Zug um Zug

St. Gallen. Studenten stehen unter Zugzwang – die Ausmusterung steht unmittelbar bevor.

28.10.2017, 14:06

Nun sind wir schon auf halber Strecke, denk ich mir. Die Lernphase droht mich bereits zu überrollen. Der Anfang schien noch ganz gut zu verlaufen, doch es dauerte nicht lange, da hatte ich bereits das Gefühl, den Anschluss verpasst zu haben. Dass alle um mich herum denn Anschein machten, noch auf der richtigen Spur zu sein, machte alles nicht gerade besser. Der lang herbeigesehnte Herbst-Break gibt mir die Möglichkeit, die Weichen neu zu stellen – dachte ich mir zumindest. Fuck. Bereits nach zwei Tagen hing ich meinem fein ausgearbeiteten Lernplan weiter hinterher, als die SBB ihrem Fahrplan im Winter. Ich stehe zunehmend unter Strom und scheine mein Ziel völlig aus den Augen zu verlieren.

06.11.2017, 15:32

Als wäre das nicht schon genug, scheint mein Leben auch neben dem Studium zunehmend zu entgleisen. Jeglicher Verkupplungsversuch meiner Freunde während dem Break endet mit einem Korb. Sobald ich mich auch nur ein wenig aus dem Fenster lehne, werde ich ohne Umwege wieder in die Schranken gewiesen und so scheinen meine Abende alle auf dem Abstellgleis, anstatt im Endbahnhof, zu enden. Da ich nun wirklich keine Möglichkeit mehr bekomme, um auch nur mal kurz ein wenig Dampf abzulassen, widme ich mich doch wieder dem Studium. Ich entscheide mich also die Notbremse zu ziehen und mein Lernverhalten neu aufzugleisen. Es ist an der Zeit, einen neuen Weg einzuschlagen und sich an ein paar Leidensgenossen zu hängen. Leider erscheinen diese nicht mehr erfolgreich zu sein. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten schaffen wir es trotzdem einige Barrieren zu durchbrechen. Kaum haben wir die grössten Baustellen umfahren, beginnt schon die siebte Semesterwoche. Nach dem Alkoholentzug der letzten zwei Wochen fällt mir der Start um 8 Uhr erstaunlich leicht. Es ist aber auch höchste Eisenbahn! Ich nehme mir vor, mich von nichts und niemandem aus der Bahn werfen zu lassen. Nun bin ich am Zug! Ich werde das Ding besser schaukeln als ein Neigezug. Bevor ich mich versehe, nehmen die Dinge wie gewohnt ihren Lauf und als ich es endlich schaffe, mich wieder auf die Vorlesungen und den Prüfungsstoff zu konzentrieren, merke ich, dass ich den Zug, auf den ich seit zwei Wochen so sehnlichst versuche aufzuspringen, bereits schon wieder verpasst habe. Wieder einmal verstehe ich nur Bahnhof.

08.01.2018 17:53

Pünktlich vor den Prüfungen ist es nun auch Zeit für die alljährlich belehrende Durchsage meiner Eltern. Entweder du raufst dich zusammen oder du wirst dir ordentlich etwas einfahren, hiess es. Als Nachzügler in der Familie habe ich oft mit hohen Anforderungen zu kämpfen und schalte wie gewohnt auf Durchzug. Trotzdem mache ich mich im Eilzugtempo an die letzten Vorbereitungen, um die Verspätung aufzuholen und einen Totalausfall weitestgehend zu verhindern. Langsam erkenne ich Licht am Ende des Tunnels, denn auch die Prüfungsphase wird enden und dann steht schon die nächste Party im Trischli an. Dann ist es auch bei mir soweit und ich kann mein Leben wieder in vollen Zügen geniessen.


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