Wo hört der Nachteil auf?

Der Nachteilsausgleich hat zum Ziel, mithilfe von spezifischen Massnahmen bestehende studien- oder prüfungsrelevante Erschwernisse zu kompensieren. Doch wo hört der Nachteil auf und fängt der Vorteil an?

Kluge Köpfe sollen die Chance haben, an einer Hochschule zu studieren. Studierende mit einer körperlichen und psychischen Beeinträchtigung oder einer chronischen Erkrankung sollen die gleichen Chancen erhalten, wie ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen. Es kann sich dabei um schwere Fälle, wie körperliche Behinderungen, oder aber um leichte Fälle, wie einen gebrochenen Arm, handeln. Auf Compass kann ein entsprechender Antrag eingereicht werden – ein Arztzeugnis muss zwingend beigelegt werden. Nach einem persönlichen Gespräch mit Regula Dietsche, der Leiterin der «Beratungsstelle Special Needs», entscheidet diese bei nicht schwerwiegenden Fällen direkt über den Antrag. Die Beratungsstelle gibt für Prüfungssituationen eine Empfehlung an das «Service Center Prozesse, Planung, Prüfungen» und bei einer Anpassung der Studienorganisation einen Vorschlag an die Studienadministration ab. Die Massnahmen können von einem separaten Prüfungsraum bis zu 25 Prozent mehr Prüfungszeit reichen. Alleine für die zentralen Prüfungen wurden rund 164 nachteilsausgleichende Massnahmen gewährt. Dabei handle es sich um unterschiedlichste Fallkonstellationen, wie Daniela Krug vom Service Center PPP im Gespräch mit prisma festhält. Fakt ist: Die psychischen Beeinträchtigungen nehmen zu.
Bei schwerwiegenden Fällen, wie beispielsweise Traumata, entscheidet eine Taskforce über den Antrag. Diese setzt sich aus dem Studiensekretär, dem Leiter Studienrecht, Regula Dietsche, Leiterin der Studienadministration und des Service Centers PPP, sowie Florian Schulz von der psychologischen Beratungsstelle zusammen.

Verschwommene Grenze

Bei der Gewährung nachteilsausgleichender Massnahmen handelt es sich grundsätzlich um das Ergebnis einer Einzelfallbeurteilung, welche regelmässig auf ihre Gültigkeit überprüft wird. Doch haben die Empfänger überhaupt eine Chance in der Privatwirtschaft wettbewerbsfähig zu sein? «Diese Frage dürfen wir uns nicht stellen», meint Daniela Krug. Als Bildungsinstitution habe die HSG einen ganz anderen Auftrag, nämlich das Recht
auf Bildung zu verwirklichen. Die Grundproblematik beim Nachteils-
augleich ist die Schwierigkeit sicherzustellen, dass dieser nicht zu einem Vorteil für die entsprechende Person und die konkrete Massnahme auch tatsächlich zur Kompensation der vorliegenden Beeinträchtigung geeignet ist. Damit wäre die Gleichbehandlung der Studierenden gefährdet. Ausserdem hat eine Massnahme verhältnismässig zu sein.
Der Nachteilsausgleich ist eine Abwägung und vor allem eine Gratwanderung sondergleichen. Wie schwierig dies ist, zeigt vor allem ein bestimmtes Beispiel, welches prisma aus verlässlicher Quelle erfahren hat. Einem Studenten, welcher an Tinnitus litt, wurden 25 Prozent mehr Zeit gewährt. Ausserdem durfte er seine Prüfung in einem separaten Raum abhalten. Konzentrieren konnte er sich dabei nur, wenn im Hintergrund sanfte Meeresgeräusche abgespielt wurden.
Es ist klar, dass der Nachteilsausgleich unabdingbar ist, um den Ausgleich von behinderungs- und körperfunktionsbedingten Beeinträchtigungen zu gewährleisten. Doch vor allem bei den weniger schwerwiegenden Fällen stellt sich die Frage: Wo zieht man als Bildungsinstitution die Grenze? Dies lässt sich wohl aufgrund verschiedenster Einzelfälle nicht abschliessend beantworten.


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