Author Archives: Lorenz Walthert

  • Weshalb Leidenschaft den Erfolg gefährdet

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    Gestern Abend wurde die HSG Talents Conference 2015 mit einem Podiumsgespräch offiziell eröffnet. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Audimax warteten die Studierenden gespannt darauf, was der ehemalige Nati-Coach Ottmar Hitzfeld und die Kommunikationsexpertin Beatrice Tschanz zum Thema “The Big Passion Theory – Mit Leidenschaft zum Erfolg?” zu sagen haben. Dabei schafften es die beiden von Anfang an, das Publikum mit ihrer humorvollen Art für sich zu gewinnen.

    “Leidenschaft ist ganz gefährlich. Ich versuchte nie, leidenschaftlich zu sein”, sagte Tschanz gleich zu Beginn. Das Problem sei, dass Leidenschaft sehr starke Emotionen hervorrufe, welche den Blick auf die Realität vernebeln. Empathie sei nötig für Erfolg, nicht aber Emotionen. Um beruflich erfolgreich zu sein, sind für Tschanz vor allem zwei Fragen wichtig: Wo kann ich etwas bewegen und wo passe ich hinein? Uns angehenden Absolventen legt sie nahe: “Haben Sie den Mut, Dinge anzusprechen und auszusprechen”. Das könne viel zur Konfliktprävention und Konfliktlösung beitragen. Kommunikation sei nicht nur in Konzernen wichtig, sondern auch im täglichen Umgang mit Teamkollegen. Beispielsweise hatte sie das Beratermandat für Bundesrat Leuenberger schnell wieder abgegeben, nachdem sie gemerkt hatte, dass die Zusammenarbeit nicht funktionierte. “Moritz Leuenberger ist unberatbar”, hielt sie schmunzelnd fest.

    Ob er als Trainer manchmal Leidenschaft habe unterdrücken müssen, wurde Hitzfeld von Moderator Michael Krobath gefragt. “Doch”, sagte Hitzfeld, schliesslich habe man als Trainer eine Vorbildfunktion und müsse Emotionen während dem Spiel zurückhalten. “Am liebsten würde ich manchmal den Schiedsrichter erwürgen, aber das geht ja nicht. Also es geht schon aber […] dann zeigt man halt mal den Finger.” Auf diese Aussage antwortete die Zuhörerschaft mit Gelächter und Applaus.

    Leidenschaft kann aber auch Leiden bedeuten. Das erfuhr Hitzfeld am eigenen Leib, als er 2004 mit einem Burnout bei Bayern-München entlassen wurde. Er sei extrem pflichtbewusst gewesen, wollte einen guten Job machen, und habe dabei die Freude am Fussball verloren. Im Nachhinein sagt er: “Die Entlassung war eine Erlösung für mich.” Selber hätte er nicht die Kraft gehabt, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Sein Ratschlag an die Teilnehmer der HSG Talents: Das Umfeld muss passen. Das war für ihn immer wichtig. So hat er etwa Angebote von Servette Genf oder später Real Madrid ausgeschlagen, weil er nicht mit Dolmetschern arbeiten wollte.

    Der Abend war ein unterhaltsamer Auftakt, bei dem die Zuhörer nebst Tipps zu Leidenschaft in der Karriere auch die eine oder andere Anekdote aus dem Leben der Podiumsgäste zu hören bekamen. Beim anschliessenden Apéro kamen dann auch noch diejenigen mit Leidenschaft für Kulinarik ihre Kosten.

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    Fotos: Livia Eichenberger