfristigen Ziele?

Lo: Sicherlich gesund bleiben. Ich möchte jedoch noch einiges mehr, möchte dies aber nicht verraten. Ich denke kurzfristig steht nun unsere Tour an, wobei wir uns erhoffen, dass wir die Erwartungen der Zuhörer auch erfüllen können. Parallel dazu fangen wir schon jetzt an, mit unserer Band zu proben und einige Songs von Update 4.0 für Live-Auftritte umzusetzen. Darüber hinaus feilen wir an sämtlichen Lied-Ideen herum. Langfristig hoffe ich, dass wir noch einige Jahre das, was wir am liebsten tun, machen können und dürfen.
Leduc: Das kann ich gleich unterschreiben.

Ihr habt zweifellos schon sehr vieles, man könnte behaupten alles in der Schweizer Musikszene erreicht…

Leduc: Nein, sonst könnte man ja aufhören. Ich glaube, dass diese Beschreibung ein Wachstumsmaximum voraussetzt. Es gibt jedoch Ziele, die wir anstreben, und solche, woran wir gar nicht denken. Wir füllen beispielsweise nicht die grössten Hallen des Landes, müssen wir aber auch nicht. Jedoch gibt es bestimmt Sachen, die noch zu erreichen wären und die Glück spenden werden, auch wenn dies in einem Keller mit 50 Menschen ist. Solange wir immer noch Ideen für Lieder und Produktionen haben, ist zum Glück noch nicht alles erreicht.
Lo: Das, was der Mann sagt. (lacht)

Wird eure Musik auch über die Landesgrenzen hinaus wahrgenommen?

Lo: Es wäre wahrscheinlich höchst interessant, die Klickzahlen bei unseren Videos demografisch zu betrachten. Man muss sich der Krux der Mundart bewusst sein: man fährt aus Bern 20 Minuten in den Westen und dort versteht man uns nicht mehr – dementsprechend ist man sehr begrenzt mit dieser Sprache.
Leduc: Aber Schweizer sind ja bekanntlich überall auf der Welt anzutreffen – man kann kaum an einen Ort reisen, wo einem nicht nach zwei bis drei Stunden ein Schweizer in funktionaler Kleidung und Wanderschuhen entgegenkommt. Es ist uns immer wieder eine Freude zu sehen, dass unsere Lieder über die Landesgrenzen getragen werden, doch ich bezweifle, dass unsere Musik in anderen Völkern eine Nische finden wird.

Der typische HSGler ist…

Lo: Das spreche ich bewusst nicht aus, da wir keine Stereotypen zementieren wollen. Es gibt ganz sicher viele gute und auch schlechte Menschen, wie eigentlich überall.


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